Gewitterfronten und Nässe
N 51°08'077'' E 099°46'275''Tag: 334
Sonnenaufgang:
05:05
Sonnenuntergang:
21:40
Luftlinie:
3,50
Tageskilometer:
5
Gesamtkilometer:
1478
Bodenbeschaffenheit:
Gras
Temperatur – Tag (Maximum):
20 °C
Temperatur – Tag (Minimum):
12 °C
Temperatur – Nacht:
7 °C
Breitengrad:
51°08’077“
Längengrad:
099°46’275“
Maximale Höhe:
1730 m über dem Mee
Wieder regnet es seit gestern Abend ohne Unterbrechung. In unserem Zelt ist alles klamm. Müde rapple ich mich auf, um nach den Pferden zu sehen, die wir über Nacht vor unserem Zelt angepflockt haben. „Und? Alles klar?“, fragt Tanja mit schläfriger Stimme. „Alles klar. Sie fressen. Aber der Himmel sieht furchtbar aus. Es rollt eine heftige Gewitterfront nach der anderen über das Land“, sage ich und wie zur Bestätigung grollt tiefer Donner in den nahen Bergen. Schnell schließe ich wieder den Reißverschluss unseres Zeltes und schlüpfe in meinen warmen Schlafsack. „Wenn es weiter so regnet können wir heute nicht aufbrechen“, stelle ich fest. „Vielleicht klart es am Nachmittag auf. Es reicht wenn wir um 14:00 oder 15:00 Uhr loskommen. Es ist ja bis 22:00 Uhr hell. Hauptsache wir sind wieder unterwegs“, antwortet Tanja.
Um 10:00 Uhr essen wir unseren Frischkornbrei. „Ich kann verstehen das die Mongolen dieses Hühneressen furchtbar finden. Mir kommt es auch langsam aus den Ohren. Seit bald einem Jahr löffeln wir das Zeug nahezu jeden Morgen in uns hinein“, sagt Tanja. „Na auf frischen Ziegenmagen habe ich auch nicht gerade Bock“, antworte ich. „Aber auf ein weichgekochtes Ei oder Rührei, frischen Kaffee, Körnerbrot mit Käse, frisches Obst und Jogurt. Das würde mir jetzt richtig schmecken“, schwärmt Tanja. „Hm, oder schönen heißen Toast mit frischer Butter drauf, oder frische Brötchen vom Bäcker um die Ecke, leckeren echten Käse, einen Milchshake und Cappuccino. Oh man, das wäre wirklich köstlich“, sage ich mir die gekochten Körner Löffel für Löffel einverleibend. „Gut den Frischkornbrei mit Mandeln, Sonnenblumenkerne und Walnüssen anreichern zu können. Ansonsten wäre unser Frühstück wirklich trostlos“, fahre ich fort. „Unser Nussvorräte sind in wenigen Tagen zu Ende“, erschreckt mich Tanja. „Das ist wirklich tragisch“, antworte ich zu tiefst erschrocken.
Um 12.00 Uhr lassen wir von Ozgondalai nochmal übersetzen was wir von Khurgaa und Bumbayr auf dem Trip erwarten. „Ihr müsst euch um die Pferde kümmern, Feuer entfachen, Wasser holen, beim Laden helfen und in kritischen Regionen mit uns im Wechsel nachts Wachschichten halten“, zählen wir auf, um unterwegs nicht wieder enttäuscht zu werden. „Kein Problem“, antwortet Khurgaa freundlich lächelnd. „Gut. Wenn der Himmel aufklärt und es zu regnen aufhört geht es heute noch los. Ich denke wir beginnen um 13:30 Uhr mit dem Laden. Um 14:00 sollten wir aufbruchbereit sein“, erkläre ich. „Asuudal bisch“, (Kein Problem) sagt Khurgaa. Dann schwingt er sich auf sein Moped und fährt los. „Wo fährt er denn jetzt hin?“, wundere ich mich. „Er möchte sich in Ringinlhumbe noch ein paar neue Stiefel besorgen“, erklärt seine Schwester. „Seit vorgestern weiß er von unserer gemeinsamen Reise und kurz vor Aufbruch fällt ihm das ein?“, erwidert Tanja, worauf Ozgondalai nur mit den Schultern zuckt und verlegen lächelt.
Kurz nachdem Khurgaa davon gebraust ist klart es tatsächlich auf. Tanja und ich beginnen sofort mit dem Zeltabbau und Zusammenpacken. Um 13:30 Uhr ist nichts von Khurgaa oder Bumbayr zu sehen. Um 14:00 Uhr taucht Bumbayr auf aber noch immer keine Spur von seinem Onkel. „Das Motorrad ist kaputt. Er wird aber bald kommen“, erklärt uns Khurgaas Schwester. Wegen den Erlebnissen und Schwindeleien der letzten 11 Monaten glauben wir kein Wort weshalb die Familie nervös wird und ständig mit dem Handy versuchen Khurgaa zu erreichen. Als Tanja die Pferde zum Beladen holt taucht Khurgaa plötzlich auf. Ein Freund hat ihn mit einem anderen Moped gebracht. Offensichtlich ist sein Bock tatsächlich zusammengebrochen. „Ich konnte ihn nicht mehr starten“, entschuldigt er sich.
Als er an Mogi vorbei läuft und ihm einen Tritt verpassen möchte rufe ich empört auf. „Dein Hund ist schlecht“, sagt Khurgaa gereizt. „Mein Hund ist gut“, antworte ich. „Dein Hund ist schlecht“, erwidert er. „Es ist ein guter Hund“, gebe ich nicht klein bei. „Ein schlechter Hund“, sagt er erneut, worauf ich mir überlege ob ich diesen Mann nicht auf der Stelle entlassen soll. Dann beherrsche ich meine aufkommende Wut. Khurgaa macht sich plötzlich an unserem Gepäck zu schaffen und löst meine mühsam verknoteten Seile. „Was soll das?“, frage ich. „Muu“, (schlecht) sagt er. „Nein, diese Ladetechnik ist perfekt. Sie hält. Wenn wir die Seesäcke der Länge nach auf die Pferderücken schnüren beginnen sie zu rutschen“, erkläre ich. „Muu“, ist seine provokative Antwort. Ohne von mir nur die geringste Notiz zu nehmen öffnet er weiter die bereits verknoteten Seile. Mir reicht es. „Das bleibt so wie es ist“, sage ich mit scharfen Ton nun wirklich im Begriff diesen jungen Mann sofort zu entlassen bevor wir ihn überhaupt angestellt haben. Er sieht mich an, spürt den Ernst der Situation und hört auf die Seile zu öffnen. Für Sekunden stehe ich da und überlege meinen nächsten Schritte. Übereilte Entscheidungen sind meist falsch, geht es mir durch den Kopf. „Wenn du unbedingt meinst deine Ladetechnik funktioniert werden wir ein Pferd nach deinem Wunsch beladen und die anderen zwei wie gehabt. Sollte deine Ladung rutschen machen wir es so wie bisher“, entscheide ich, womit er einverstanden ist. So wie es aussieht ist das Beladen von Pferden eine wichtige Rolle im Leben eines Pferdemannes. Anscheinend hat dies etwas mit der Machoseite eines Mannes zu tun.
Um 17:30 Uhr verlassen wir die Hütte unserer Gastgeber. Khurgaa erklärt nachzukommen. Er muss noch etwas Dringendes erledigen. Der junge Bumbayr reitet aber mit uns. Es dauert nicht lange und die Baishin verschwindet hinter saftig, grünen Büschen und Bäumen. Nochmal wende ich mich um und blicke auf das weite Tal in dem sich der Ort Ringinlhumbe mit seinem Blockhäusern ausbreitet. Die hohen Bergzüge mit seinen schneebedeckten Gipfeln, die das verschlafene Städtchen im Norden begrenzen, werden nun ebenfalls von Bäumen verdeckt. Im Schritttempo reiten wir in das Hochtal welches sich durch zwei Begrücken der Khoridol-Saridag-Bergkette windet. Regen setzt wieder ein weswegen wir stoppen und unsere wasserdichten Hosen und Jacken anziehen. Bumbayr wird wegen seiner schlechten Kleidung bis auf die Haut durchnässt. Durch die fehlende Sonne und dem starken Wind, der sich durch die Berge drückt, ist es kalt. Der nasse Untergrund schmatzt unter den Hufen unserer Tiere. Es dauert nicht lange und die von Khurgaa verschnürten Seesäcke kippen nach vorne. Aufmerksam beobachte ich das Gepäck, da es bei weiterem Rutschen in Shargas Rücken drückt und ihn eventuell verletzt oder Druckstellen verursacht. Die stark bewaldeten Berghänge links und rechts von uns rücken immer näher und quetschen das einst weite Tal regelrecht zusammen. Rinnsale und Bäche queren den kaum noch auszumachenden Pfad. Der Wald tropft. Das Land wird unaufhörlich von Nässe getränkt. Durch die mehr und mehr nach vorne kippende Ladung beginnt der Packsattel von Sharga regelrecht zu schaukeln. „Sieht übel aus“, meine ich zu Tanja gewandt die für Augenblicke neben mir reitet. „Stopp!“, rufe ich um Bumbayr zu informieren nicht weiterzureiten. Ich steige aus dem Sattel, gebe Tanja das Führungsseil meines Pferdes und versuche die Seesäcke auf Shargas Rücken wieder in Position zu rücken. Allerdings ohne Erfolg. Da Bumbayr nicht genügend Kraft besitzt, um mir zu helfen und wir das Pferd nun komplett neu beladen müssten, entscheide ich es für heute gut sein zu lassen. „Wir schlagen hier unser Camp auf“, sage ich. „Hier?“, fragt Bumbayr ungläubig. „Aber ja. Mit dieser Ladung können wir nicht weiter reiten. Außerdem wird es bald dunkel. Wir nutzen das restliche Tageslicht um unsere Zelte aufzuschlagen.“
Schnell sind unsere Tiere entladen. Wegen dem sumpfigen Untergrund suche ich für geraume Zeit einen geeigneten Platz für unser großes Zelt als auch schon Khurgaa erscheint. Bumbayr erklärt ihm warum wir hschon hier das Lager aufschlagen. Ohne ein Wort zu verlieren hilft uns der junge Mann. Schnell ist ein wärmendes Feuer entfacht. Wegen den nassen Klamotten bibbern unsere beiden Begleiter. Khurgaa entscheidet nochmal zurückzureiten, um trockene Kleidung zu holen. „Eine gute Idee“, sagt Tanja. Er kommt noch vor Sonnenuntergang zurück. Ich sitze im Zelt, um meine Kurzaufzeichnungen in den Laptop zu tippen. Mein GPS verrät mir heute nur knapp fünf Kilometer zurückgelegt zu haben. „Egal. Hauptsache wir haben den Aufbruch geschafft“, sagt Tanja wieder. „Stimmt. Wenn jetzt unsere neuen Begleiter umgänglich und freundlich bleiben wird es eine schöner Trip“, sage ich.
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