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Mongolei/Tuwa Camp MONGOLEI EXPEDITION - Die Online-Tagebücher Jahr 2011

Der Weg der Jade

N 51°33'336'' E 099°15'341''
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    Tag: 196-207

    Sonnenaufgang:
    08:55/08:36

    Sonnenuntergang:
    18:17/18:37

    Gesamtkilometer:
    1281

    Bodenbeschaffenheit:
    Eis, Schnee

    Temperatur – Tag (Maximum):
    minus 10°C

    Temperatur – Tag (Minimum):
    minus 28°C

    Temperatur – Nacht:
    minus 39°C

    Breitengrad:
    51°33’336“

    Längengrad:
    099°15’341“

    Maximale Höhe:
    1981 m über dem Meer

Seit Tsaya den Campbewohnern erzählt hat, dass ich einmal eine Ausbildung als Mechaniker und Techniker abgeschlossen habe, holen sie mich wenn irgendetwas der wenigen Gerätschaften, die sie besitzen, ausgefallen sind. Meist jedoch bringen sie mir ihre defekten Geräte direkt in die Jurte. „Was hast du denn heute dabei?“, frage ich Saintsetseg, die mir wieder einen Gegenstand anbringt der offensichtlich kaputt ist. Schüchtern zeigt sie mir ihre Taschenlampe und dreht an der daran befestigten Kurbel mit der man das Ding aufladen kann. „Muu“, („Schlecht“) sagt sie, da trotz heftigen Kurbelns kein Licht zu generieren ist. „Mal sehen was ich da machen kann“, meine ich und zerlege den für sie wichtigen Ausrüstungsgegenstand. Schnell stelle ich zwei gebrochene Kabel fest und löte diese mit meinen Gaslötkolben wieder an. Eine halbe Stunde später funktioniert die Lampe wieder. „Tschin setgeleesee bajrlalaa“, („Herzlichen Dank“) freut sie sich, lacht erleichtert und streckt mir wiederholt ihren nach oben gedrehten Daumen entgegen. „Ist mir eine Freude wenn ich dir helfen kann“, antworte ich. Mein guter Ruf erreicht auch den Schamanen Gamba, der mich holt, um seinen alten Schwarzweißfernseher anzusehen. „Das Bild flimmert unaufhörlich. Wir können unser geliebtes Koreanisches Drama nicht mehr ansehen“, erklärt er. „Das ist natürlich schlimm. Mal sehen was ich für Dich tun kann.“ Ich entdecke an der Rückwand ein Einstellrädchen mit dem man das Bild zu fixieren ist. „So jetzt könnt ihr euere Lieblingssendung wieder ohne Flimmern genießen“, sage ich freundlich. „Tschin setgeleesee bajrlalaa“, bedankt er sich hocherfreut.

Auf diese Weise fixe ich unter anderem Monkoos 12 Volt Ladegerät für ihr neues Heiligtum, welches sie erst vor kurzem geschenkt bekommen hat. Sofort schaltet sie ihr Mobiltelefon an und lässt einen mongolischen Popsong erklingen. Mokoo lacht herzhaft und freut sich wie ein kleines Kind. „Schön wie wenig es braucht um einen Menschen glücklich zu machen“, sagt Tanja.

„Knock! Knock!“ ruft Tsaya am Abend vor unserer Jurte. „Kommt herein!“, antworten wir. Wie immer wenn Ultsan im Camp ist lässt er sich auf den Klapphocker nieder. Tsaya setzt sich neben ihn auf einen unserer zwei beliebten Holzstühle. „Kaffee oder Tee?“, fragt Tanja wie immer obwohl sie weiß wie die beiden das schwarze Getränk lieben. Nach einem kurzen Unterhaltung über das Wetter und dem heutigen Tagesablauf setze ich mein Gespräch von gestern Abend fort. „Wir sprachen über die Jadefunde. Da scheint es ja große Vorkommen zu geben?“ „Ja. Die gibt es in der Tat. Die Jade ist der Grund für unsere Verspätung. Wir wollten den Zaunbau mit dem Suchen nach den Steinen verbinden und ritten zu einem Ort an dem es Jade gibt. Leider waren die Steine derart im Boden festgefroren, dass wir sie ohne Werkzeuge nicht herausbrachten. Wir waren gezwungen unverrichteter Dinge umzukehren.“ „Aber ihr habt doch diesen Schmuckstein gefunden?“ „Wie man es nimmt. Ein paar Stunden Ritt vom Ort entfernt an dem die Jade wie betoniert im Boden festsitzt, existiert ein gewaltiger Berg der aus Jade zu bestehen scheint. Dort arbeiten viele Mongolen, um sie abzubauen. Nach unserem Misserfolg sind wir zu dem Jadeberg geritten. Wir verloren zwar viele Tage, die wir eigentlich für den Zaunbau benötigten, aber wir wollten unser Glück versuchen. Das könnt ihr bestimmt verstehen?“, fragt er uns anlächelnd. „Und ob wir das verstehen“, antworte ich. „Nun“, sagt er und macht eine Pause. „Als wir an dem Schatzberg angekommen sind standen wir vor einem ähnlichen Problem. Man braucht massives Werkzeug, um die Jade aus dem Berg zu brechen. Wir besitzen aber keine teuren Bergbaugeräte und es ist auch nicht möglich diese mit Rentieren dorthin zu transportieren. Die Mongolen hingegen sind gut ausgerüstet. Mit ihren Gerätschaften sind sie in der Lage große Jadebrocken aus dem Massiv zu brechen. Wir haben nur das mitgenommen was für sie Abfall ist. Aber es ist trotzdem viel wert.“

„Wie viele Mongolen arbeiten denn bei diesen grauslichen Temperaturen an diesem Berg?“, interessiert es mich. „Zurzeit dürften es zwischen 40 und 50 Männer sein. Im Frühjahr und Sommer sind es natürlich viel mehr.“ „Und einige der Männer haben eure Rentiere für den Abtransport der Jade gemietet?“ „Tijmee.“ „Werden die edlen Steine nur mit Rentieren aus der Taiga transportiert?“ „Oh nein. Die meisten Mongolen benutzen Pferde dafür. Ein Rentier kann maximal 80 Kg tragen. Ein Pferd schafft dagegen 150 Kg. Im Sommer sogar bis 200 Kg.“ „200 Kilo Ladung auf einem einzigen Pferd? Das ist ja die Durchschnittslast eines Kamels“, werfe ich ein. „Ja. Manche Pferde werden bei diesen Transporten zu schunden geritten.“ „Wenn man sich vorstellt welche Entbehrungen ihr und die mongolischen Jadesucher auf sich nehmen scheint es ja richtig rentabel zu sein?“ „Mittlerweile schon. Es kommt allerdings auf die Qualität an. Für schlechte Qualität bezahlen sie uns 5.000 Tugrik (2,85 €) fürs Kg. Für Gute bis zu 20.000 Tugrik.“ (11,42 €) „Wer entscheidet ob die Qualität gut oder schlecht ist?“, frage ich. „Der Einkäufer.“ „Und der betrügt euch nach Strich und Faden?“ „Denke schon. Wir sind nicht in der Lage gute Qualität von Schlechter zu unterscheiden. Wir müssen uns einfach darauf verlassen was der Einkäufer sagt. Bisher haben wir allerdings noch keinen vertrauenswürdige Person gefunden und behalten erstmal einige der Steine für uns.“ „Eine weise Entscheidung. Denke dass der Preis weiter steigen wird. Jade ist auf dem Weltmarkt recht knapp geworden hat man uns berichtet.“ „Davon kann man ausgehen. Erst vor sieben Jahren haben wir die Jade entdeckt. Im ersten Jahr zahlte man uns nur 1.000 Tugrik (0,57 €) pro Kg. Mittlerweile jagen viele Menschen nach dem Schmuckstein. In Ulan Bator ist ein Kilo guter Jade sogar 100.000 Tugrik (57,- €)wert.“ „100.000 Tugrik für ein Kilo. Das ist ja ein Vermögen. Wie kommt es zu dem große Unterschied zwischen Tsagaan Nuur und Ulan Bator?“ „Liegt wahrscheinlich an den vielen Bestechungsgeldern die bezahlt werden müssen bis die Steine in Ulan Bator sind. Das ist auch der Grund warum Jade meistens nachts transportiert wird. Obwohl gerade in der Nacht die meisten Polizisten die Allradbusse kontrollieren und ihre Hände aufhalten. Aber die größte Hürde sind angeblich die großen Kontrollposten an den Ausfallstraßen von Ulan Bator. Wenn der Stein dort durchkommen soll muss bestimmt kräftig geschmiert werden.“ „Ist es nicht erlaubt Jade zu transportieren?“ „Doch schon. Aber der Abbau ist nicht legal. Es geht dabei bestimmt auch um Steuergelder die zu entrichten sind. Ich weiß es nicht.“ „Ist also ein gutes Geschäft für die Polizei“, meine ich nachdenklich worauf einige Minuten des Schweigens entstehen.

„Das heißt die Jade geht durch viele Hände bis sie Ulan Bator erreicht. Dann sind es nochmal ca. 800 Kilometer bis zur chinesischen Grenze. Mich würde interessieren was Jade dann in Shanghai kostet? Eine weitere Reise von 2.000 bis 3.000 Kilometer. Bis sie ihren Bestimmungsort und die Jadeschleifereien von China und Japan erreicht wird sie ein echtes Vermögen wert sein. Wenn der Stein dann zu Schmuck weiterverarbeitet ist wird er in die ganze Welt verkauft. Kein Wunder das echte Jade, vor allem Weiße, so teuer in Europa ist“, setze ich meine Überlegungen fort. „Sicherlich. Aber es gibt auch Mongolen die an den Steinen reich werden.“ Ich kenne Einen der Tugrik-Millionär geworden ist. Er hat mehrere Tonnen sehr guter Jade entdeckt und sie mit zwei Allradlastwagen nach Tsagaan Nuur transportiert. Jetzt lebt er in einem schönen Haus, besitzt ein Auto und allen anderen Luxus den man braucht um glücklich zu sein.“ „Aber du würdest doch nie deinen Lebensstil hier für Luxus und Konsum aufgeben. Oder?“, frage ich. „Niemals. Aber trotzdem wäre es schön wenn wir mehr Geld besitzen würden. Das würde für uns größere Unabhängigkeit und natürlich auch Freiheit bedeuten.“

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