Alleine im Frühjahrscamp
N 51°39'155'' E 099°21'977''Tag: 280
Sonnenaufgang:
05:56
Sonnenuntergang:
20:42
Gesamtkilometer:
1361
Bodenbeschaffenheit:
Eis, Schnee
Temperatur – Tag (Maximum):
2°C
Temperatur – Tag (Minimum):
minus 6°C
Temperatur – Nacht:
minus 20°C
Breitengrad:
51°39’155“
Längengrad:
099°21’977“
Maximale Höhe:
1858 m über dem Meer
Der Tag begrüßt uns mit Sonnenschein und noch dazu ohne Wind. Es verspricht ein schöner Tag zu werden. Erst jetzt bemerke ich welch einen schönen Ort sich die Tuwa für ihr Frühjahrscamp ausgesucht haben. Wir befinden uns in einem etwa 10 Kilometer langen und 500 Meter breiten Hochtal. Endlich freie Sicht, zumindest wenn man nach Osten blickt. Dort wird das Tal von einem massiven Gebirge begrenzt, welches seine zackigen Felsen in den nur leicht bewölkten Himmel streckt. Im Westen erheben sich mehrere Schnee bedeckte runde Bergkuppen, im Süden und Norden wird unser Tal von bewaldeten Höhenzügen eingefasst. Die Aktivität der Talbewohner ist beachtlich. Es wuselt hin und her. Manche gehen mit ihrer Motorsäge in die Wälder, um Feuerholz zu sägen, andere treiben die Rentiere in die Berge damit sie Flechten fressen. Frauen holen Wasser aus dem Bach der durch die Senke mäandert. Etwa 70 Meter in westlicher Richtung glaube ich Buyantogtoh zu erkennen die damit beschäftigt ist die Plane ihres Tipis neu aufzuziehen. Vier der Tuwafamilien errichteten ihre Indianerzelte am Fuße des südlich von uns gelegenen Berges. Dort oben scheint der Grund trockener zu sein. Die anderen sechs Tipis sind südwestlich von uns mitten im Feuchttal aufgestellt.
Ich laufe herum und entdecke einige alte, dünne Stämme die sich gut als Boden für unser Vorzelt eignen. Der taut bei mittlerweile 10 °C auf und wird von Stunde zu Stunde matschiger. Da ich die Tuwas von dem alten Holz nehmen sehe hole ich mir ebenfalls ein paar Stangen, um mein Zelt damit trocken zu legen. Zufrieden betrachte ich meine Arbeit als Tsaya angelaufen kommt. „Du kannst unter keinen Umständen das Holz für euer Lager nehmen. Das gibt echten Ärger. Es gehört den Tuwa. Wenn du Holz brauchst musst du mit deinen Pferden in den Wald und dir selbst welches holen.“ „Oh, Entschuldigung. Du hattest doch gesagt ich darf, von Familien die sich dieses Jahr nicht im Frühjahrscamp befinden, Holz nehmen? „Ja, ja. Aber das was du genommen hast gehört uns und Suren“, antwortet sie und baut meine Terrasse wieder ab. „Bilgee ist im Begriff zum Wintercamp zurückzureiten um Tanja, Naraa, das Fohlen und die restliche Ausrüstung zu holen. „Die nächsten vier Tage kann ich leider kein Holz aus dem Wald holen weil sich unsere Motorsäge noch im alten Camp befindet und ich keine Pferde hier habe die es tragen könnten“, antworte ich. „Das ist der Untergrund für meine Küche“, sagt sie meine Antwort ignorierend, die Stämmchen wegtragend. Ach ja. Ich frage Ultsan von wo du dir Holz besorgen kannst. Die restlichen Hölzer hole ich später“, sagt sie im Gehen auf ihr Zelt deutend. Wie vor dem Kopf geschlagen stehe ich einige Augenblicke da. Dann räume ich die Hölzer, die im Vorzelt liegen, ebenfalls heraus, um sie dorthin zurückzutragen woher ich sie genommen habe. Nun wieder im Matsch sitzend überlege ich wie dieser Sumpf trockenzulegen ist.
„Bis in vier Tagen“, sagt Bilgee und verabschiedet sich. Ich sehe ihm und den Pferden hinterher bis das hochgewachsene Gestrüpp sie verschluckt hat. Dann koche ich mir eine Tasse Tee. Wegen der schlaflosen Nacht hundemüde schlurfe ich durch das Gras des Tales und suche nach weggeworfenen und unbrauchbaren Holz. Ich werde fündig und zerre das am Boden festgefrorene Zeug zum Zelt. Mit der Handsäge zersäge ich die teils morschen Hölzer und lege sie wieder ins Vorzelt. Ich benötige Stunden für den Job aber am Ende ist der Laden wieder trocken. Sieht zwar nicht so gut aus wie vorher aber er ist trocken. „Brauche euer Holz nicht“, murmle ich angefressen vor mich hin.
Am späten Nachmittag laufen Ultsan und Tsaya an meinem Zelt vorbei. „Dort drüben ist ein verlassenes Lager. Von dem kannst du Tipistangen und Holz nehmen!“, ruft sie mir zu. „Vielen Dank“, antworte ich. „Ach Denis?“ „Ja?“ „Wenn es dir heute Nacht zu kalt wird kannst du gerne in unserem Tipi schlafen.“ „Super. Ich komme eventuell auf dein Angebot zurück“, sage ich mich bedankend.
Den gesamten Tag bekomme ich keinen Besuch. Keiner interessiert sich für mich. „Ist mir auch Recht. Dann mache ich meinen Kram eben alleine und muss kein Wasser für Kaffee, den ich nicht habe, und Tee kochen“, frotzle ich vor mich hin. Ich finde zwei abgesägte Baumstümpfe und ein Stück Brett woraus ich mir einen Tisch baue den ich vor das Zelt stelle. Ein großer Stein ist die Platte für meinen Benzinkocher und an einen halbzerfallener Sägebock hänge ich einen Wasserbeutel. „Langsam wird es hier gemütlich“, sage ich. Zufrieden setze ich mich in mein Vorzelt, genieße ein paar Kekse und blicke über das wunderschöne Tal. Am liebsten würde ich die Kekstüte leeren aber die Vernunft rät mir den Rest für morgen aufzuheben. Widerwillig lege ich die Tüte auf die Seite und mache mich fertig, um aus dem nahen Bach Wasser holen zu gehen. Vorher allerdings lege ich Steine auf den Schneefang des Zeltes, um das Eindringen von Hunden zu verhindern. Dann schließe ich den Reißverschluss der Tür und gehe los. Auf dem Weg zurück läuft mir Eri entgegen. Sie schleckt sich das Maul. „Na Eri? Hast wohl wieder irgendwelche Scheiße gefressen?“, sage ich. Mit besserer Laune komme ich zurück, hänge den Wassersack in das Gestell und betrete meinen Palast. Sofort entdecke ich die leere Kekstüte und den Saustall den einer der Scheißköder, höchstwahrscheinlich Eri, hier angerichtet hat. „Nein! Das darf doch nicht wahr sein? Ich drehe dir den Kragen um!“ schreie ich außer mir vor Wut, die geballte Faust in den Himmel streckend. Trotz meiner Absicherung hat sie es in meiner Abwesenheit geschafft hier einzudringen und mir völlig schamlos meine Leckerbissen weggefressen. Eilig überprüfe ich unsere Lebensmittelkartons die zum Glück noch unberührt sind. Mir ist klar, dass bei einer längeren Abwesenheit auch diese geleert wären. Sofort verstärke ich den Steinwall um mein Zelt und schwöre mir in Zukunft alle Kekse und Leckerbissen nicht mehr für den nächsten Tag aufzubewahren.
Um 20:00 Uhr ist es noch immer hell da die Sonne zu dieser Jahreszeit erst um 20:42 Uhr untergeht. Ich räume noch ein wenig auf, erhitze mir Wasser für meine Wärmflasche und schlüpfe in meinen Schlafsack. Wieder denke ich an Tanja. „Wie es ihr wohl geht?“, frage ich mich. Ein seltsames Gefühl von ihr getrennt zu sein. Noch dazu da ich weiß, dass sie sich alleine mitten in der Wildnis befindet. Mit dem Gedanken das Bilgee in der Zwischenzeit wieder im Wintercamp sein müsste schlafe ich beruhigt ein.
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