Zwischen den Meeren
N 45°21'20.8'' E 036°28'29.0''Wieder einmal hat sich bewiesen, das hochkommende Ängste einem das Leben schwer machen können und wie die vergangene Nacht zeigte doch meist unnütz sind. Etwas gerädert krabble ich aus unserer Stoffbehausung und wundere mich selbst über meine gestrigen Gedanken. Alles ist friedlich und keiner hat uns überfallen. Ibragim begrüßt uns freundlich. Er hat tatsächlich in dem kleinen Haus geschlafen, um wie wir vermuteten auf seine Schafe aufzupassen. “Sieht nach Regen aus”, meint er nachdenklich und deutet auf den dunklen Wolkenhimmel. “Ja”, antworte ich etwas fröstelnd. “Warum fahrt ihr nicht nach Kasachstan und Usbekistan? Die Länder im westlichen Zentralasien liegen auf einem viel südlicheren Breitengrad. Dort gibt es wenige Berge. Das ist doch gut für eure Radreise? Und vor allem ist es viel wärmer. Kein Regen und kein Schnee. Auf diesem Weg kommt ihr viel besser nach China als bei eurer geplanten Route über Woolgograd, Saratow Samara, Omsk und Novosibirsk”, schlägt er vor. Interessiert packen wir unsere Karten aus und sehen uns seinen Vorschlag an. “Klingt spannend”, meint Tanja. “Ja, stimmt. Wir können uns ja mal mit dem Gedanken beschäftigen. Aber im Augenblick finde ich Russland auch interessant.” “Auch wieder wahr”, gibt sie mir Recht, weshalb wir erstmal auch gedanklich weiter in Richtung Russland unterwegs sind.
Nach einem ausgiebigen Frühstück verlassen wir Alie und Ibragim. Der Wind bläst uns wie auch in den vergangenen Tagen leicht entgegen. Nur etwa 15 bis 20 Kilometer zu unserer linken Seite befindet sich das Asowsche Meer und zu unserer Rechten das Schwarze Meer. Zum ersten Mal in unserem Leben reisen wir auf einen schmalen Landstreifen der zwei Meere von einander trennt. Immer wieder halten wir Ausschau etwas von den beiden Meeren zu erhaschen, doch Hügel und Dunst verhindern unserer Sicht. Die Behausungen der hier lebenden Landbevölkerung sind oft einfach. Nichts ist mehr vom Reichtum der Halbinsel Krim zu sehen. Manche der Erhebungen erinnern uns an Moldawien. Ab und an steigt die Straße ganz langsam bis auf 115 Höhenmeter, um sich danach bis auf minus zehn Meter nach unten zu senken. Ich wundere mich über die Tiefe unter Null. Da es aber Angaben unseres Navigationscomputer sind darf ich sie kaum bezweifeln, gesetzten Fall ich habe ihn richtig geeicht.
Am frühen Nachmittag hecheln wir eine Erhebung hoch, um dahinter in die Hafenstadt Kerch zu brausen. Direkt am Industriehafen, der sich am Stadtkern befindet, checken wir voraussichtlich das letzte Mal in der Ukraine in einen heruntergekommenen Ostblockbunker ein.