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Mongolei/Erdenet MONGOLEI EXPEDITION - Die Online-Tagebücher Jahr 2011

Alles dreht sich ums Geld

N 49°01'802'' E 104°01'571''
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    Tag: 21

    Sonnenaufgang:
    05:54 Uhr

    Sonnenuntergang:
    20:23 Uhr

    Gesamtkilometer:
    400

    Temperatur – Tag (Maximum):
    25 °C

    Temperatur – Tag (Minimum):
    17 °C

    Temperatur – Nacht:
    17 °C

    Breitengrad:
    49°01’802“

    Längengrad:
    104°01’571“

    Maximale Höhe:
    1415 m über dem Meer

„Tsaagaan hat mir gestern erzählt mit seinem Gehalt nicht zufrieden zu sein“, offenbart uns Taagii beim Frühstücken. „Was? Das kann doch nicht sein? Wir haben doch im Detail alles mit ihm abgsprochen. Man oh man wie soll ich die Mongolen jemals verstehen?“, fluche ich leise. Tanja und ich besprechen uns wie wir die Situation bewältigen. Es macht keinen Sinn einen Begleiter mitzunehmen der von Anfang an unzufrieden ist. Als Tsaagaan später zum Blockhaus kommt spreche ich ihn auf das Gehalt an. „Was ist eigentlich mit meinem Gehalt?“, fragt unser Übersetzter Taagii dazwischen. „Wir hatten nie über ein Gehalt für dich gesprochen. Du bist doch aus eigenen Stücken mit nach Erdenet gekommen. Hättest du uns auf ein Gehalt angesprochen hätten wir dich nicht mitgenommen. Wir haben Ulzii als Übersetzer, auch wenn er kaum Englisch spricht. Abgesehen davon wirst du doch von Saraa bezahlt. Oh man, wie soll ich euch alle nur verstehen? Wir sind doch keine Bank die man bis zum letzten Heller ausrauben kann. Du hast nun diese gesamte Situation mitbekommen. Du hast mitbekommen, dass wir ständig über den Tisch gezogen werden und nun sollst du die Lage mit Tsaagaan übersetzen und nutzt den Moment, um über dein Gehalt zu verhandeln. Ich habe dir bisher zu Saraas Gehalt 25.000 Tugrik gegeben. Freiwillig für deine gute Arbeit. Das du mehr willst ist legitim. Nur wäre es schön wenn wir davon vorher gewusst hätten“, erkläre ich und bin mir nicht mehr sicher ob all die vielen Erklärungen und Vereinbarungen trotz passabler Übersetzung einen Sinn ergeben. Letztendlich wollen die meisten von den Menschen um uns herum im Augenblick nur eins und das ist Geld. Nach einem kurzen Gespräch mit Tanja sind wir uns einig Taagii das gleiche Gehalt zu zahlen wie Ulzii und Tsaagaan. Er freut sich darüber und übersetzt jetzt weiter.

„Also Tsaagaan. Dann lass uns mal weiter über dein Gehalt sprechen. Wir zahlen dir 200,- US$ pro Monat in Tugrik. Das sind 50 US$ über den Durchschnitt. Dazu bekommst du die Nahrung frei und wir kaufen extra für dich ein Pferd damit du mit uns reiten kannst. Du musst dir also nur einen Sattel und Zaumzeug mitbringen. Du hast uns bestätigt dieses zu haben“, wiederhole ich nun zum dritten Mal unsere Vereinbahrung. „Bist du damit einverstanden?“ „Zu welchem Kurs bekomme ich den Dollar?“, verlassen die trockenen Worte seinen Mund. „1.200,- Tugrik für einen Dollar. So wie der Kurs auf der Bank ist.“ „Ich möchte 1.250,- für einen Dollar“. Tanja und ich sehen uns an und sind uns einig an dieser Stelle nicht weiter zu verhandeln. „Gut, so soll es sein“, antworte ich, worauf sich sein Gesicht wieder erhellt. „Nun, dann sind wir ab sofort wie eine Familie. Alle für einen, einer für alle“, sage ich und schüttle dem Mann erneut die Hand. „Ich würde heute sehr gerne meine Frau begleiten. Sie möchte aufs Land fahren um unsere Verwandten zu besuchen. Kann ich dafür heute frei bekommen?“, fragt Tsaagaan jetzt honigsüß. Da der Pferdewagen fast fertig ist sehen wir da kein Problem“, antwortete Tanja. „Ich hätte aber gerne noch die Anzahlung für die erste Woche. Ohne Geld können wir nicht wegfahren“, bittet er freundlich. Tanja und ich sind uns einig ihm auch diesen Wunsch zu erfüllen. Ich zähle 62,500 Tugrik (36,- €) ab und reiche es dem Mann. Er bedankt sich und verlässt die Hütte. „Wir sehen uns morgen früh um 10:00 Uhr!“, rufe ich ihm nach weil wir ihn morgen für die weiteren Vorbereitungen brauchen. „Ich werde pünktlich sein!“ antwortet er lachend.

„Wir hätten Bilgee mitnehmen sollen. Ich glaube Tsaagaan ist für so einen Trip nicht geeignet“, überlege ich. „So wie es aussieht ist seine Herzmotivation Geld und nicht die Reise“, stimmt Tanja mit ein. „Keine gute Motivation“, meine ich abschließend.

Gegen Mittag sehen wir uns den Fortschritt des Pferdewagenbaus an. Wir sind überrascht, er ist bis auf die alten Räder nahezu fertig. „Ihr wart gestern Nacht noch beim Schweißer?“, frage ich. Sichtlich Stolz nickt der Schreiner. Da mir eine Ahnung kommt frage ich ob der Schweißer extra bezahlt werden muss. „Aber natürlich. Ich bin doch kein Schweißer sondern Schreiner“, antwortet er sofort relativ hart. „Du bist ein Abzocker und Schuhverkäufer und wahrscheinlich kein Schreiner“, flüstere ich für ihn unhörbar. „Was hat der Schweißer verlangt?“, frage ich. „Weil er mein Freund ist nur 20.000 Tugrik“, (11,50 €) meint er.

Nachdem wir die unangenehmen Geldfragen erstmal geklärt haben wollen wir uns aufmachen um von dem Hirten Ulaanaa ein weiters Pferd anzusehen. Naraas Freundin möchte uns an den Stadtrand fahren. Modisch gekleidet kommt sie mit ihrem winzigen Auto und wartet auf uns. „Wir fragen besser was sie für ihre Dienste möchte“, meint Tanja. „Unbedingt“, antworte ich. „Ich bekomme 20 Liter Sprit im Voraus also 35.000 Tugrik (20,-€) und 20.000 Tugrik (11,50 €) als Bezahlung“, sagt sie als wäre es das Normalste der Welt. Mittlerweile haben wir diesbezüglich schon zuviel erlebt um noch überrascht zu sein. Wir lehnen einfach ab und fahren für den normalen Taxipreis von 2.000 Tugrik (1,14 €) zu Ulaanaas Jurte. Ulaanaa empfängt uns freundlich und führt uns sofort zu einer wunderschönen Stute. „Sie hat dieses Jahr kein Fohlen bekommen und ist recht kräftig. Für eure Reise ist sie optimal geeignet“, meint er lächelnd. Ich reite sie Probe und bin überrascht wie umgänglich sie ist. Ulaanaa möchte 500.000 für das Pferd. Bevor wir weiterverhandeln zeigt uns ein Freund von ihm ein weiteres Tier. Auch dieses sieht gesund aus und lässt sich hervorragend reiten. „Wenn wir hier und jetzt beide Pferde kaufen haben wir unsere Crew zusammen“, sage ich leise zu Tanja. Leider will Ulaanaa und sein Freund für beide Tiere 1 Million. (572,- €) Wie auch bei den letzten Verhandlungen halten sie an ihrem Preis fest. Wir steigen wieder in das Auto was uns hergebracht hat und fahren los. „Mein letztes Angebot! 970.000 Tugrik für beide!“, rufe ich. Sie nicken mit den Köpfen, worauf wir den Fahrer veranlassen sein Gefährd zu stoppen. „Bringt die Pferde in zwei Tagen zu unserer Adresse dann bekommt ihr das Geld“, meine ich. Die Männer sind einverstanden und wir sehr froh endlich unsere Reittiere für die Reise zu besitzen. „Jetzt fehlt uns nur noch ein guter Wachhund“, überlege ich laut mit der Situation überaus zufrieden.

Wir befinden uns wieder in Naraas Holzhütte als Taagii plötzlich hereingestürmt kommt und ruft; „Wir haben einen Hund für euch! Wir haben einen Hund für euch!“ Tanja und ich laufen nach draußen. Ein Freund von Naraas Sohn hat einen etwa 14 Monate alten tibetischen Hütehund mitgebracht. Das wunderschöne, kräftige Tier wirft sich sofort auf den Boden und möchte gekrault werden. Alle lachen herzhaft und ausgelassen. Wir streicheln den Hund und verlieben uns von der ersten Sekunde in ihn. „Wir nennen diese Rasse in der Mongolei auch Vierauge“, erklärt Taagii. „Warum Vierauge?“, wundere ich mich. „Na schau dir sein Gesicht an. Über jeden seiner Augen hat er eine hellbraune Zeichnung.“ „Stimmt. Sieht ja klasse aus“, sage ich das freundliche Geschöpf graulend. „Und was soll er kosten?“, ist meine nächste Frage. „100.000 Tugrik“, (57,- €) meint der Besitzer. Wir kaufen ihn für 80.000 Tugrik“, (46,- €) entscheide ich freudig erregt. „Okay“, schlägt der Besitzer sofort lachend und sichtlich erleichtert, ein gutes Geschäft gemacht zu haben, ein. „Es ist ein wertvoller Hund. Am Anfang müsst ihr darauf achten ihn nicht durch Diebstahl zu verlieren“, übersetzt Taagii die Worte des Hundebesitzers der sich mit diesem guten Rat von uns verabschiedet.

„Jetzt haben wir zwei mongolische Begleiter, sechs Pferde, einen Hund und einen Pferdewagen“, sagt Tanja. „Auch wenn es anstrengend war ging das Ganze doch sehr schnell“, antworte ich und bin froh mich ab sofort um die Details der Expeditionsreise kümmern zu können.

Tödlicher Kampf

Als wir nachts auf unseren Matten liegen bellt unser Hund alles an was man anbellen kann. Vor allem den Vollmond. Sein Organ ist so laut, dass die Fensterscheiben regelrecht scheppern und unsere Ohren klingeln. „Oh nein, jetzt haben wir uns so einen Kläffer zugelegt“, stöhnt Tanja. Ich sitze in einem alten Stuhl und versuche die Erlebnisse der vergangenen Tage niederzuschreiben aber bei dem elenden Gebelle ist das unmöglich. Ich gehe nach draußen und versuche unseren Neuankömmling zu beruhigen. Keine Chance. Dann halte ich ihm das Maul zu doch er bringt es trotzdem fertig durch geschlossene Lippen eigenartige Laute von sich zu geben. Entnervt gehe ich wieder rein und schreibe weiter.

Es ist 24:00 Uhr als ich mit hellwachen Sinnen auf der Matte liege. An Schlaf ist bei diesem Wahnsinns Lärm nicht zu denken. Erneut stehe ich auf, packe Vierauge, um ihn am anderen Ende des Gartens wieder festzubinden. Auf dem Weg dorthin folgt uns Naraas Hund. Plötzlich wird er eifersüchtig und fällt unseren Hund an. Ehe ich mich versehe fetzen sich die beiden Tiere derart, dass mir himmelangst wird. Es ist ein Kampf auf Leben und Tod entstanden. Sie verbeißen sich ineinander, jaulen, knurren und kläffen. Entsetzt trete ich dazwischen, darauf achtend bei dieser Raserei nicht gebissen zu werden. Die Hunde ignorieren meine Tritte. Plötzlich hat unser Hund den Gastgeber am Nacken und schüttelt ihn. Ich trete derart zu, dass sich beide Tiere überschlagen. Der Hausherr ist wieder frei und nutzt seinen Vorteil, um erneut anzugreifen. Diesmal schaffe ich es ihm eine zu verpassen. Er wirbelt mindestens zwei Meter durch die Luft. Endlich hat er genug und humpelt davon. Unser Hund blutet aus dem Auge. Erschrocken sehe ich mir die Bissstelle an. Etwa zwei Millimeter unter seinem linken Auge klafft eine Wunde. „Na da hast du aber Glück gehabt. Wer hätte das gedacht was für ein verrückter Kämpfer du bist“, flüstere ich froh darüber nicht schon am ersten Tag einen kläffenden und noch dazu einäugigen Vierauge zu besitzen.

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