Bin ich ein glücklicher Mensch?
N 23°08’08.8’’ E 128°49’35.7’’Tag: 140-142 Etappe Zwei
Sonnenaufgang:
04:37
Sonnenuntergang:
17:39
Temperatur - Tag (Maximum):
35 Grad
Breitengrad:
23°08’08.8’’
Längengrad:
128°49’35.7’’
Bergzug-Camp — 02.11.2001 – 04.11.2001
Die nächtlichen Temperaturen sind zum Haare raufen. Als es dann auch noch zu regnen beginnt und ich um 23 Uhr die Außenhaut über unser Zelt ziehen muss habe ich wieder einmal von allem zu viel. Gerädert und mit geschwollenen Augen stehe ich um sieben Uhr auf. Eine dichte Wolkendecke hat sich über das Land gelegt aber der Regen hat aufgehört. Tanja ist beim Kamelehüten während ich mir todmüde mein Müsli einverleibe. Wie gelähmt sitze ich in meinem Stuhl und bin froh in den letzten vier Tagen 105 Kilometer um das Seegebiet bewältigt zu haben. Ich unterhalte mich mit Jo und Tom übers Funkgerät und teile den beiden unseren Erfolg mit. „Ja so wie es aussieht haben wir es um die Seen geschafft. Wir haben Mike Harper getroffen. Er hat uns mit dem Hubschrauber besucht und uns unter anderem mitgeteilt, dass wir mit keinen weiteren großen Überschwemmungen mehr zu rechnen haben.“ „Gratuliere Denis,“ sagt Jo mit ihrer immer freundlichen und zuversichtlichen Stimme. „Vielen Dank. Wir sind jetzt auch froh. Es wird noch etwas dauern bis wir wirklich begriffen haben das diese Herausforderung hinter uns liegt. Ich glaube es war eine der Größten auf dieser Etappe,“ sage ich und wundere mich selbst wie schnell der Mensch vergisst, denn kaum gehen mir die Worte über die Lippen denke ich an unseren Freund Goola der gestorben ist, die Kamelbullenangriffe, die Buschfeuer und vieles mehr.
Als Tanja dann vom Hüten zurück ist, sitzen wir da und genießen die plötzlich angenehmen Temperaturen. Das Thermometer zeigt nur 29 Grad. Die Sonne bleibt so wie es aussieht den gesamten Tag hinter den dichten Wolken und ein starker Wind erfrischt uns zusätzlich. Es ist nach der heißen Zeit wie ein Durchatmen, ein Aufatmen und ohne Frage bedeuten die gemäßigten Temperaturen eine Phase der Erholung für uns. Auch Moskitos gibt es hier wegen den großen verbrannten Flächen kaum. Selbst am Abend lassen sie uns in Ruhe und wir sind in der Lage sie zu zählen.
Am nächsten Tag allerdings hat sich ihre Zahl drastisch gesteigert. Wahrscheinlich liegt das an unseren Kamelen. Deren Blut trägt scheinbar dazu bei, dass sie sich rasch vermehren. Trotzdem genieße wir den Aufenthalt hier in diesem Camp. Die Kamele finden genügend Nahrung. Die Wolken bleiben uns treu ohne sich ständig zu entlehren und am Abend klettere ich auf den Bergzug, um den gigantischen Blick über die unendliche Weite des Outback zu genießen. Gerne hätte ich Flügel und würde meine Kreise über diese Weite ziehen. Ich beobachte von meinem erhabenen Platz die Sonnen, die sich wie bald jeden Tag in einem Meer von glühenden Rotfarben verabschiedet und in wenigen Augenblicken ihr lebensspendendes Licht auf die andere Seite der Erdkugel wirft. Ich denke über den Zyklus des Kommen und Gehens nach. Über Tag und Nacht. Positiv und Negativ. Ich denke an die vielen Höhen und Tiefen die wir durchleben. An den Pulsschlag des Herzens und den Pulsschlag meines Seins und frage mich ob ich mit all dem was wir hier ertragen, erfahren und erleben ein glücklicher Mensch bin. Ein Raubvogel schießt im Aufwind nach oben, dreht einen Kreis über meinem Kopf und stürzt sich in das letzte Glimmern der Wolken. „Klar, keine Frage, ich bin mehr als glücklich und zufrieden mit diesem Leben und möchte es mit nichts auf der Welt eintauschen.