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AUFGELADEN zu den Polarlichtern im hohen Norden - 2020

Die Folgen von Wasserknappheit und Wildwasser

N 61°29’36.3’’ E 007°35’52.0’’
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    Datum:
    16.09.2020

    Tag: 045

    Land:
    Norwegen

    Ort:
    Skjolden 

    Tageskilometer:
    201 km

    Gesamtkilometer:
    3619 km

    Bodenbeschaffenheit:
    Asphalt

    Fähre
    1

    Brückenüberquerungen:
    1

    Tunneldurchfahrten:
    14

    Sonnenaufgang:
    06:53

    Sonnenuntergang:
    20:17

    Temperatur Tag max:
    15°

    Temperatur Nacht min:
    11°

    Aufbruch:
    11:30

    Ankunftszeit:
    19:30

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„Hörst du das auch?“, frage ich. „Was soll ich hören?“ „Na nichts, es gibt nichts zu hören. Das Dauerprasseln auf der Terra ist vorbei.“ „Ach so das meinst du.“ „Ist die Ruhe nicht wunderbar?“ „Absolut. Ist wirklich schön, wieder die Sonne zu sehen“, freut sich Tanja. „Schon verrückt, wie Dauerregen aufs Gemüt schlagen kann. Wenn ich mir vorstelle, dass es laut Wetteraufzeichnung in der Stadt Bergen bis zu 270 Tage im Jahr regnet und wir bis auf einen halben Tag Unterbrechung nur zehn Tage von der Nässe betroffen waren, hatten wir noch Glück“, sinniere ich. „Na ja, Glück ist etwas anderes. Es hat ununterbrochen geschüttet, sodass man meinen hätte können, die Welt geht unter.“ „Das stimmt, und wenn man bedenkt, dass Bergen zu den regenreichsten Großstädten der Welt gehört, würde ich dort unter keinen Umständen leben wollen.“ „In diesem Fall beneide ich die Zuhause Gebliebenen ein bisschen.“ „Warum? Weil sie einen wundervollen Spätsommer mit über 30 Grad Hitze erleben, während wir hier eher in einem Uboot als in einem Expeditionsmobil gelebt haben?“, scherze ich. „Ja schon, aber trotz allem macht mir Regen nicht viel aus. Unsere Mutter Erde braucht das Wasser dringend.“ „Ja, ja, das stimmt schon. Nur leider ist die wertvolle Ressource Wasser auf unseren Planeten ungerecht verteilt. In vielen Ländern wird das Wasser immer knapper. Man braucht es zum Anbau von Getreide, zur Produktion eines Handys und zum Trinken. Wasser ist wertvoller als jeder Edelstein. Das haben die meisten Menschen bisher leider noch nicht verstanden. Noch dazu benötigt die unaufhörlich wachsende Weltbevölkerung immer mehr davon. Ich habe gelesen, dass laut Schätzungen der Vereinten Nationen bereits im Jahr 2040 neun Milliarden Menschen leben sollen. Stell dir das mal vor?“, sage ich auf das überflutete Ufer des Sees unmittelbar neben der Terra blickend. „Ja die Überbevölkerung ist bestimmt das größte Problem der Menschheit. Kann mir sehr gut vorstellen, dass sich die Kriege der Zukunft um Wasser drehen und nicht mehr um Öl und andere Rohstoffe“, gibt mir Tanja recht. „Da bin ich mir auch ganz sicher. Wenn man bedenkt, dass aufgrund der aktuellen Prognosen bereits in 20 Jahren etwa 33 Länder dieser Erde unter Wassermangel leiden werden, wird der eine oder andere Staat gezwungen sein, sich mit Gewalt Zugang zum überlebensnotwendigen Wasser zu verschaffen. Ich denke dabei an Spanien und Griechenland, die zu den trockensten Ländern Europas gehören. Die Griechen versorgen schon jetzt einige ihrer Inseln mit Wasser, in dem sie es mit Schiffen dahin schippern. Selbst Meerwasserentsalzungsanlagen werden nicht auf Dauer ausreichen, um den Bedarf der Bevölkerung und Industrie zu decken.“ „Eine schlimme Vorstellung. Da sieht man den Dauerregen der vergangenen Tage gleich mit anderen Augen“, wirft Tanja ein. „Absolut, vor allem, wenn ich an die Situation im Nahen Osten denke. Nach Prognosen liegen dort knapp die Hälfte der 33 trockensten Länder.“ „Ja, die gibt es viele Wüsten. Wir sind in unserem Reiseleben schon einige Male über diese Länder geflogen. Ich kann mich gut an die trockene Landschaft, in der kaum etwas zu wachsen scheint, erinnern.“ „Absolut. Keine Ahnung, wie die Länder Bahrain, Kuwait, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate, Jordanien und Israel diese Herausforderung lösen werden. Die leiden schon jetzt unter verschärften Wetterextreme“, überlege ich. „Schon irre, wohin einem die Gedanken bringen. Da säuft Norwegen fast ab und wir sprechen über die trockensten Länder, über Zukunftsszenarien und was Wasser bedeutet.“ „Ist doch meistens so, dass es dem Menschen erst schlecht gehen muss, bis er schätzt, was er hat. Aber lass uns mit unseren Gedanken noch ein wenig um die Welt schweifen. Zum Beispiel nach Indien. Schon damals, als wir dort für knapp zwei Jahre lebten und mit unserer Royal Enfield Bullet (altes britisches Motorrad) das Land bereisten, gab es schon Konflikte um Wasser. Vor Kurzem waren da 300 Millionen Menschen von den Auswirkungen einer großen Dürre betroffen. 300 Millionen 3 ¾ Mal so viel Menschen, wie es in Deutschland leben. Selbst in Vietnam bringt der Monsun nicht mehr genügend Wasser, sodass viele Reisbauern am Mekong ums Überleben kämpfen.“ „Echt, das wusste ich nicht.“ „Na denk doch mal, wie wir mit unseren Bikes das Mekongdelta durchquert hatten. Da war es doch sehr trocken. Ich glaube nicht, dass das jahresbedingt war. Es gibt zu viele Menschen, die alle Reis essen möchten. Und Reis benötigt extrem viel Wasser. In China werden die Menschen angehalten, mehr Kartoffeln zu verzehren, da Kartoffeln entschieden weniger Wasser als Reis benötigen. Allerdings haben die Chinesen mit ihrem schwachsinnigen Wirtschaftswachstum noch ein anderes Problem und das ist die totale Verschmutzung ihrer Seen und Flüsse. Irgendwann haben die alle ein Auto mit der Konsequenz, dass sie am Ende des Tages ihre Smartphones essen können, da in dem Land nichts mehr wachsen wird.“ „Jetzt wirst du aber sehr theatralisch.“ „Ach, was theatralisch. Das sind unumstößliche Fakten, und wenn wir Asien verlassen und unsere Gedanken nach Afrika fliegen lassen, ist es noch viel schlimmer. Die Bevölkerung wächst dort besonders stark und die Länder Algerien, Marokko und Libyen gehören ebenfalls zu den 33 wasserärmsten Ländern. Alleine in Äthiopien herrschen immer wieder starke Dürren. Zehn Millionen Menschen leiden in Ostafrika unter den Folgen ausbleibenden Regens. Das globale Klimaphänomen El Niño soll dafür verantwortlich sein, dass Südafrika von einer Jahrhundertdürre betroffen ist.“ „Puh, wenn ich dir so zuhöre, wird es mir angst.“ „Da wird mir selber Angst. Aber es ergibt keinen Sinn, die Augen zu verschließen. Schließlich sitzen wir Menschen alle in einem Boot. Egal welche Hautfarbe. Die Verschmutzung unseres Planeten haben wir alle zu verantworten. Vor allem die Industrienationen, die skrupellos und rücksichtslos die ärmeren Länder ausnutzen.“ „Aber jetzt geht es nicht ums Ausnutzen, sondern um das Problem der Überbevölkerung“, wirft Tanja ein. „Das hängt alles zusammen und ist sicherlich komplex. In Peru zum Beispiel flüchten immer mehr Menschen vom Land in die Hauptstadt Lima, die eine der trockensten Städte der Welt ist. Sie wollen dahin, weil es dort bessere Jobs als am Land gibt. Nur was hast du von einem besseren Job, wenn es in der Stadt kein Wasser gibt? In Australien halten sie Millionen von Rindern und das in einem Land, welches zum größten Teil aus Wüste besteht. Soweit ich weiß, sollen Meerwasserentsalzungsanlagen das Problem lösen. Nur hat man daran nicht gedacht, was geschieht, wenn man dem Meer das Salz entzieht? Das hat sicherlich Folgen für die Lebewesen, die dort leben. Auf den vielen Inseln Ozeaniens gibt es wiederum viel Regen, so viel, dass die massiven Überschwemmungen das Trinkwasser verseuchen.

Das Phänomen Wasserknappheit ist eine weltweite Herausforderung, die es zu lösen gilt. Selbst die Amerikaner haben bemerkt, wie unsicher der Zugang zu Wasser ist.“ „Vielleicht werden die als Erste damit beginnen, um Wasser zu kämpfen?“ „Wer weiß, zuzutrauen ist denen alles.“ „Aber jetzt lass uns wieder aufhören mit der Weltpolitik und ins Hier und jetzt zurückkehren. Wir sind in Norwegen und wollen dieses wunderbare Land bereisen, erfahren und genießen“, wechselt Tanja das Thema. „Du hast recht. Also wenn es jetzt wieder regnet, lass uns darüber aus ganzem Herzen freuen“, lache ich.

Als ich kurz vor dem Losfahren um die Terra schreite, um zu sehen, ob alle Fenster und Klappen geschlossen sind, begrüßt mich der Engländer, der seit drei Tagen neben uns steht und in seinem Van lebt. „Hi Dave. Hoffe, dir sind noch keine Schwimmhäute gewachsen?“, scherze ich, weil Dave trotz des Dauerregens jeden Tag mit seinem Kajak die Wildwasserflüsse der Region unsicher macht. „Ha, ha, ha, du hast Humor. Nein, mir geht es gut. Der Regen ist für mich und meinen Sport ein Segen.“ „Man kann doch auch ohne Regen Wildwasser fahren?“ „Stimmt, aber umso mehr Regen, desto voller sind die Flüsse. Die Region Voss hier gehört zu den besten Wildwasserorten der Welt. Das liegt zum einen an den vielen fantastischen Flüssen, aber auch an dem Regenreichtum. Die Flüsse dieser Region galten vor nicht allzu langer Zeit als Geheimtipp, jetzt hat sie sich zum Wildwasserparadies entwickelt. Auch wenn es schon viele Paddler hierher verschlägt, ist man dort draußen in der endlosen, atemberaubend schönen Wildnis. Das Einzige, was ein wenig stört, sind die Millionen von Stechmücken. Aber da sehe ich drüber hinweg.“ „Ich bin früher auch mal Wildwasser gefahren. Als aber ein Freund von mir dabei umkam und ich zusehen musste, wie er jämmerlich ertrunken ist, habe ich aufgehört. Wie sind die Boote heute? Brechen die nicht mehr?“ „Doch, doch sie sind allerdings viel kleiner und wendiger als früher. Trotzdem hat es mich gestern erwischt und ich wurde ganz schön über die schroffen Felsen gezogen“, erzählt er, zieht sein Hemd aus und zeigt mir seinen Rücken. „Mein Gott Dave, das sieht ja furchtbar aus“, entfährt es mir entsetzt, denn bei seinem Anblick könnte man glauben, er sei von einem Grizzlybären angefallen worden. „Halb so schlimm. Das heilt wieder. Hatte wegen einer schlimmen Schulterverletzung drei Jahre aussetzen müssen. Dahingegen ist das gar nichts.“ „Mann Dave, was fahrt ihr denn für Wasserfälle runter, dass man so aussieht?“, frage ich, worauf er sein Smartphone zückt und mir einige Videoclips zeigt. „Unfassbar! Das ist nicht von dieser Welt. Und da fahrt wir wirklich runter?“ „Ja siehst du das kleine Boot auf dem Wasserfall? Das bin ich.“ „Und, was ist, wenn du unten nicht richtig aufkommst?“ „Dann sieht der Rücken so aus wie meiner.“ „Absolut lebensgefährlich“, pruste ich. „Ist ein toller Sport, der süchtig macht. Du verspürst häufig geballtes Adrenalin. Aber wenn du weißt, was du machst, ist es halb so schlimm“, antwortet er lachend. „Okay Dave. Würde mich gerne noch weiter mit dir unterhalten, aber wir wollen heute noch ein paar Kilometer unter den Reifen bekommen. Das Wetter scheint besser zu werden und bis zum Nordkap ist es noch sauweit. Wünsche dir noch eine gute Zeit in Norwegen und pass auf dich auf.“ „Danke, wünsche euch noch eine gute Reise und wer weiß, vielleicht begegnen wir uns wieder. Die Welt ist klein.“

 

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