Wie ein Adler kreist der Finger über den Hühnerschlegeln
N 11°42’38.2’’ E 107°08’21.4’’Datum:
21.03.2017
Tag: 630
Land:
Vietnam
Provinz:
Bình Phước
Ort:
Ngã Ba Sao Bọng
Breitengrad N:
11°42’38.2’’
Längengrad E:
107°08’21.4’’
Tageskilometer:
90 km
Gesamtkilometer:
22.829 km
Luftlinie:
45 km
Durchschnitts Geschwindigkeit:
20.4 km/h
Maximale Geschwindigkeit:
55.6 km/h
Fahrzeit:
4:12 Std.
Bodenbeschaffenheit:
Asphalt / Schotter
Maximale Höhe:
350 m
Gesamthöhenmeter:
69.469 m
Höhenmeter für den Tag:
846 m
Sonnenaufgang:
05:55 Uhr
Sonnenuntergang:
18:02 Uhr
Temperatur Tag max:
34°C
Aufbruch:
7:00 Uhr
Ankunftszeit:
14:00 Uhr
(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)
UuuuuuuUUUUUUUUHHHHHHH! UuuuuuuuUUUUUUUUHHHHHHH!, erklingen die Rufe der Gibbons für uns heute zum letzten Mal. Seit 5:00 Uhr morgens packen wir unsere Habseligkeiten in die Radtaschen, stärken uns mit einem Müslifrühstück und beladen unsere Räder. Die ersten Sonnenstrahlen spitzen durch die Urwaldbäume und verdampfen die Reste des nächtlichen Tropenregens. Die Luftfeuchtigkeit dürfte bei 100 Prozent liegen, so fühlt es sich zumindest an, denn hätte ich ein scharfes Messer, könnte ich die Luft glatt in Teile schneiden.
Es fällt uns schwer den Cat Tien Nationalpark verlassen zu müssen. Obwohl wir hier zehn Tage mit unseren Aufzeichnungen und einige Touren verbrachten, gibt es für uns noch genügend zu entdecken. Trotzdem müssen wir jetzt unbedingt weiter, um im Rahmen unserer auslaufenden Visa rechtzeitig nach Kambodscha zu reisen.
Bevor wir uns auf die Räder schwingen, versammeln sich die Inhaber und Mitarbeiter der Bamboo Lodge für ein gemeinsames Abschiedsfoto. Xuan überreicht uns noch zwei große Wasserflaschen. „Damit ihr nicht verdurstet“, sagt er lachend. Im Rückspiegel sehen wir wie die gesamte Crew uns hinterher winkt. „Ein schöner Aufenthalt“, ruft Tanja. „Fantastisch“, antworte ich. Nur ein paar hundert Meter weiter zeigt mir Google Maps einen kleinen, unscheinbaren Weg, der zwischen zwei Hütten durchführt. „Das ist die Abkürzung von der Xuan mir erzählte“, sage ich. Es geht über eine schmale Hängebrücke, durch Felder und einer großen Baumplantage. Jeder der Bäume hängt voller überreifer Früchte die ich nicht kenne. Der süßsaure Duft der in der Hitze gehrenden Früchte liegt in der Luft und begleitet uns für viele Kilometer. Der kleine Weg führt uns über ein paar Hügel. Verkehr gibt es hier nahezu nicht. Zu unserer Linken taucht ab und an der Fluss Dong Nai auf, der die natürliche Grenze zum Cat Tien Nationalpark bildet.
„Schau mal, das ist eine riesige Plantage voller Gummibäume“, mache ich Tanja auf die in Reih und Glied stehenden Bäume aufmerksam. „Da sind ja lauter Bienenstöcke!“, ruft sie. Sofort ziehe ich die Bremsen. Imker sind gerade damit beschäftigt die Honigwaben der Waldbienen zu schleudern. „Xin chào“, (Hallo) begrüßen mich die freundlichen Imker. „Xin chào“, antworte ich und frage ob ich ein paar Fotos schießen darf. Sie lachen und freuen sich über mein Interesse. Sofort bieten sie mir etwas von dem süßen Honig an. Ich bedanke mich und als ich mich verabschiede wollen sie mir etwas von ihrem goldenen Bienenhonig mitgeben. „Habe keinen Platz in den Radtaschen“, versuche ich zu erklären. Sie nicken verständnisvoll mit dem Kopf und wünschen uns eine gute Fahrt. Wir durchradeln ein paar kleine Dörfer. In einer der Dorfschulen ist gerade Pause. Eine Schar von Kindern steht am Stacheldrahtzaun und bestaunt unsere Bikes, aber vor allem Ajaci. „Hello! Hello Hello!“, rufen sie begeistert. Bevor die ganze Schule in Aufruhr gerät schwingen wir uns in die Sättel und lassen unter lautem Jubel die Schule hinter uns. Dann erreichen wir wieder die Hauptstraße, die uns in einem Bogen um den Cat Tien Nationalpark führt und auf seine andere Seite im Osten leitet. Obwohl es erst 8:00 Uhr am Morgen ist sind wir bereits völlig durchgeschwitzt. „Man oh man“, dachte die Kälte in China war anstrengend, aber ich glaube Hitze ist noch schlimmer“, stöhne ich, während einer kurzen Verschnaufpause.
Wiedererwartend legt sich uns ein ca. 900 Meter hoher Pass in den Weg. Wir ächzen Meter für Meter nach oben. Plötzlich hört der Asphalt auf. Die Straße wird zur roten Erdpiste, die die heißen Sonnenstrahlen regelrecht zu reflektieren scheint. „Dachte hier gibt es keine Berge mehr?“, meint Tanja. „Dachte ich auch. Aber was noch viel übler ist sind die endlos vielen Löcher“, antworte ich. Auf den kommenden 15 Kilometer werden wir kräftig durchgerüttelt. „Gut dass wir vollgefederte Räder besitzen“, sagt Tanja. „Oh ja, stell dir vor wir müssten diese Strecke mit den billigen Fahrräder des Nationalparks überwinden.“ „Das stelle ich mir besser nicht vor“, keucht sie hinter mir.
Nach knapp 90 Kilometer erreichen wir den Ort Ngã Ba Sao Bọng. „Dort drüben ist ein Motel“, rufe ich. „Hm, sieht recht einfach aus. Aber ich denke wir sollten bleiben“, schlägt Tanja vor. „Ja, bin deiner Meinung. Hoffe sie akzeptieren Ajaci.“ Wir rollen die Räder in den Schatten einer langgezogenen Überdachung. „Ich check den Laden mal ab“, sage ich, stelle mein Bike auf den Ständer und gehe durch die offen stehende Tür. „Hallo! Hallooo!“, rufe ich, da kein Mensch weit und breit zu sehen ist. Weil einige Türen zu den leeren Zimmern nicht abgesperrt sind, werfe ich einen Blick hinein. „Einfach aber okay“, sage ich als ich wieder bei Tanja bin. Plötzlich taucht ein junger Mann auf der uns freundlich begrüßt. Für nur 200.000 Dong (8,22 €) bekommen wir das Zimmer mit Air Condition. Weil Ajaci akzeptiert ist beziehen wir den kleinen Raum.
Es ist bereits stockdunkel. Mit unseren Stirnlampen gesichert, laufen wir, auf der Suche nach einem Restaurant, am finsteren Straßenrand entlang. Roadtrains donnern laut polternd vorbei. „Das dort vorne sieht wie eine Kneipe aus“, meint Tanja. Wir betreten die einfache, gut besuchte Kaschemme. An vier von fünf Tischen sitzen schwer angetrunkene Männer. Die meisten von ihnen mit nacktem Oberkörper. Sie begrüßen uns johlend. Zwei von ihnen springen sofort auf, um uns die Hand zu schütteln. Der Inhaber des Schuppens serviert Zapfbier in großen Einliterplastikbehältern. „Was kostet das Bier?“, frage ich. „15.000 Dong.“ (0,62 €) „Wow, das ist günstig“, flüstert Tanja. „Stimmt. Wenn es gut schmeckt ist das sicherlich der Grund für die vielen Betrunkenen um uns herum.“ In der Tat mundet uns das Bier. Ja ich würde sagen, es ist das beste Bier welches wir bisher in Vietnam bekommen haben. Tanja bestellt ein Tofugericht, während ich gegrillte Hühnchenschlegel möchte. Wir wollen gerade mit dem Essen beginnen, als sich drei der angetrunkenen Vietnamesen zu uns an den Tisch hocken. Umgehend beginnen sie uns ins Ohr zu brüllen. Nicht das sie aggressiv sind, nein ganz im Gegenteil. Durch die extreme Lautstärke, mit der sie uns anbrüllen, versuchen sie die Sprachbarriere zu durchbrechen. Leider klappt das nicht, denn trotz dem Klingeln unserer Trommelfelle verstehen wir nach wie vor kein Vietnamesisch. Egal, mein Nachbar rückt mir auf die Pelle. Er umarmt mich wie seinen besten Freund. Brüllt ab und an Unverständliches, streicht mir mit seinen Händen über die Brust, wahrscheinlich um damit zu zeigen wie lieb er seinen neugewonnen besten Freund hat. Fast etwas verzweifelt, und extrem hungrig, versuche ich nach einem der lecker aussehenden Hühnerschlegel zu greifen. Mein Nachbar missdeutet die Bewegung und schüttelt mir umgehend ausgiebig die Hand. Da er sie nicht mehr loslässt ist an essen einfach nicht zu denken. Tanja lacht und sieht mich etwas mitleidig an. „Das ist nicht witzig“, sage ich und kann nach einem 90 km langen, affenheißen Radtag, noch dazu über einen 900 Meter hohen Pass mit Lehmpiste, der Sache keinen Spaß abringen. Wieder versuche ich zu einem der nun kalt werdenden Hühnerschlegel zu greifen. Diesmal schießt die Hand eines anderen Mannes über den Tisch, um meine zu schütteln. „Ich werde hier noch wahnsinnig“, sage ich und versuche dabei ein Lächeln zu Stande zu bringen. Einer der lauten Männer fuchtelt nun mit seinem schmutzigen Zeigefinger über meine hoffentlich leckeren Hühnerschlegel. Mit Entsetzen sehe ich wie der kreisende Adlerfinger herabstürzt und einen Schlegel nach dem anderen anstupst. Vorsichtig schiebe ich seine Hand weg und ergreife die Gelegenheit mir einen der Schlegel zu schnappen. Er ist zwar indes nur noch lauwarm, schmeckt aber fantastisch. Der Mann neben mir legt seinen Kopf an meine Schulter und lallt irgendetwas. „Ich glaube der will unser Essen bezahlen“, sage ich zu Tanja. „Echt, meinst du wirklich?“ „Bin mir nicht sicher, aber ich denke du solltest mal zum Wirt gehen und schnell unsere Zeche begleichen. Wir wollen ja nicht, dass sich der arme Kerl morgen wundert wohin sein schwer verdientes Geld gekommen ist.“ Während Tanja zum Tresen geht, nestelt der junge Mann neben mir an der Schnur, die einen großen Eberzahn auf seiner braungebrannten Brust baumeln lässt, herum. „Das ist für dich“, verstehe ich ihn. Um die Situation nicht kippen zu lassen versuche ich das sicherlich sehr gut gemeinte Geschenk diplomatisch abzulehnen. Es nützt aber nichts, da er sich anscheinend in den Kopf gesetzt hat mir sein tolles Schmuckstück zu überlassen. Plötzlich bemerkt er wie Tanja dem Wirt ein paar Geldscheine überreicht. Sofort springt er auf und torkelt zum Tresen. „Lass uns schnell gehen“, meint Tanja. Wir verabschieden uns freundlich von den Männern und eh sie in der Lage sind noch etwas zu erwidern, haben wir den Laden verlassen. „Man habe ich einen Hunger“, jammere ich auf den Rückweg zum Hotelzimmer, da ich nur ein paar der leckeren Hühnerschlegelchen verspeisen konnte. „Und das Bier war echt klasse. Das Beste auf der gesamten bisherigen Reise. Wirklich ein Jammer.“ „Wenn du möchtest hole ich uns noch einen Krug. Den können wir im Zimmer trinken“, bietet Tanja an. „Echt! Super! Würde gerne noch so einen wohlschmeckenden Hopfensaft trinken“, antworte ich…
Wer mehr über unsere Abenteuer erfahren möchte, findet unsere Bücher unter diesem Link.
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