Skip to content
Abbrechen
image description
Russland/Baikalsk Link zum Tagebuch TRANS-OST-EXPEDITION - Etappe 4

Alte Bücher

N 51°31'20.3'' E 104°09'01.4''
image description

    Tag: 71-72

    Sonnenaufgang:
    07:03 Uhr

    Sonnenuntergang:
    21:08 Uhr

    Gesamtkilometer:
    13304.85 Km

    Temperatur – Tag (Maximum):
    20 °C

    Temperatur – Tag (Minimum):
    16 °C

    Temperatur – Nacht:
    4 °C

    Breitengrad:
    51°31’20.3“

    Längengrad:
    104°09’01.4“

Tanja

In Irkutsk hatte ich versucht, ein paar Kleinigkeiten wie z.B. Magnetbilder für den Kühlschrank, einheimische Musik, ein gelesenes Buch, Steine vom Baikal und Anderes nach Deutschland zu senden. Die Tonträger und die Magnetbilder könne ich nicht verschicken, war die Antwort. Da ich in Russland immer wieder auf solche Hindernisse stoße, nehme ich mir vor, die Dinge bei der nächsten Gelegenheit in der nächsten Ortschaft zu versenden. Somit bietet sich Baikalsk gerade optimal für dieses Projekt an. An der Post angekommen zeigt sich mir die gewohnte Situation. Eine schlanke junge Frau blickt mich mit geweiteten Augen an als ich zum Ausdruck bringe, ein Packet nach Deutschland versenden zu wollen. Ein großes, dickes und altes Buch wird aus einer Schublade, meist aus einem knorrigen alten Schrank, geholt. Dann folgt für mich eine Zeit des Wartens. Nachdem die Frau länger in dem betagten Buch gelesen hat, beginnt sie in meiner Tüte zu wühlen, um einen genauen Einblick zu bekommen, was ich da wohl alles habe. Für heute würde ich die Magnetbilder durch bekommen, doch das deutschsprachige Buch müsse ich gesondert verschicken und die Steine darf ich gar nicht versenden. Auch die Musik CD´s dürfen nicht ungeprüft das Land verlassen. Die Quittungen und Kopien von Rechnungen gelten als Dokumente und unterliegen auch einer gesonderten Regel… Die verschiedenen Varianten wären zeitaufwendig und relativ teuer, gemessen daran, dass ich auch schon völlig entspannt ein gemischtes Packet für umgerechnet knapp 7,- Euro versenden konnte. Für heute fehlen mir einfach die Nerven das hier durchzuziehen, denke ich mir, als ich von einer deutschen Frau angesprochen werde. Gerne hilft sie mir beim Übersetzen und falls mir die Steine so wichtig sind, nimmt sie diese für mich mit dem Flugzeug mit nach Deutschland. Wie es kommt, dass sie so gut Russisch spricht, ist meine nächste Frage. Eher umgekehrt, meint Anastassiya lächelnd, sie sei mit 19 Jahren nach Deutschland ausgewandert und ursprünglich Kasachin. Nachdem Anastassiya ihre Registrierung abgegeben hat, laufen wir plaudernd aus der Post. Sie stellt mir ihre Mutter, ihren Bruder und ihren dreijährigen Sohn vor. “Ich bin für zwei Wochen hier, um meine Eltern zu besuchen und ihnen meinen kleinen Sohn zu zeigen. Mein Mann muss leider arbeiten und ist daher in Deutschland geblieben.” Da wir uns so angeregt unterhalten und gegenseitig so viel Interesse am Leben der anderen zeigen, lädt mich Anastassiya’s Mutter ein mit zu ihnen nach Hause zum Tee trinken zu kommen.

Nur eine Straße weiter befindet sich die Wohnung der Eltern und in kürzester Zeit befinde ich mich im Wohnzimmer der Familie, lerne den Vater Nicolai kennen und sitze vor einem reich gedeckten Tisch. Vor mir eine Tasse Tee, Kuchen, Plätzchen und Schokolade. Frische Beeren und Bonbons. An den Wänden hängen Jagdtrophäen und meine erste Frage an den Jäger Nicolai ist, ob er in den Wäldern Sibiriens auch schon einen Bären gesehen hat. ”Nicht nur gesehen, sondern auch erlegt”, berichtet er stolz mir ein Foto von sich und einem Bären auf seinem Handy zeigend. Anastassyia übersetzt und berichtet von der Liebe ihres Vaters zur Jagd und den wunderschönen, unendlichen Wäldern Sibiriens. “Wir haben auch schon fünf Jahre in der Mongolei gelebt. Da hat es meinem Vater von der Landschaft her nicht so gut gefallen. Seinen großen Traum hat er verwirklicht, als er mit meiner Mutter hier her nach Sibirien gezogen ist.” Natürlich bin ich noch voller Fragen was den erlegten Bären angeht. “Darf man hier einfach so einen Bären erschießen?” “Nein, nein, man braucht eine Abschussgenehmigung. Die kostet 5.000,- Rubel. (113,- Euro) Zu einer bestimmten Zeit hat man dann die Erlaubnis einen Bären zu erlegen”, antwortet Anastassiya. “Und wenn man keinen trifft?” “Dann ist das Geld weg.” “Ist dein Vater auf sein Geld gekommen?” “Darum geht es meinem Vater nicht. Das spielt für ihn keine Rolle. Es ist seine Leidenschaft, seine Begeisterung. Er hat sich die Lizenz mit ein paar Freunden geteilt. Das Fleisch wird gegessen und verkauft.” “Wo ist der Kopf?”, möchte ich wissen. ”Der gehört einem anderen Mann aus der Gruppe”. Anastassiya berichtet weiter, dass das teuerste an dem Bären die Milz sei. “Die wird nach China verkauft und zu Medizin verarbeitet”. Nicolai deutet zu einem Berg. ”24 Stunden in diese Richtung gelaufen, kannst du von einer Anhöhe aus auf eine Wiese blicken und es sind überall Bären.” Wir unterhalten uns darüber wie es Anastassiya in Deutschland gefällt und stelle ihr ebenfalls viele Fragen. Ihre Einstellung und Gedankengut begeistert mich und ich bin fasziniert von der klugen und sympathischen Frau. Ich könnte mich noch Stunden unterhalten, doch möchte ich nicht unhöflich sein und verabschiede mich irgendwann. Anastassiya geht mit mir noch nach draußen und wir vereinbaren, dass wir telefonieren, wenn ich wieder in Deutschland bin. Sie will mir die Steine vom Baikal mit der Post schicken. ”Falls ich in Moskau aus irgendeinem Grund die Steine nicht mit nach Hause nehmen darf, bekommst du welche von meinen ab, die ich schon daheim habe”, sagt sie lächelnd. Wir verabschieden uns und ich freue mich, dass es nicht für immer ist.

Wir freuen uns über Kommentare!

This site is registered on wpml.org as a development site.