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AUFGELADEN zu den Polarlichtern im hohen Norden - 2020

Die Odyssee nimmt ihren Lauf

N 69°19'28.8" E 16°07'05.7"
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    Datum:
    03.10.2020

    Tag: 062

    Land:
    Norwegen

    Ort:
    Andenes

    Tageskilometer:
    0 km

    Gesamtkilometer:
    5444 km

    Bodenbeschaffenheit:
    Asphalt

    Sonnenaufgang:
    07:11

    Sonnenuntergang:
    18:31

    Temperatur Tag max:
    14°

    Temperatur Nacht min:

    Aufbruch:
    10:30

    Ankunftszeit:
    18:00

 

(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)

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Sie entdeckten eine Schule von Walen und brachten ihre Fangboote aus und machten Jagd auf die Tiere. Als sie einen Wal harpunierten, wurden sie von dem Tier angegriffen. Könnt ihr euch vorstellen, was das für ein Gefühl sein muss, wenn da urplötzlich ein 50 Tonnen schweres Wesen auf die kleine Nussschale losgeht, in der du sitzt? Wenn ich nur daran denke, stellen sich bei mir die Haare auf. Zum Glück war ich nie solch einer Situation ausgesetzt. Wie auch immer. Die Besatzung des kleinen Ruderbootes war gezwungen, die Seile zur Harpune, die im Fleisch des Tieres steckte, zu kappen, um nicht in den Tod gezogen zu werden. Nach der Erzählung meines Großvaters kam das immer wieder vor, dass die Jäger eine Harpune und den Wal aufgeben mussten. Im Jahre 2007 hat man in einem vor Alaska erlegten Grönlandwal die Spitze einer 100 Jahre alten Harpune gefunden. Stellt euch mal vor, wie alt der Wal gewesen sein musste. Aber lasst euch weitererzählen. Der Käpten hat aufgrund des Zwischenfalls die Jagd erst mal abgebrochen und seine Boote zur Essex zurückbefohlen, und als sie sich ihrem Mutterschiff näherten, glaubten sie ihren Augen nicht zu trauen, denn es lag ohne ersichtlichen Grund mit solch einer Schlagseite im Wasser, das sie den Unterbooten des Schiffes sahen. Keiner von ihnen konnte sich vorstellen, warum die 28 Meter lange Essex bei völlig Windstille umgekippt war. Schnell gingen sie längsseits der Essex, kletterten an Bord, kappten die Masten und jegliches Tauwerk und versuchten alles, um das Schiff vom weiteren Volllaufen zu schützen und wiederaufzurichten. Ihr aller Leben hing davon ab. Sie glaubten gerade erfolgreich zu sein, als urplötzlich ein monstergroßer Pottwal auftauchte und das Schiff rammte. Der Schlag war so heftig, dass der Wal erst mal für einige Minuten wie betäubt neben der Essex lag. Dann bewegte sich das Tier plötzlich wieder, tauchte ab und als die zu tote erschrockene Crew glaubte, der Wahl sei verschwunden, nahm dieser mehrere hundert Meter Anlauf und rammte die Essex mit unglaublicher Wucht am Bug. Dabei splitterten mehrere Planken, worauf Wasser viel zu viel Wasser in die Laderäume strömte.“ „Puh“, stöhne ich durch Fynns lebhafte Erzählung, die Katastrophe regelrecht vor Augen zu haben. „Wie kann ein Wal solch eine Kollision verursachen? Hat er so einen harten Kopf?“, frage ich. „Oh ja, das hat er. Sein Kopf besitzt ein Drittel seiner Gesamtlänge und er setzt ihn auch als Rammbock im Kampf gegen seine Konkurrenten ein.“ „Und was geschah dann. Kam der Wal noch mal zurück?“, frage ich aufgeregt. „Nein, er kam nicht mehr, aber die Essex war im Begriff zu sinken. Jedoch hatte die Crew Glück, denn aus welchen Gründen auch immer hielt sie sich noch zwei Tage über Wasser. Die Mannschaft nutzte die Zeit, um die drei kleinen Walfangboote, so gut es nur ging, hochseetauglich zu machen. Sie luden die Navigationsausrüstung und die Seekisten von Kapitän Pollard und seinem ersten Offizier Owen Chase in die Boote und rüsteten sie mit Holmen, Segeln und Masten der Essex aus. Dann teilten sie unter den drei Ruderboote 780 Liter Trinkwasser und 280 Kilogramm Schiffszwieback auf. Kalkuliert war, dass sie mit dem Proviant 60 Tage auf See überleben konnten. Die Kommandos über die drei Walfangboote übernahmen der Kapitän Pollard, sein erster Offizier Owen Chase und sein zweiter Offizier Joy Matthew. Bevor sie sich auf den beschwerlichen Weg machten, überlegten die drei Bootsführer, welche Route sie einschlagen sollten, um irgendwann und irgendwo lebendig anzukommen. Die Marquesas-Inseln, ein ostpolynesischer Archipel mit 14 Inseln und einigen kleinen Eilanden, waren ungefähr 1.900 Kilometer von ihrer augenblicklichen Position entfernt. Mit ihren Wasser- und Proviantvorräten konnten sie die Inseln erreichen, jedoch hatten sie davon gehört, dass die dort lebenden Ureinwohner Kannibalen waren. Ein gewichtiger Grund, nicht dorthin zu navigieren. Der Kapitän schlug indes vor, zu den Gesellschaftsinseln zu segeln. Eine im Südpazifik liegende tropische Südseeinselgruppe vulkanischen Ursprungs. Das heutige Französisch-Polynesien wurde erst 53 Jahre vor dem Untergang der Essex, also 1767 vom britischen Marineoffizier und Weltumsegler Samuel Wallis entdeckt. Weil man auch über die Gesellschaftsinseln nichts wusste, konnten sich der erste Offizier Owen Chase und der zweite Offizier Joy Matthew nicht einigen. Ich kann mir richtig vorstellen, welchen Stress die drei bei ihrer Entscheidungsfindung hatten und wie sich der Kapitän mit seinen Offizieren darum stritt, welches Ziel sie ansteuern sollten. Nachdem die Essex endgültig in den Tiefen des Meeres versank, machten sie sich auf den Weg einer ungeahnten Odyssee. Ihr Plan war nun mit günstigen Winden die Küste von Chile zu erreichen, womit die Odyssee erst wirklich begann“, erzählt der alte Seemann mit rauer, leiser Stimme und legt wieder eine lange Pause ein, als müsste er sich konzentrieren, wie die Geschichte weitergeht. „Jetzt erzähl bitte weiter“, fordere ich Fynn auf. „Entschuldige, wo war ich stehen geblieben?“ „Dass sie die kleinen Ruderboote mit Proviant vollgeladen haben, darüber stritten, welche Route sie nehmen wollten und geplant hatten, mit günstigem Wind ans Festland von Chile zu gelangen“, erinnere ich ihn.

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