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E-Bike-Expedition Teil 4 Vietnam - Online Tagebuch 2016-2017

4,5 Kilometer im Bauch der Mutter Erde – Phong Nha Cave

N 17°37’04.8’’ E 106°22’35.7’’
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    Datum:
    08.12.2016

    Tag: 531

    Land:
    Vietnam

    Provinz:
    Quảng Bình

    Ort:
    Phong Nha Lake House

    Breitengrad N:
    17°37’04.8’’

    Längengrad E:
    106°22’35.7’’

    Tageskilometer:
    40 km

    Gesamtkilometer:
    21.042 km

    Gesamthöhenmeter:
    58.432 m

    Sonnenaufgang:
    06:12 Uhr

    Sonnenuntergang:
    17:19 Uhr

    Temperatur Tag max:
    23°C

(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)

LINK ZUR REISEROUTE

Mit Helm, Helmlampe, Schwimmweste und zwei Nummern zu kleinen Schuhen, sitze ich mit Tanja in einem Kajak und paddle auf ein großes gähnendes, schwarzes Loch zu. Der breite Côn River verschwindet vor unseren Augen für 7,8 Kilometer in dem hoch aufragenden Felsmassiv, welches zum Annamiten- Gebirgszug gehört und ein Teil des größten Kalksteingebietes der Welt ist. Nur noch hundert Meter, dann werden wir in eine der schönsten und längsten Flusshöhlen der Erde paddeln, die ursprünglich von einem Franzosen entdeckt, aber erst 1990 von britischen Höhlenforschern erkundet wurde. „Ihr werdet als eine der wenigen Menschen der Erde eine fremde Welt, mit den schönsten unterirdischen Sandbänken und Riffen, den breitesten Höhlen und sensationellsten Stalaktiten, Stalagmiten bewundern können“, schwärmte uns heute Morgen der Rezeptionist Alex vom Lake House vor.

Aufgeregt verfolgen wir wie die sechs roten und gelben Kajaks unserer Gruppe im Schlund einer der größten Höhlen dieser Region verschwinden. Kaum hat uns der Felsschlund verschluckt, wird es dunkel. Unsere Augen gewöhnen sich aber schnell an das diffuse Licht im inneren des Berges. Die ersten paar hundert Meter werden von elektrischen Strahlern erhellt, die gewaltige und atemberaubend schöne Stalaktiten und Stalagmiten beleuchten. „Der Hammer“, höre ich Tanjas Worte, deren Paddel links und rechts neben ihr ins Wasser platscht. „Jetzt weiß ich warum Phong Nha, Höhle der Wind – Zähne heißt“, sage ich den feuchten Luftzug im Rücken spürend. Trotz des schlechten Lichtes versuche ich die etwa hundert Millionen Jahre alten, gewaltigen Tropfsteine zu fotografieren, die mit ein wenig Fantasie in der Tat aussehen wie überdimensional große Drachenzähne. „Scheiße!“, fluche ich laut, als von der Höhlendecke Wasser auf die Kamera tropft. „Schlimm?“, fragt Tanja. „Hoffe nicht“, antworte ich und trockne sie mit einem Handtuch ab, welches wir vorsichtshalber mitgenommen haben. Schnell packe ich die teure Elektronik wieder in den wasserdichten Rucksack. „Wir müssen uns beeilen“, mahnt Tanja, da unsere Gruppe hinter der nächsten Flussbiegung verschwunden ist.

Luong, unser Guide, deutet auf einen Sandstrand an dem wir anlegen sollen. In Begleitung von Bao und Anantakarn, den zwei Trägern die Nahrung, Ersatzbatterien und First Aid Kit mitschleppen, verlassen mit uns 11 Exkursionsteilnehmer aus Brasilien und Australien die Kajaks, stapfen den Sandhügel hoch und laufen durch eine überdimensional große Felsröhre. Keiner der Anwesenden spricht viel. Der Anblick der Flusshöhle wirkt, als hätten wir einen fremden Planeten betreten. Luong deutet auf vom Russ geschwärzten Fels und erzählt, dass sich hier während des Vietnamkrieges ein verstecktes Notkrankenhaus befand, in dem Verwundete operiert und gepflegt wurden. Ich lausche in die Dunkelheit und höre Tropfen die von der ca. 30 Meter hohen Höhlendecke auf den nassen Untergrund platschen. Während Luong von der damaligen Zeit erzählt, entferne ich mich von der Gruppe, um ein paar Fotos zu schießen. Dabei vernehme ich noch mehr als vorher das unaufhörliche Geräusch der Wassertropfen, welches von den Wänden widerhallt. Hat da jemand geflüstert? War das ein Stöhnen? Ich schüttle meinen Kopf. Manche der Tropfsteine besitzen Ähnlichkeit mit alten Wesen. Weil mir plötzlich etwas unheimlich wird eile ich über den rutschigen Untergrund zur Gruppe zurück. „Und hier, an diesen Felsen seht ihr die Schrift des Cham Volkes. Es hat im ersten Jahrtausend Zentralvietnam beherrscht. Während ihrer Blütezeit zwischen dem 6. und 10. Jh. kontrollierten sie den gesamten Gewürzhandel Südostasiens.“ Während Luong weiter erzählt, leuchte ich gebannt mit meiner Stirnlampe über die schwarze Schrift. „Schon damals verfügten die Cham über weitreichende Handelsbeziehungen, nach Japan, Arabien, Indien und China und besaßen darüber hinaus eine beträchtliche Seeflotte. Später konvertierten sie vom Hinduismus zum Islam.“ Wie sie wohl zur damaligen Zeit soweit in die Höhle vorgedrungen sind? Die Cham besaßen ja keine Hightechlampen wie wir. Und warum haben sie die Schriftzeichen an die Felsen gemalt?, frage ich mich.

20 Minuten später setzen wir unsere Exkursion in den Kajaks fort. Die letzte künstliche Beleuchtung liegt schon lange hinter uns. In diese finstere, nasse Unterwasserwelt gelangen nur noch kleine geführte Exkursionen wie unsere. Im Lichtstrahl unserer Stirnlampen folgen wir dem sich durch den Berg windenden Song. Dann verschwindet der Fluss plötzlich unter, von der Decke abgebrochenen, riesigen, Tropfsteinen. Wir verlassen die Boote und setzen die Höhlentour zu Fuß fort. Die Teilnehmer klettern über massive, teils gefährlich glitschige Felsen. Manche gähnenden Spalten sind mit einer verrosteten, schmalen Metalleiter überbrückt. Vorsichtig balancieren wir darüber. Hände hangeln sich an kräftigen Tauen einen steilen Abhang in die Tiefe. Ab und an vernehmen wir das Rauschen des Flusses unter uns und fast überall wo der Strahl unserer Stirnlampe hinfällt wachsen die schönsten Stalaktiten von der Decke und streben mächtige Stalagmiten nach oben. Noch nie in meinem Leben habe ich solch eine unterirdische Pracht gesehen. Nicht in den kühnsten Träumen hätte ich mir diese Wunder der Erde vorstellen können. Im Bann der Flusshöhle staksen wir über messerscharfes Gestein. Weil ich in meiner linken Hand die Kamera halte, um diese faszinierende Welt zu dokumentieren, kann ich mich nur mit der Rechten an den Felswänden sichern. Besonders aufmerksam folge ich meinem Vordermann und achte wohin er seinen Fuß setzt. An besonders kritischen stellen helfen die kräftigen Hände von Luong, Bao und Anantakarn. Nur ein einziger Fehltritt und man würde sich hier schwer verletzen. Keiner der Teilnehmer hat Klettererfahrung und der Fitnessgrad des einen oder anderen ist sicherlich nicht so wie man es auf solch einer Tour dringend benötigt. „Luong?“, frage ich unseren Guide, als ich mich gerade dicht hinter ihm an einem Seil nach oben ziehe. „Ja?“ „Hat sich denn auf dieser Tour noch nie jemand etwas gebrochen?“ „Dieser Bereich der Höhle ist noch nicht all zu lange zugänglich. Wir haben also noch nicht viel Erfahrung, aber bisher gab es nur kleine Verletzungen“, antwortet er freundlich dreinschauend. Was auch immer kleine Verletzungen sind? denke ich hochkonzentriert einen Fuß vor den anderen setzend und bin mir sicher, dass man Luong aufgetragen hat so zu antworten, um das Geschäft mit den Höhlen nicht zu schädigen.

Weil meine speziellen rutschfesten Schuhe, die ich von den Organisatoren bekommen habe, zwei Nummern zu klein sind, kann ich mittlerweile nur noch mit Schmerzen auftretend. „Das gibt sicherlich blaue Zehenägel“, sage ich zu Tanja, die dicht hinter mir einen Felsen hochklettert. „Hättest vielleicht doch mit deinen Trackingschuhen gehen sollen.“ „Luong meinte, dass das wegen dem glatten Untergrund in der Höhle keine gute Idee wäre und auch schon andere Teilnehmer vor mir mit Schuhgröße 45 die Tour gut überstanden haben.“ „Luong. Warum hat deine Firma eigentlich keine größeren Schuhe?“, frage ich ihn, als wir gerade durch kniehohes, kaltes Wasser stapfen. „Wir sind viel kleiner als ihr. Es ist schwierig solche Schuhgrößen in Vietnam zu bekommen. Ich hoffe du hältst noch ein wenig durch. In spätestens einer Stunde legen wir eine Rast ein, dann kannst du die kleinen Dinger für eine Weile ausziehen“, sagt er lachend.

„Alle mal bitte herhören! Jeder der einen Rucksack trägt lässt ihn jetzt hier“, sagt Luong in einer großen Grotte stehend, deren sandiger Boden so eben ist als hätte ihn jemand mit dem Lineal gezogen. Vor uns gurgelt und gluckst es unheimlich laut. Im Strahl der Stirnlampen schimmert die aus dem schwarzen Fels hervorquellende Wassermasse. Der Song strömt trügerisch träge an uns vorbei und verschwindet außerhalb des Wirkungsbereiches unserer Lampen in der Finsternis. Ein fingerdickes, etwa 20 Meter langes Seil, ist von unserem Ufer zum anderen gespannt. „Weil es die letzten Wochen viel geregnet hat weiß ich nicht wie stark die Strömung ist. Ich schwimme voraus und sage euch Bescheid ob wir ans andere Ufer können oder es heute besser sein lassen“, sagt Luong. „Die wollen uns ernsthaft da drüber schwimmen lassen?“, wundert sich Tanja. „Ich hoffe“, antworte ich, da dieser Trip genau nach meinen Geschmack ist. „Alles klar. Ich denke es geht“, ruft Luong von der anderen Seite herüber. Seine Worte schallen von den Wänden zurück und übertönen das laute Rauschen des Flusses. Vorsichtig klettert einer der Brasilianer über die messerscharfen Felsen in den unterirdischen Strom. „Halt dich hier fest“, sagt Anantakarn, der bis zu den Hüften im Wasser steht und Anweisungen gibt das keiner der Teilnehmer von den Fluten mitgerissen wird. „Ready“, (fertig) fragt Anantakarn. „Ready“, antwortet der Brasilianer und springt an das Seil. „Nicht loslassen!“, ruft ihm Anantakarn hinterher, als sich der durchtrainierte junge Mann daran über den Fluss zieht. Die Strömung nimmt seinen Körper mit, so dass er zum rechten Winkel am Seil hängt. Plötzlich reißt der Brasilianer die Augen auf und dreht seinen Kopf hektisch in alle Richtungen. „Meine GoPro-Kamera!“, ruft er erschrocken und ist im Begriff das Seil loszulassen, um ihr hinterher zu schwimmen. „Hold on!“, (Festhalten) ruft Luong. Lass unter keinen Umständen das Seil los, denke ich die Szene gebannt beobachtend, mich daran erinnernd, wie ich als 16-jähriger Junge beim Wildwasserfahren ein losgetretenes Kajak retten wollte. Dabei riss mich urplötzlich die Strömung mit und trieb mich unter einen über dem Fluss liegenden Baum. Nur die beherzte schnelle Hilfe meiner erfahrenen Begleiter rettete mir das Leben. Der Brasilianer reagiert zum Glück bedacht und zieht sich weiter am Seil entlang, bis er das andere Ufer sicher erreicht. Luong sucht indes die Flussoberfläche mit einer starken Stablampe ab. „Die ist weg“, meint er. „Verschwindet der Fluss dort hinten in der Dunkelheit wieder unter den Felsen?“, frage ich ihn. „Ja.“ „Na gut, dass der Brasilianer nicht seiner Kamera hintergeschwommen ist. Das hätte ihn bei der Strömung dort hineingezogen“ „Ja, gut“, antwortet Luong nüchtern. Dann ist Tanja an der Reihe sich über den Fluss zu hangeln. „Nicht loslassen. Hörst du?“, sage ich. „Klar“, antwortet sie, lässt sich beherzt in das kalte, schwarze Nass und zieht sich Hand für Hand ans andere Ufer. Ich bin verblüfft, keiner der Teilnehmer hat vor der Flussquerung gekniffen. Weil wir später wieder den gleichen Weg zurückmüssen wäre das eine echte Alternative gewesen. Auf der anderen Seite setzen wir unseren Weg durch die Höhle fort. Es geht über mindestens 15 Meter hohe Sandhügel, durch schmale Gänge und Klippen, bis wir an einen Punkt gelangen, der uns beim heutigen hohen Wasserstand des Song nicht weiter lässt. „An dieser Stelle sind wir ca. 4,5 Kilometer im Inneren der Phong Nha Cave. Ab jetzt wird es noch enger und gefährlicher. Besser wir kehren um“, sagt Luong. Auf dem Rückweg erklimmen wir wieder die unterirdische Sanddüne. „Setzt euch mal alle in den Sand, schaltet eure Stirnlampen aus und schweigt für ein paar Minuten“, fordert uns Luong auf. Nachdem auch der Letzte seine Stirnlampe ausgeschaltet hat, umhüllt uns allumfassende Schwärze. Nichts ist mehr zu sehen, nicht das geringste Lichtchen. Absolute Finsternis umgibt uns in einer menschenfeindlichen Umgebung. Hätte einer von uns Klaustrophobie würde er spätestens jetzt Panik bekommen. Ich lausche in die uneingeschränkte Dunkelheit, vernehme das Rauschen, Glucksen und Gurgeln des Song und das Aufschlagen der vielen Wassertropfen auf dem Fels. Ein Orchester der Unterwelt, die mit mindestes 300 weiteren Höhlen und Grotten sich über 126 Kilometer Länge erstreckt und Forscher in dieser Region jedes Jahr neue zusätzliche Höhlen entdecken. Faszinierend was unsere Mutter Erde zu bieten hat und gut das die UNESCO diese Höhle im Jahre 2003 zum Welterbe ernannte.

Auf dem Rückweg verläuft die Flussquerung reibungslos. Luong führt uns durch bezaubernde Sinterbecken, die, wäre das Wasser nicht so kalt, zum baden reizen würden. Dann geht es zum Unwillen der Brasilianer durch Nebenarme des Song River, so dass wir Teilstücke nicht doppelt machen müssen. Dabei waten wir durch hüfthohes kaltes Wasser aus dem Tropfsteine wie Speerspitzen ragen. Wegen der Dunkelheit ist der Grund nicht zu erkennen. Eine Frau hinter mir rutscht aus und schlägt sich an einem der scharfkantigen Felsen ihr Knie auf. Auf den Schultern ihres Mannes gestützt humpelt sie mit schmerzverzerrtem Gesicht weiter. Wieder in der Grotte, in der wir unsere Rucksäcke und ich zum Glück meine Kamera gelassen habe, breiten unsere Begleiter auf dem sandigen, ebenen Boden eine Plane aus und servieren uns ein spätes Mittagessen. „Wie geht es deinen Zehen?“, fragt Tanja. „Werden sicherlich schwarz und mir hoffentlich nicht abfallen“, antworte ich. Auf dem Weg aus der Höhle fällt mir das Laufen immer schwerer und als wir die Kajaks erreichen fällt mir ein Stein vom Herzen. Tatsächlich färben sich meine Zehen am nächsten Tag schwarz und trotzdem möchte ich dieses einmalige, unvergessliche, bereichernde Erlebnis nicht missen und würde es jeder Zeit wiederholen. Allerdings mit passenden Schuhen…

Wer mehr über unsere Abenteuer erfahren möchte, findet unsere Bücher unter diesem Link.

Die Live-Berichterstattung wird unterstützt durch die Firmen Gesat GmbH: www.gesat.com und roda computer GmbH http://roda-computer.com/ Das Sattelitentelefon Explorer 300 von Gesat und das rugged Notebook Pegasus RP9 von Roda sind die Stützsäulen der Übertragung. Pegasus RP9 von Roda sind die Stützsäulen der Übertragung.

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