Ankunft in Ulan Ude
N 51°49'23.3’’ E 107°34'47.9’’Tag: 14
Russland / Sibirien
Ort:
Ulan Ude
Tageskilometer:
1,493
Gesamtkilometer:
8,055
Breitengrad N:
51°49’23.3’’
Längengrad E:
107°34’47.9’’
(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)
Um 24:00 Uhr verlassen wir den Ort Selenga. „Eine Stunde noch“, sage ich, klettere von meinem Stockbett und beginne die Satteltaschen und Taschen aus den Fächern zu räumen. Draußen ist es schon seit zwei Stunden hell, nicht weil hier ewig die Sonne scheint sondern weil sich das Leben im Zug nach wie vor nach Moskauzeit richtet. Mittlerweile haben wir fünf Zeitzonen durchfahren und es ist in Wirklichkeit nicht Mitternacht sondern 5:00 Uhr am Morgen. Zügig tragen wir schon jetzt die Ausrüstung in den schmalen Bereich vor der Zugtür, damit wir während der Ankunft keinen Stress beim Ausladen haben. „Ich gehe schon mal zum Gepäckabteil und versuche die Räder dort rauszubekommen“, sage ich zu Tanja. Die unfreundliche Assistentin der Zugchefin sperrt mir kommentarlos die Tür auf. Offensichtlich hat sie es bis jetzt noch nicht richtig verdaut, dass ich unsere Räder nicht in einfach in der Mitte auseinandergesägt habe. Nervös hole ich die E-Bikes aus dem Abteil, setze die Vorderräder ein und untersuche sie auf Schäden. Außer dem kaputten Schutzblech und ein paar Kratzen kann ich im Augenblick nichts feststellen. Dann rucken die Waggons und die eiserne Schlange kommt zum Stehen. Ein Fahrgast ist so freundlich und hilft mir beim Ausladen der Anhänger und Fahrräder während Tanja zwei Waggons weiter hinten mit dem hilfsbereiten Schaffner Vladi die gesamte Ausrüstung auf den Bahndamm trägt. Der gesamte Ausladeprozess geht völlig reibungslos vonstatten. Viel einfacher als wir dachten. Kaum stehen die Räder auf dem Bahndamm unterziehe ich sie einer erneuten Untersuchung. Unzählige von Mücken und Moskitos beißen uns augenblicklich zusammen. „Willkommen in Sibirien!“, scheinen sie zu brüllen und sich kräftig zu amüsieren zwei Neuankömmlinge erstmal ordentlich anzuzapfen. Leichter Nieselregen scheint ihre Tatkraft zu fördern. „Alles klar!?“, ruft Tanja, die etwa 50 Meter von mir entfernt neben einem Berg von Taschen steht und diesen mit Ajaci bewacht. „So wie es aussieht ist nicht viel kaputt gegangen!“, antworte ich, packe mein Werkzeug und die Ersatzteile aus, um die gebrochene Schutzblechhalterung zu reparieren. Die Zugchefin kommt noch mal bei mir vorbei und wünscht uns eine gute Reise. Ob sie ein schlechtes Gewissen wegen der anfänglich schlechten Behandlung hat? Könnte sein. Sie verabschiedet sich bei ihrem neuen Freund Ajacerjuuu. Dann rucken die Waggons erneut. Einige der Reisenden und Schaffner winken uns zu. „Хорошая поездка!“, (Gute Reise) rufen sie uns zu als die Transsibirische Eisenbahn in Richtung Wladiwostok am Japanischen Meer verschwindet. Ich unterbreche kurz meine Arbeit und blicke ihr hinterher. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit werden wir in diesem Leben keine Gelegenheit mehr besitzen mit diesem Zug zu fahren. Wegen den anfänglichen Problemen sicherlich kein trauriger Augenblick. Obwohl, wenn man mit normalen Gepäck reist, ist diese Zugfahrt eine höchst interessante und schöne Tour.
Kaum ist der 044 verschwunden, setze ich die Räder in die Anhänger, befestige die Solarpanels wieder darauf, klicke sie an die E-Bikes und fahre zu Tanja, um den Taschen- und Ausrüstungsberg auf ihnen zu verladen. Nach einer knappen Stunde sind wir bereit den Bahnhof zu verlassen. „Schon faszinierend das wir alles auf den Rädern untergebracht haben“, freut sich Tanja. „Was machen wir mit den Handwägelchen?“, frage ich sie. „Keine Ahnung. Vielleicht hat irgend ein armer Schlucker dafür Verwendung.“ „Gute Idee“, antworte ich. Weil Ajaci wegen den Handwäglchen, die jetzt in seinem Anhänger geladen sind, nicht mitfahren kann, befestige ich seine Leine an meinem Hüftgurt. Auf diese Weise schieben wir unsere ungewohnt schweren Böcke aus dem Bahnhof. Die Menschen zu dieser frühen Stunde sehen uns verwundert und neugierig entgegen. Ohne Zweifel hat unser buntes Erscheinen etwas mit Paradiesvögeln zu tun. Wir stellen die Räder an die Mauer des Bahnhofgebäudes und überlegen wo wir die Wägelchen unterbringen können. „Schau mal dort drüben. Vielleicht hebt sie der Restaurantbesitzer für uns einen Tag auf?“, überlegt Tanja. „Fragen kann nicht schaden.“ Es dauert nicht lange und Tanja kommt mit dem Daumen nach oben zurück. „Kein Problem. Wir können sie morgen abholen“, sagt sie. Dann verladen wir Ajaci in seinen Anhänger, gurten ihn an und steige in den Sattel. Vorsichtig holpern wir über den aufgebrochenen Gehsteig. Ajaci quietscht regelrecht vor Vergnügen endlich unterwegs zu sein. Immer wieder fragen wir nach der Gastiniza (Gastiniza ist eine einfache Unterkunft, manchmal aber auch die Bezeichnung für ein richtiges Hotel) Viele der hier lebenden Menschen sehen aus wie Mongolen. Es sind Burjaten, eine mongolische Ethnie von denen heute ca. 500.000 in diesem Teil Sibiriens leben. Sie sprechen neben Burjatisch hauptsächlich Russisch, weswegen wir uns einigermaßen verständigen können. Nach ca. 3,5 Kilometer stehen wir vor unserer Unterkunft namens Menshikov. „Sieht ganz nett aus“, stellt Tanja fest. „Ja, liegt vor allem sehr zentral. Denke da werden wir uns die kommende Woche wohl fühlen“, pflichte ich ihr bei. Wir klingeln und nach einem kurzen elektronischen Ton öffnet sich die Tür. Eine freundliche Russin hat bereits auf uns gewartet weil Tanja diese Unterkunft schon von Deutschland aus über eine Internet-Plattform reservierte. „Schon irre was man mit der heutigen Technik alles machen kann“, sage ich weil wir zum ersten Mal während unserer Reisen diesen Luxus genießen. Wir dürfen unsere Räder in den Empfangsraum stellen. Dann zeigt uns die Dame unser Zimmer welches sich direkt unter dem Dach befindet. Da es nur Dachfenster, welche mit einer Stange zu öffnen sind, keine weiteren Fenster gibt, können wir nicht nach draußen sehen. „Verdammt stickig hier drin“, stelle ich fest. „Wird schon gehen“, meint Tanja. „Na ich weiß nicht, wenn es jetzt um 8:00 Uhr am Morgen schon so heiß ist glaube ich dass sich dieser kleine Raum schnell zu einer Sauna entwickelt“, entgegne ich. Nachdem die Räder in der kühlen Lobby unten verstaut und abgesperrt sind und wir die gesamte Ausrüstung ins Zimmer getragen haben erkunden wir erstmal die nähere Umgebung. Wir wollen wissen wo wir die kommenden Tage verbringen, wo wir uns von den Strapazen der Anreise erholen, uns akklimatisieren, und die erlebten Storys schreiben werden, bevor wir in Richtung Mongolei aufbrechen und unsere große E-Bike-Reise beginnen.
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