Dem Ende nahe
N 22°59’52.3’’ E 128°23’28.3’’Tag: 137 Etappe Zwei
Sonnenaufgang:
04:42
Sonnenuntergang:
17:37
Luftlinie:
14,5
Tageskilometer:
25
Temperatur - Tag (Maximum):
41 Grad
Breitengrad:
22°59’52.3’’
Längengrad:
128°23’28.3’’
See-Dünen-Camp-4 — 30.10.2001
Kaum bin ich eingeschlafen weckt mich das Piepen unserer Armbanduhren. Wie gerädert erhebe ich meinen ermatteten, völlig abgeschlafften und kraftlosen Körper. Das Beladen grenzt heute eher an einen Alptraum. Ausgemergelt und energielos beuge ich mich von Zeit zu Zeit über einen Sattel und stütze mich schwer schnaufend ab. Heute ist Tanja mit dem Zusammenbinden der Kamelbeine, deren Endhoppeln, den Nackenseilverbindungen und den Kamelglocken schneller als ich und hilft mir beim Laden der restlichen Ausrüstung. Trotzdem brechen wir wie gewohnt um 7 Uhr 15 auf. Wir folgen der Kompassnadel des Satellitennavigationscomputers und kommen recht gut voran. „Ich bin wirklich froh, dass es heute Nacht nicht auch noch geregnet hat,“ breche ich das Schweigen. „Ich auch. Wie geht es dir jetzt?“ „Ach, ich bin hundemüde aber irgendwie geht es immer weiter,“ antworte ich und blicke in den Himmel dessen tieffliegende Wolken wie die nächtlichen Gewitter nach Südosten abziehen und ihre Wassermassen irgendwo in der endlosen Wüste abladen. Schon nach einer Stunde erreichen wir einen weiteren, noch größeren Wüstensee der uns den Weg nach Osten versperrt. „Camis udu!“ ,befehle ich den Tieren. „Das ist ein gewaltiges Hindernis,“ sage ich respektvoll, gebe Tanja die Führungsleine von Sebastian und suche mit dem Fernglas nach einer geeigneten Route, um ihn gefahrlos umgehen zu können. „Er streckt sich ewig weit nach Süden und wird dort von einem niedrigen Bergzug begrenzt. Ich glaube wir sollten ihn wieder auf seiner Nordseite umgehen. Die Sanddüne dort drüben sieht vielversprechend aus,“ schlage ich vor, packe das Fernglas weg und nehme die Führungsleine. Tanja läuft jetzt als Scout voraus, um den tückischen, feuchten Untergrund auf Trittfestigkeit zu prüfen. Es ist heiß. Die Wolken haben sich in der Endlosigkeit verloren und die Sonne lässt den Untergrund dampfen. Vögel leben hier wie im Paradies und jagen nach dem Überangebot an in Insekten. Wir folgen nun Kamelspuren deren Abdrücke uns verraten, dass der Wüstenboden auch für unsere Karawane begehbar ist. An manchen Stellen rutschen unsere Jungs aus, worauf Tanja wieder hinter den Kamelen läuft, um mich warnen zu können. „Etwas langsamer. Ja, gut so. Max und Jasper haben Schwierigkeiten um den Baum zu kommen. Stop!“ ,krächzt es aus dem Lautsprecher meines Walkie Talkies welches an meinem Gürtel hängt. Auf diese Weise meistern wir den riskanten, unbefestigten Weg bis zur Düne. Wieder geht es steil bergauf, um dann auf ihrem Rücken durch das Wasser getragen zu werden. Da ich wenig geschlafen habe und es heute noch heißer als gestern ist merke ich wie mir die Kräfte schwinden. Ich muss mich höllisch konzentrieren und trotzdem knackst mir mein mehrfach operiertes Knie verkehrt herum durch. Ich verspüre stechende Schmerzen und mir ist bewusst im Falle eines weiteren Kreuzbandrisses mich in einer äußerst prekären Situation zu befinden. Noch achtsamer als vorher versuche die Kraftlosigkeit durch Aufmerksamkeit auszugleichen. „Komm Sebastian, ganz langsam. Ja hier runter, das machst du gut so. Nicht so schnell Mann. Okay, ja so ist es richtig,“ spreche ich mit unserem jetzt jammernden Leitkamel. Auf der nördlichen Seite, also zu unserer Linken, entdecken wir plötzlich eigenartige Felsgebilde die sich vom Rest der Landschaft abheben. „Hast du das da vorne gesehen?“ ,fragt mich Tanja. „Ja, sieht interessant aus.“ „Ob das einer der heiligen Plätze der Aborigines war?“ „Ich bin mir sicher das solche ungewöhnlichen Naturerscheinungen immer eine Rolle in ihrer Traumwelt, den Traumpfaden, der Traumzeit und den Traumgeschichten gespielt haben,“ antworte ich und fühle mich von dem bizarren Ort regelrecht angezogen. Obwohl uns die Sonne grausam aufs Haupt brennt und wir erschöpft sind verlassen wir die Düne, um diesen wunderlichen Steinen einen Besuch abzustatten. „Vielleicht entdecken wir ja ein paar Felsmalereien?“ sage ich hoffnungsvoll. Nur wenige Meter neben den eierförmigen Riesenfelsen stoppe ich die Karawane und bitte Tanja die Führungsleine zu übernehmen. Dann laufe ich voller Neugierde um die wunderschön geformten und unwirklich aussehenden Steine. Ich kann keinen einzigen Handabdruck oder sonst etwas auf den verwitterten Felsen entdecken, bin mir aber absolut sicher, dass diese Gebilde von großer Bedeutung für die Aborigines waren und vielleicht noch sind. Die Traumpfade oder Songlines führen in alle Himmelsrichtungen durch den gesamten Kontinent und die mythischen Geschichten, die von Generation zu Generation weitergegeben werden, sind der Leitfaden für die nomadischen Wanderungen. Ich bin also überzeugt, dass dieses außergewöhnliche Urgestein zu einer Traumgeschichte gehört und auf den ewigen Wanderungen eine Art Wegweiser darstellte. „Vielleicht haben wir ja die Chance die dazugehörige Geschichte zu hören?“ ,sage ich zu Tanja als wir den anziehenden Ort wieder verlassen.
Werden wir zu tote gekocht?
Wir überqueren nun wieder die Düne, laufen durch flaches moorähnliches Land und stoßen wieder auf den kaum erkennbaren, ausgewaschenen Track den wir vor dem See verlassen hatten. „Wir haben wieder ein großes Hindernis überwunden,“ sage ich gut gelaunt und reiche Tanja meine Hand. „Haben wir gut gemacht,“ meint sie und schlägt siegessicher ein. „Ja und ich hoffe wir können jetzt endlich ohne weitere Erschwernisse unseren Marsch fortsetzen,“ füge ich noch hinzu und schreite zuversichtlich und mit der Energie des Erfolges geladen voran. „Oh nein! Das da vorne ist doch keine Spiegelung?“ ,rufe ich wenig später entsetzt aus. „Sieht aus wie Wasser.“ „Es ist Wasser,“ sage ich nur Minuten danach als wir uns der Talsenke nähern. Die gerade noch vorhandene Energie bricht wie ein Kartenhaus zusammen. Wieder suche ich mit dem Fernglas die Gegend nach eine Passiermöglichkeit ab und wieder entscheide ich mich den See an seiner Nordseite über einen Dünenrücken zu umgehen. Als wir auf dem Dünengrat angekommen sind bemerken wir das auch die Nordseite von einem weiteren See begrenzt ist. Wie auf einer Brücke bewegen wir uns auf dem Sandbuckel bis ich plötzlich das Gefühl habe er könnte bald im Wasser enden und somit eine Sackgasse für uns bilden. „Ich weiß nicht Tanja aber ich glaube es ist besser ich laufe ein paar hundert Meter voraus.“ „Warum?“ „Ich werde das Gefühl nicht los das diese Düne bald in einem See versinkt,“ antworte ich und lasse die Karawane stoppen. Während Tanja nun bei den Kamelen bleibt und auf mich wartet gehe ich weiter, um zu prüfen ob sich meine Vermutung bestätigt. Nur fünf Minuten später wird die Düne tatsächlich niedriger und verneigt sich vor einer ausladenden, ja monströsen Wasserfläche. Fast erschrocken vor dem ungeheuren Anblick mache ich auf dem Absatz kehrt. „Wir müssen umkehren,“ sage ich entkräftet, übernehme Sebastian und folge dem dicht bewachsenen Sandberg in entgegengesetzter Richtung. Nach einiger Zeit ist auf der Nordseite kein Wasser mehr zu entdecken. Auch habe ich in dieser Richtung eine weitere, vielversprechende und hohe Düne gesichtet auf der wir unser Glück versuchen wollen. Die Sonne ist mittlerweile so unerträglich heiß, dass wir uns wie Verdurstende voranschleppen. Ich stolpere unentwegt und nicht selten über meine eigenen Füße. Die Konzentration ist völlig hinüber und ich denke nur noch daran mich irgendwo in den Schatten setzen zu können. Wir kämpfen uns den steilen Sandberg hoch und folgen seinem Höcker. Wir besitzen kaum noch Augen für den erhabenen Blick und das im Wasser untergegangene Land. Was für eine Naturgewalt der Extraklasse muss das gewesen sein die solch eine Wüste im Wasser versinken lassen konnte. Die dafür gesorgt hat, dass einige dieser riesigen Seen wahrscheinlich über Jahre nicht mehr austrocknen. Kopfschüttelnd quäle ich mich weiter. Schritt für Schritt stapfe ich voran und ziehe Sebastian hinter mir her. Er hat schon lange aufgegeben kraftvoll voran zu eilen. Immer wieder möchte er sich einfach absetzen, doch im Augenblick ist an einem Rastplatz nicht zu denken. Viel zu schmal ist der Grat, um hier ein Lager aufschlagen zu können. Links und rechts nagen die ausladenden Wassermassen an der Düne und leicht könnte hier einer unsere Jungs in der Nacht den Abhang herunterfallen und im See landen. „Bitte lass diese Düne nicht wieder im Morast und Sumpf enden,“ bete ich leise und atme die heiße Luft in meine gepeinigte Lunge. Auf einmal und ohne jegliche Vorwarnung befinden wir uns in einem echten Grenzfall. Ein Grenzfall der weit über unsere physischen Kräfte geht. Unsere Muskeln brennen und schreien nach Pause. Tanja stolpert ebenfalls neben der Karawane her. Ihre Schritte haben den Elan, die Zuversicht den Willen verloren und trotzdem hält sie eisern durch. Für mich ist es absolut unverständlich wie so ein zartes Wesen wie sie solche Bärenkräfte aufbringen kann. Wie schafft sie es nur sich zu solch einer utopischen Höchstleistung zu puschen? Ich sehe sie in diesem Augenblick als mein Vorbild, mobilisiere das letzte Quäntchen an Kraft und schlurfe weiter. Jetzt, jetzt muss es geschehen bis einer von uns beiden einfach umfällt und hier auf dem brütend heißen Sand zu tote gekocht wird, geht es mir durch den Kopf. Nein, das wird nicht geschehen. Wir werden auch diesen Moment der härtesten Herausforderung überstehen. Es wird der Augenblick des Ausruhens kommen. Nur noch ein paar hundert Meter und wir finden einen geeigneten Ort, um diesen Marathon des Durchhaltens die verdiente Ruhe geben zu können. Meine Augen brennen. Der Schweiß rinnt in Strömen hinein. Ich sehe nur noch verschwommen. Fliegen, ja Dutzende von lästigen Fliegen verirren sich immer häufiger unter unseren Sonnenbrillen ohne die wir die schrecklichen Reflektionen nicht ertragen könnten. Ich vernehme das laute Hecheln von Rufus, der tapfer auf Hardie reitet. Wie viel Hitze kann er mit seinem dunklen Fell vertragen? Werden wir ihn durchbringen? Mittlerweile müssen wir auch für ihn des öfteren anhalten, um ihm speziell kühl gehaltenes Wasser aus einer Satteltasche anbieten. Ich höre mein Herz schlagen, das kochende Blut pulsieren und plötzlich spüre ich kaum noch die einzelnen Schmerzen. Alles scheint sich in diesem Moment zu vereinen. Der blaue Himmel. Die dunklen, bedrohlichen Gewitterwolken. Der rote, heiße Sand. Die brühwarmen, sumpfigen Seen die für eine unbeschreiblich hohe Luftfeuchtigkeit sorgen. Die Sonne, die mit allen Mitteln versucht unser Gehirnwasser zum kochen zu bringen. Mein Körper der unaufhörlich ruft und ruft und ruft bis es in mir schreit. Bis ich glaube es in mir explodieren zu hören, doch es geschieht nichts. Ich hebe meinen Kopf. Meine Augen zucken vor den grellen Sonnenstrahlen zurück und ich richte sie wieder auf den Boden. Was treibt mich dazu meinen Geist, meinen Körper und alles was ich bin in solch eine Situation zu bringen? Doch kaum geht mir diese Frage durchs Gehirn verflüchtigt sich die Gedankenwelt wieder in der Endlosigkeit, vereint sich augenblicklich wieder mit dem Ganzen, mit der Welt die sich um mich bewegt und in der ich mich bewege. „Ich muss einen Schluck trinken,“ bringe ich mit großer Anstrengung hervor und stoppe die Karawane. Tanja und ich hängen an unseren Trinkschläuchen und schlürfen das heiße, bittere Seewasser in unsere zitternden Körper. Sofort öffnen sich die Poren wie Schleusen und der Leib nutzt die notwendige Flüssigkeit um sich auf seine Betriebstemperaturen abzukühlen. Wenige Atemzüge später laufen wir weiter. Die Kamele beginnen zu murren. Sie blöken und zeigen uns mit diesen Lauten genug zuhaben. „Ööööääähhh! Ööööääähhh! Ööööääähhh,“ klingt jetzt der Jammerlaut von Sebastian an meine Ohren und spielt somit auf den angeknacksten Seiden meiner Nerven. Ich habe die Empfindung mich schon seit Stunden in diesem Zustand der Überanstrengung zu befinden. Zeit ist unter solchen Umständen unwichtig geworden und scheint nicht mehr zu existieren. Das Einzige was jetzt noch zählt ist Schatten und Ruhe. Plötzlich wird mir klar warum viele Entdecker des Outback vor uns nie mehr zurück gekommen sind. Warum sie verschollen sind. Warum sie gestorben sind. Ohne Zweifel benötigt es jetzt nur den kleinsten Zwischenfall und wir hätten nicht die geringste Kraft, um uns da wieder herauszuholen. Haben wir es zu weit getrieben? Es ist äußerst gefährlich eine Expedition in solch einen Grenzfall zu steuern und sollte nie geschehen. Doch wie will man so etwas lenken? Das Schicksal schlägt immer dann zu wenn man nicht im geringsten damit rechnet. Konnte ja keiner wissen das diese Düne in einer Sackgasse endet und dieser Dünengrat zu schmal für eine Rast ist. Umkehren? Sollen wir umkehren? Blödsinn, nur noch wenige Meter und wir werden einen wunderbaren Campspot erreichen. „Ich muss etwas trinken,“ unterbricht mich Tanjas Stimme die wie aus weiter Ferne an meine Ohren dringt. „Okay,“ antworte ich und halte an. „Wir müssen dringend diesen Tag beenden und einen Rastplatz finden,“ stöhne ich. „Ja,“ antwortet Tanja leise und weiter geht es durch Sandmulden, um Bäume, über Äste und durch Buschwerk. Schritt für Schritt bewegen wir uns über den heißen Sand bis ich vor uns eine ca. zehn Meter breite Stelle zwischen den abfallenden Dünenhängen ausmache. „Dort, dort vorne hat diese Schinderei ein Ende,“ rufe ich kraftlos.
Das härteste Entladen der bisherigen Expedition
Kaum sind wir an dem verheißungsvollen Ort angekommen blicke ich kurz um mich, um zu prüfen ob es genügend sichere Anbindmöglichkeiten und Fressplätze für unsere Kamele gibt. „Schau dir das an, sie können in dem heißen Sand nicht mehr ruhig stehen,“ sagt Tanja. Tatsächlich heben die Wüstentiere im Wechsel das eine oder andere Bein. „Ich hoffe sie können auf dieser Kochfläche sitzen,“ meine ich und lasse den aufbrüllenden Sebastian absetzen. Tatsächlich scheint er lieber zu sitzen als zu stehen, denn er verhält sich ganz ruhig. Während Tanja sich in den unmenschlich heißen Sand abkniet, um seine Vorderbeine zusammenzubinden husche ich mit letzter Kraft den Rest der Crew nieder. Am Ende meiner Leistungsfähigkeit taumle ich angeschlagen in den seltenen Halbschatten eines Eukalyptusbaumes und verharre dort für einige Minuten. Wie soll ich es jetzt fertig bringen die 1200 Kilogramm schwere Ladung vom Rücken der armen Tiere zu bekommen? Fast flehend wimmert es in mir mich auszuruhen, doch ich muss weitermachen. Torkelnd wanke ich wieder in die Sonne und beginne die Riemenverspannungen an Sebastians Sattel zu öffnen, um den Computer und das Satellitentelefon aus den Verankerungen zu hieven. „Ich kann mich kaum abknien. Der Sand ist zu heiß,“ höre ich Tanja die gerade versucht Hardie zu hoppeln. Ich lege das Thermometer unachtsam in den Sand. Wenig später räume ich es auf die Seite, um nicht aus Versehen darauf zu treten. „Habe ich richtig gesehen?“ ,frage ich mich selbst und sehe noch mal hin. Ich kann es nicht glauben aber die Quecksilbersäule ist auf 68 Grad geklettert. Die Metallschließen der Satteltaschen sind so heiß, das man sich daran die Finger verbrennt. Ich öffne sie und versuche die schweren Säcke herauszuzerren, doch meine Kraft reicht nicht mehr aus. Als wir dann gemeinsam die schweren Sättel von den Kamelen wuchten sagt Tanja: „Ich kann nicht mehr Denis. Ich bin völlig fertig. Mir ist schwindelig. Ich glaube ich muss mich übergeben.“ Erschrocken sehe ich sie an. „Willst du dich in den Schatten setzen?“ „Nein, ich lade mit dir die Sättel ab und dann muss ich mich dringend hinter einem Busch verziehen.“ „Okay,“ antworte ich und wir heben dann mit vereinten Kräften Sebastians Sattel ab. Dann lassen wir unsere schweren Arbeiter laufen damit sie sich an den Büschen auf der Düne den Bauch voll schlagen können und hoffen, dass sie nicht den Dünenhang hinunterstolpern und im See landen. Als ich dann auf die Uhr sehe bemerke ich, dass wir die doppelte Zeit fürs Entladen benötigten. Mir ist unverständlich wie wir es geschafft haben aber irgendwie konnten wir unsere Energien noch mal mobilisieren. Während ich wie in Trance die Essensäcke zum Schutz vor den Sonnenstrahlen unter die Satteltaschen schleife, verschwindet Tanja hinter einigen Büschen. Dann baue ich unsere Klappstühle im Halbschatten auf als Tanja wieder kommt. „Und, wie geht es dir?“ ,frage ich besorgt. „Es geht wieder,“ antwortet sie mit zerbrechlicher Stimme. „Setz dich erst mal und trink etwas. Die Kamele werden jetzt schon keinen Unfug anstellen,“ meine ich und stelle einen Stuhl vor ihr hin. Schwankend lassen wir uns jetzt in den ersehnten Schatten nieder und trinken, trinken, trinken bis wir glauben platzen zu müssen. Dann entdecken wir Jafar und Jasper am Dünenhang, was Tanja dazu veranlasst sofort aufzuspringen, um ihnen nachzugehen.
Frieden und Zuneigung
Später als die Kamele an ihren Schlafbäumen verschnürt sind kommt langsam unsere Energie zurück. Wir genießen den jetzt friedlichen, rotglühenden Sonnenball der seine unermessliche Hitze in den endlosen Wassern abzukühlen scheint. Nichts Grelles haben die abendlichen Reflektionen mehr. Nichts mehr Bedrohliches liegt in den jetzt sanften Spiegelungen in einem geisterhaft wirkenden See. Frösche beginnen zu quaken. Libellen fliegen in ihrer grotesken Art durch den Abendhimmel und jagen nach den jetzt mehr und mehr werdenden Moskitos. Papageien krächzen, Wellensittiche schimpfen und andere Vögel deren Namen wir nicht kennen bereichern die Dämmerung mit ihrem Gesang. Nichts mehr ist von der lebensfeindlichen Hitze zu spüren. Nichts mehr ähnelt den vor wenigen Stunden noch unmenschlichen Bedingungen. Plötzlich zeigt sich Mutter Natur wieder versöhnlich und streichelt uns mit ihrer unermesslichen Schönheit. Sie wölbt ihr seidenes Tuch über uns, reicht uns mit riesigen Händen ihre Barmherzigkeit und beschenkt uns mit ihrer Gnade. Ein Lächeln geht über das ferne Land und Sanftmut zieht sich über die Hölle die hier eben noch geherrscht hat. Das Surren der Insekten, das Zwitschern der Vögel und Quaken der Frösche übernehmen die Herrschaft. Engelsgüte und Warmherzigkeit strahlen die letzten Sonnenstrahlen aus. Ferne Tafelberge leuchten im rotwarmen Licht. Ich stehe auf dem Dünenrücken und spüre die Milde in mir. Ich spüre die Zuneigung zu diesem erbarmungslosen Land. Ich fühle Demut aufkommen und Respekt vor einer Natur die uns vieles zeigt was in ihr steckt. Frieden und Zuneigung breiten sich in meinem Herzen aus und ich atme die feuchtwarme Luft der Ewigkeit. Ich atme die Abendluft der wirklichen Freiheit, einer Freiheit die mit Geld nicht zu erkaufen ist und mehr wert ist als alle Schätze der Welt. Ein Adler zieht seine weiten Kreise über dem Wüstensee. Das letzte Licht der gerade noch mächtigen Sonne glimmert zwischen den sich zusammenziehenden Gewitterwolken. Die Schatten der im See versunkenen Bäume hauchen ihr Leben aus. Im zarten Gold versinken die schillernden Strahlen in dem dunkler werdenden Wassern, flimmern noch einmal auf bis sie nur noch glühende Wolken hinterlassen. Trotz meiner bleiernen Müdigkeit genieße ich die Herrlichkeit, die Schwermut und die Leichtigkeit des Seins die dieses Leben in sich vereint. Obwohl wir einen harten Tag hatten bin ich Dankbar. Bin ich dankbar ihn ohne Schaden und Verlust überlebt zu haben und daraus weitere Erfahrungen ziehen durfte. Ich atme tief durch und beobachte meine geliebte Tanja die am Seeufer kniet, um zwei weitere Wassersäcke aufzufüllen. Rufus bellt wieder vergnügt und springt aufgeregt durch die jetzt kühlenden Fluten