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Mongolei/Tuwa Camp MONGOLEI EXPEDITION - Die Online-Tagebücher Jahr 2011

Aufbruch zum Frühjahrscamp der Tuwa

N 51°39'155'' E 099°21'977''
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    Tag: 279

    Sonnenaufgang:
    05:58

    Sonnenuntergang:
    20:41

    Luftlinie:
    13

    Tageskilometer:
    20

    Gesamtkilometer:
    1361

    Bodenbeschaffenheit:
    Eis, Schnee

    Temperatur – Tag (Maximum):
    2°C

    Temperatur – Tag (Minimum):
    minus 6°C

    Temperatur – Nacht:
    minus 20°C

    Breitengrad:
    51°39’155“

    Längengrad:
    099°21’977“

    Maximale Höhe:
    1858 m über dem Meer

Der heutige Morgen beschwert uns schönes Reisewetter. Da angeblich alle Tuwa aufbrechen und diesen Ort verlassen entschließen wir uns mitzugehen. Tanja wird als einzige zurückbleiben und auf Naraa und Tuya achtgeben. Das heißt, sie zieht ins Bilgeecamp und bleibt dort auch über Nacht. Eigentlich wäre das ein Job für mich da ich meine Frau ungern alleine in der Taiga zurücklasse. Da ich den Umzug fotografisch dokumentieren möchte und sich Tanja das nicht zutraut, entscheiden wir uns für diese Variante. „Mich wird schon kein Bär fressen und Menschen gibt es in dieser Gegend nicht. Also kein Problem“, meint sie mutig.

Nachdem wir unser Lager im Frühjahrscamp errichtet haben wird Bilgee am darauffolgenden Morgen ins Wintercamp zurückreiten. Dort wird er einen Tag die Pferde ausruhen lassen. Dann werden Tanja und Bilgee mit Naraa, dem Fohlen und der restlichen Ausrüstung zu mir aufschließen. Um Tuya nicht zu überlasten plant Bilgee die Strecke in zwei Tagen anstatt einem Tag zu bewältigen.

Um 8:00 Uhr beginne ich erneut mit dem Packen. Diesmal, so hoffe ich, kommt nichts dazwischen. Im Camp herrscht hektisches Treiben. Überall wird gepackt. Sansar und Black Boy decken Gambas Baisin mit einer schwarzen Plastikfolie ab damit es im Sommer nicht hinein regnet. Bilgee kommt pünktlich um 10:00 Uhr. Da ich diesmal keine Zeltnägel aus dem gefrorenen Boden tauen muss bin ich guter Dinge und rechtzeitig fertig, um die Pferde zu beladen. „Wie sieht es aus? Sollen wir mit den Beladen anfangen?“, frage ich Tsaya. „Nein, uns fehlen vier Rentiere. Ultsan ist soeben losgeritten, um sie zu suchen.“ Ich lasse meinen Blick über die wild verstreuten Habseligkeiten unserer Nachbarn gleiten und frage mich wie sie es heute fertigbringen wollen dieses Chaos auf die Rentiere und Pferde zu verladen? Gamba ist im Vergleich wie immer strukturiert und organisiert. Seine Tiere sind bald alle fertig gepackt. Auch Tso, Buyantogtoh, Mama und Galaa stehen in den Startlöchern. Ich laufe durchs Camp in dem wir bald sechs Monate gelebt haben und fotografiere die Tuwa bei ihrer Arbeit. Ovogdorj, Darimaa, Hadaa seine Frau Sainaa und ihr Baby Undraamaa haben das Camp schon vor Tagen verlassen. Verwaist stehen die wie Skelette in den Himmel ragenden Zeltstangen der Tipis im Wald.

Um 15:00 Uhr ist es tatsächlich soweit. Alle scheinen für den großen Umzug, von dem schon so lange gesprochen wird, bereit zu sein. „Pass auf dich auf!“, rufe ich Tanja zu als Bilgee und ich als Erste losreiten. „Du auch!“, antwortet sie winkend. Kaum haben wir den Waldrand erreicht stolpert Bor über einen Baumstamm und stürzt. Seine nur 60 Kilogramm leichte Ladung reicht aus, um ihn wie eine Laus auf dem Boden zu pressen. Sofort springen Bilgee und ich aus dem Sattel um Bor von seiner Last zu befreien. Als er wieder steht heben wir ihm die Taschen erneut auf den Rücken. „Dsügeer dsügeer“ (Ist okay) meint Bilgee als ich frage ob er das schaffen wird. Auf meinem Pferd Sar reitend führe ich bedacht Sharga und Bor über den sich durch den dichten Wald schlängelnden schmalen Pfad. „Chchcht, chchcht, chchcht“, schaben die Packtaschen an den noch immer kahlen Lärchenbäumen vorbei. Die Bergkuppe auf der das Wintercamp liegt verlassend geht es teils steil nach unten. Die Pferde rutschen über den Schnee. Bor stolpert ab und an aber wir erreichen ohne weiteren Zwischenfälle ein offenes, mit hüfthohen Buschwerk bewachsenes Hochtal. Ich folge der Spur die die vielen Rentierhufe auf den bisherigen Gepäcktrips in den Boden gedrückt haben.

Bereits nach einer Stunden holen uns die ersten Nomaden mit ihren schwer beladenen Rentieren ein. Ich springe vom Pferd, zerre meine Spiegelreflex aus der wasserdichten Tasche und versuche das Ereignis festzuhalten. Da ich dabei mein Pferd und zwei Packpferde halten muss kein leichter Job. Innerhalb weniger Minuten sind die Meisten Tuwa an uns vorbeigeritten. Saintsetseg trägt ein Rentierbaby in ihrem Deel. Sie lacht mir verhalten zu als sie an uns vorbei trabt. Gamba sieht in seiner neuen Sonnenbrille cool aus. Er lacht ebenfalls in die Kamera und scheint sich aus ganzem Herzen zu freuen mit diesem Ritt die letzte Ladung ins neue Camp zu transportieren. Tso springt von seinem Hirsch, um eine verrutsche Satellitenschüssel gerade zu rücken. Dann läuft er ein paar Meter, um den beladenen Rentierzug hinter sich herzuziehen. Wegen der Schwäche unserer Pferde können wir nur langsam folgen. Der Untergrund ist vom tauenden Schnee teils schlüpfrig. Bor rutsch immer wieder aus und stürzt. Nach schon 10 Kilometern entladen wir die Pferde und legen eine 30 minütige Pause ein. Nun kommen auch Tsaya und Ultsan angeritten. Bilgee hilft unserem Nachbarn seinen 40 Kilogramm schweren Steinbohrer, ein großes Solarpanel, das russische Sägeblatt, welches wir ihm geschenkt haben, und einige Rentiergeweihe auf dem Rücken seines Packpferdes neu zu verschnüren. Dann reitet er eilig weiter, den Anschluss nicht zu verpassen. Bilgee und ich sind nun die Letzten.

Kühler Wind bläst dunkle Schneewolken über eine Bergflanke. Wir überqueren einen Fluss dessen Eis uns gerade noch so trägt. Um 21:50 Uhr erkennen wir in einem schmalen, langgezogenen Tal die ersten Rauchsäulen die aus den Dachkronen der Tipis steigen und sich mit der nahenden Nacht vereinen. Es geht über unebenes, rutschiges Gelände. Bor fällt erneut und bleibt liegen. Wir entladen ihn, helfen ihn auf seine Beine und heben die Packtaschen erneut auf seinen Rücken. „Halte durch. Du hast es bald geschafft. Dort drüben gibt es gutes Futter“, sage ich leise.

Es ist stockdunkel und sehr kalt als wir das 1.858 Meter hochgelegene Tal der Tuwa erreichen. „Wir sollten das Tipi von Ultsan und Tsaya suchen“, schlage ich vor. „Ügüj, (Nein) wir brauchen gute Futtergründe für die Pferde. Das ist viel wichtiger“, bestimmt Bilgee. Obwohl ich Bedenken habe in den nächsten Tagen unser Lager nochmal verlegen zu müssen gebe ich hundemüde klein bei. Im Schein unserer Stirnlampe entladen wir die Pferde und suchen einen einigermaßen geraden und erhöhten Platz für das Zelt. Rings um uns herum fließen kleine Rinnsale und in etwa hundert Meter Entfernung plätschert Wasser durch ein halb zu gefrorenen Bach. Wir befinden uns offensichtlich in einem feuchten Tal. „Hier ist es gut“, meine ich auf eine Stelle deutend auf der zwar viel Schnee liegt die aber vor dem Schmelzwasser sicher zu sein scheint. Wir räumen so gut es geht den Schnee zur Seite und errichten unser großes Zelt. Wegen dem Frost ist es erneut eine Herausforderung die Zeltnägel in den Grund zu schlagen. Während Bilgee die Pferde anpflockt koche ich auf dem Benzinkocher heißes Wasser für ein Fertigessen. Danach trinken wir eine heiße Tasse Tee und um 24:00 Uhr krabbeln wir bei minus 20 °C in die Schlafkabine des Zeltes. Bilgee wickelt sich in seine zwei Schafsfelldeels während ich in meinen Expeditionsschlafsack schlüpfe. Da ich zu müde war, um heißes Wasser für meine Wärmflasche zu kochen, werde ich nicht warm weshalb ich nahezu die ganze Nacht kein Auge schließe. Ich denke an Tanja und hoffe sie erlebt eine bessere Nacht als ich.

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