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RED EARTH EXPEDITION - Etappe 2

Windböe werfen sich gegen das abgebrannte, vom Regen gepeitschte

N 23°03’58.9’’ E 129°43’32.2’’
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    Tag: 150 Etappe Zwei

    Sonnenaufgang:
    06:00

    Sonnenuntergang:
    19:10

    Luftlinie:
    17,4

    Tageskilometer:
    22

    Gesamtkilometer:
    3683

    Temperatur - Tag (Maximum):
    24 Grad

    Breitengrad:
    23°03’58.9’’

    Längengrad:
    129°43’32.2’’

Iglu-Camp — 12.11.2001

„Schau dir das an, soweit man hier sehen kann ist alles verbrannt. Wir hatten mit der Wahl des letzten Camps wirklich Glück,“ meine ich auf die großen verbrannten Flächen deutend. „Ja, hier hätten die Kamele nichts zu fressen gefunden,“ antwortet Tanja mit kräftigen Schritten vorausschreitend. Schwere Gewitterwolken vereinen sich zu einer hünenhaften Front die alles dazu beiträgt uns wiedereinmal kräftig Angst einzujagen. „Ob es bald regnen wird?“ ,fragt Tanja. „So wie es aussieht kommt da etwas Schweres auf uns zu. Besser ausgedrückt es macht auf mich den Eindruck als würde sich da ein fürchterlicher Sturm zusammenbrauen. Ich bin mir nicht sicher aber ich glaube wir sollten ein Camp beziehen, bevor uns der Herr der Australischen Unwetter erwischt.“ „Mein Gott wir sind wirklich eine Schneckenexpedition. Wenn das so weiter geht kommen wir nie an.“ „Wir kommen ganz bestimmt an. Zeit sollte dabei aber keine Rolle spielen,“ antworte ich und führe die schwer beladene Karawane weiter über den schmalen Track. Tote, schwarze Bäume und verkohlte Büsche und Sträucher ragen ihr bizarres Gerippe aus dem roten Sand. Neues jungfräuliches Grün spitzt aus dem von Hitze und Wasser heimgesuchten Boden. Ohne Zweifel waren hier vor nicht all zu langer Zeit Aborigines auf der Jagd nach Bangaras unterwegs. Tief liegende, eigenwillige, ja sonderbare Wolkengebilde vereinen sich zu einem Ringkampf. Einem Ringkampf den sie bald auch auf den Wüstenboden verlegen werden. Whhhuuummm, dringt ihr fernes Kampfgebrüll an unsere Ohren. Der tiefe, mächtige Donner rollt wie eine Woge des Ozeans heran, um im Nirgendwo zu verschwinden. Obwohl wir gerne mehr Kilometer machen würden sind wir gezwungen nach einer Campstädte Ausschau zu halten. Fast jeden zweiten Blick werfe ich auf die wunderlich, wilden Wolkenformationen die ich in dieser Form noch nie gesehen habe. Mittlerweile ist der gesamte Himmel wie von einem monströsen Pinsel mit den Farben einer arglistigen Schattenwelt bestrichen. Nach unten hängende Berge vereinen sich in einer zähflüssigen Masse und greifen mit ihren langen, ungestalteten Nebelfingern nach uns. „Hast du so etwas schon mal gesehen?“ ,frage ich von dem Anblick fasziniert? „Nein, sieht beeindruckend aus.“ Wir eilen nun im Stechschritt voran als könnten wir uns dem unvermeidlichen, schicksalhaften uns ewig begleitenden Unwetter entziehen. Wie Sturmwellen, brausen die Wirbel und Strudel heran und plötzlich beginnt es zu regnen. „Wir müssen da rauf,“ rufe ich auf eine Düne deutend die unseren Weg schon einige Zeit begleitet. Wenige Minuten danach durchdringt das kalte Wasser unsere im Lauf der Zeit undicht gewordenen Regenhäute und rinnt uns den Nacken hinunter. Die Schuhe werden erst feucht und dann unangenehm nass. Der feine, rote Sand klebt auf einmal daran. Klebt erst an den Schuhen und dann an den Hosenbeinen. Auf dem Dünenrücken angekommen, folgt unser Zug des Lebens ihrem rissigen, ausgefransten und unebenen Rückrad. Klatschnasse Büsche peitschen mir um die Ohren, auf den Poncho und gegen die Beine. Ööööääähhh! Ööööääähhh, beschwert sich Sebastian, den ich hinter mir herziehe. Whhhuuummm, whhhuuummm, grollt es bösartig und gefährlich über unseren Köpfen. Meine Augen schweifen fieberhaft über den schrullenhaften Untergrund. Ich muss eine Stelle finden auf der sich sieben Kamele hintereinander absetzen können, doch Büsche, tiefe Mulden und Einrissen lassen mich fast Verzweifeln. Ich beginne mich darüber zu ärgern nicht schon früher nach einem Fluchtcamp gesucht zu haben. Kilometer machen wollte ich und jetzt vereint sich der Himmel mit der Erde und wir kleinen unwichtigen Kreaturen schwimmen wie Treibholz im Kampf der Giganten dahin. Wie schnell kann sich hier eine Situation verändern. Wie schnell geschieht es, dass unsere Expedition eine mächtige Ohrfeige bekommt. Jetzt, bei diesen Schlägen ist es wichtig den Kopf auf den Schultern zu bewahren. Es ist wichtig mit diesem Kopf zu denken und wie eine Maschine zu arbeiten, ohne zu verzweifeln, ohne die Flinte ins Korn zu werfen und vor allem ohne aufgeben zu wollen. Aufgeben zählt hier draußen nicht. Diese Karte existiert nicht im Spiel der extremen Bedingungen. Warum wir mit unserer Australiendurchquerung Jahre erwischt haben die von unaufhörlichen Wetterwechseln heimgesucht werden, die vor allem von geradezu ungeheuerlichen Regenfällen heimgesucht werden ist mir nicht begreiflich. Hier in dieser Wüste ist es bisher keine Seltenheit gewesen sieben Jahre hintereinander keinen einzigen Regentropfe zu sehen. Ich frage mich was schlimmer ist. Ohne Wasser gibt es keine Pflanzen und ohne Pflanzen können die Kamele nichts fressen. Ich frage mich wie die frühen Entdecker und Abenteurer dieses Kontinentes so eine endlose Trockenheit überlebt haben und während ich mir selbst diese Frage stelle bekomme ich die Antwort, das viele von ihnen nicht selten grausam in den Sand beißen mussten. Einer von ihnen zog mit 18 Kamelen los, wovon nur ein einziges überlebte. Whhhuuummm! Whhhuuummm, poltert es über unseren Köpfen. Lichtwellen rasen durch das wogende Wolkenmeer. Mir ist kalt, richtig kalt worauf ich mir nur noch Geborgenheit wünsche. Unsere Körper sind bis ans Ende belastet, überstrapaziert und müde. Wir kommen zu langsam voran und werden unaufhörlich auf die Probe gestellt. Existenzangst macht sich urplötzlich in meinem Inneren breit. Die Frage ob sich das Unwetter, in dessen Zentrum wir uns befinden, verschlimmert? Ob es uns einfach wegfegt wie ein Blatt im Wind? Was sollen wir hier bloß lernen? Warum ist es so hart? Schwirren mir die Fragen wie lästige Fliegen durch den Kopf. Sinn und Unsinn dieses Durchquerungsversuches eines Kontinentes rücken vor mein geistiges Auge. Ööööääähhh! Ööööääähhh, rüttelt mir Sebastians Gejammer an einem Nervengeflecht welches sich schon vor endloser Zeit verabschiedet hat. Whhhuuummm! Whhhuuummm, meldet sich der Herr der Finsternis und vereint sein dumpfes, düsteres Brodeln mit dem Aufheulen des Windes. Zweige biegen sich bis zum Boden, Wasser rast mir den Bart hinunter, auf Brust und Bauch, um dann an den Beinen in die Schuhe zu fließen. Meine Hüfte klagt am lautesten. Immer wieder blicke ich nach hinten, um nach Tanja zu sehen, die hinter der Karawane läuft. Was sie wohl denkt? Wie sie sich wohl fühlt? Wie sie sich motiviert? Sie hat heute so wie so einen schlechten Tag. Sie ist müde und ausgebrannt, denn in den letzten Tagen, vor allem seit der Zeitumstellung haben wir nicht mehr genug geschlafen. Ihr Kreislauf, ihre Füße, ihr gesamter Körper beklagt sich genauso wie meiner. So weit es meine Aufmerksamkeit noch zulässt führe ich vorsichtig und bedacht die Karawane auf dem schmalen, vielleicht drei Meter breiten Grad der Sanddüne entlang. Ich muss mich für einen Lagerplatz entscheiden. Irgendwo müssen wir stoppen, befehle ich mir selbst, denn der Regen wird von Minute zu Minute schlimmer. Zwischen dichtwachsenden Sträuchern und hubbligen Sandbergen halte ich den vor Nässe tropfenden Zug an. „Husch down! ,befehle ich Sebastian der in diesem Moment einen armseligen, traurigen Eindruck auf mich macht. „Hier können wir doch keine Sättel abladen! Wo sollen wir sie denn hinstellen? ,ruft Tanja gegen den Wind. „Egal, wir werden einen Platz finden und wenn wir sie auf die Büsche legen. Es gibt keinen besseren Ort. Wir müssen uns beeilen! ,antworte ich auf den Himmel deutend. Die Windböen rauschen in der Ferne wie Brandungswellen und werfen sich gegen das abgebrannte, vom Regen gepeitschte Land. Während Tanja die glitschnassen Kamelbeine Hoppelt, grabe ich mit der Schaufel für unser Zelt eine gerade Fläche in den Sandberg. Ich schufte, dass mir trotz Regen der Schweiß herunterrinnt. Dann baue ich unser Zelt auf und hoffe, dass das Innenzelt nicht allzu viel Wasser abbekommt. Daraufhin entladen wir unsere Jungs und lassen sie zum Fressen gehen. Als ich Jafar aufstehen lasse und von den anderen wegführe, stellt er sich vor lauter Euphorie plötzlich auf die Hinterbeine, hüpft und verfehlt mich mit seinen an mir vorbeischleudernden Vorderbeine nur knapp. Istan hat ebenfalls nur eines im Sinn und rast die Düne hinunter, um irgend einen Busch zu verzehren. Zum Glück gibt es auf der einen Seite des Sandberges eine große Stelle mit noch grünen Pflanzen die vom Feuer verschont geblieben sind. Auch wenn wir uns am liebsten gleich in unser Zelt verkriechen würden ist das unmöglich. Erst müssen wir unsere Ausrüstung zum Schutz vorm Regen unter die Satteltaschen zerren. Dann muss Tanja den Kamelen folgen, um sie bei strömenden Regen zu hüten und ich grabe einen weiteren Sandhaufen ab, um das Buschbüro auf die so entstehende Fläche stellen zu können. Ich schlüpfe unter die nasse Zeltbahn und errichte den zusammensetzbaren Aluminiumstützpfosten. Sand fällt mir ins Gesicht und bleibt auf dem völlig durchnässten Poncho kleben. Das ist viel zu niedrig hier drin, stelle ich fest und grabe die Sandfläche mit den letzten Kräften einen viertel Meter tiefer. Dann klopfe ich den Sand von der Wasser undurchlässigen Zeltbahn, trage die Klappstühle, die Essensboxen und den flachen 30 × 40 Zentimeter kleinen Küchentisch hinein. Obwohl noch immer alles mit Sand verschmiert ist sieht es jetzt wie in einem Iglu oder besser noch Indianerzelt aus. Mittlerweile hat sich das Gewitter nach Westen verzogen und eine ekelhafte Schlechtwetterfront hinterlassen. Sprühregen und Nieselregen wechseln sich ab und lassen die Welt zu einer einzigen Waschküche werden. Ich sammle unter den Sträuchern dünne Äste zusammen und entzünde ein Feuer. Wenig später kocht Wasser in der Thermet. Als Tanja bis auf die Haut durchnässt vom Hüten zurückkommt bin ich mit dem Aufbau unseres Lagers fertig und die Thermoskannen sind mit heißem Wasser gefüllt. Bei nur noch 14 Grad erwärmt uns heißer Tee. Ein hochwertiges Fertigessen von Reiter spendet uns neue Energie. Wir sitzen nun unter der Zeltbahn, lauschen dem Dauerregen und unterhalten uns über unser Leben, der Expedition, dem was wir daraus lernen und ob wir es schaffen werden Ende November auf New Haven Station anzukommen. Wieder ist alles in Frage gestellt, denn nach dem was uns Bruce berichtet hatte liegt etwa 50 Kilometer von hier entfernt ein großer Binnensee. „Meinst du der Regen hat die Gegend vor uns unpassierbar gemacht?“ „Keine Ahnung. Ich kann nur hoffen einen Weg außen herum zu finden. Die Karte zeigt in dieser Landschaft allerdings keine Sanddünen mehr auf denen wir einen See umgehen können. Wenn der Regen anhält und den eh schon von Nässe geschwängerten Boden wieder in einen Sumpf verwandelt gibt es für uns kein Durchkommen. Vielleicht sollten wir uns nicht auf Ende November fixieren. Schon oft auf dieser Etappe mussten wir unsere Zeitpläne und überhaupt alle Pläne total über den Haufen werfen. Wir müssen uns einfach daran gewöhnen uns von diesem Wetter, von diesem Land, vor allem von dieser Wüste treiben zu lassen. Zeit existiert hier nicht. Es ist eine Erfindung des Menschen. Wenn wir uns daran gewöhnen, wenn wir mehr Geduld haben, können wir diese Expedition meistern. Die Psyche ist es die uns hier einen Strich durch die Rechnung machen kann. Wir müssen mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln versuchen unsere Moral aufrecht zu erhalten. Egal was geschieht, wir können es nicht ändern. Wir können nichts dagegen tun. Wir können uns nur anpassen und mit dem Strom des Unvermeidlichen treiben lassen,“ erkläre ich Tanja und wenn ich ehrlich bin mir selbst.

Als es dann dunkel wird schlüpfen wir in unser feuchtes Zelt. Rufus bekommt wie immer einen Platz in der Apside. Hundemüde legen wir uns hin und lauschen dem konstanten Trommeln der Regentropfen. Wir lauschen dem Wind der sich in den Ästen und Sträuchern um uns herum fängt und sein Lied wie auf den Saiten eines fremdartigen Instrumentes spielt. Wir lauschen dem schweren Atem der Wüste welcher uns wie eine gewaltige Brandung umgibt und hoffen darauf, dass dieser Regen uns nicht für Wochen hier festhält und ein Weiterkommen unmöglich werden lässt. Vor allem hoffen wir, dass diese Sanddüne keine Insel in einem endlosen Meer wird und uns in eine Notsituation bringt in der kein Mensch auf dieser Welt sein möchte.

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