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AUFGELADEN zu den Polarlichtern im hohen Norden - 2020

Wenn ich dem Braunbären das Fell abziehe

N 59°21’58.7’’ E 010°53’38.2’’
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    Datum:
    13.08.2020

    Tag: 011

    Land:
    Norwegen

    Ort:
    See Vansjø

    Tageskilometer:
    33 km

    Gesamtkilometer:
    1529 km

    Fahrzeit:
    1 Std.

    Bodenbeschaffenheit:
    Asphalt

    Sonnenaufgang:
    05:24 Uhr

    Sonnenuntergang:
    21:17

    Temperatur Tag max:
    26°

    Temperatur Tag min:
    17°

    Aufbruch:
    12:00 Uhr

    Ankunftszeit:
    19:30 Uhr

(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)

Hier geht´s zum Podcast Braunbären!
Link zur aktuellen Reiseroute 

Weil wir Bilder und Texte für unsere sozialen Medien versenden müssen, man mit einer norwegischen Telefonkarte 49,- € für 6 Gigabyte zahlen muss, suchen wir ein Fast-Food-Restaurant auf. Dort gibt es freies WLAN mit unbegrenztem Datenfluss. Obwohl wir keine Freunde von solchen Restaurants sind, in dem die Menschen oft ungesunde, frittierte, dick machende Nahrung bekommen, sind wir glücklich. Wir trinken einen Cappuccino und beginnen mit unserer Arbeit. Tanja befüllt Instagram und Facebook, ich schreibe einen Newsletter und veröffentliche unsere Erlebnisse in der Webseite. Als sieben Stunden vergangen sind, erschrecken wir, denn wir haben wegen unserer intensiven Arbeit den Fluss der Zeit nicht bemerkt. „Gott sei Dank müssen wir nicht in solch einem Restaurant arbeiten“, geht es mir durch den Kopf. Schnell packen wir unsere Sachen zusammen und verlassen den Ort in Richtung Oslo. „Macht eigentlich keinen Sinn, noch heute in die Hauptstadt zu fahren“, überlege ich. „Welche Alternativen schlägst du vor?“, fragt Tanja. „Ich habe in Maps.me (Navigationsapp) einen Aussichtspunkt entdeckt. Der ist nur ein paar Kilometer von hier entfernt. Da gibt es bestimmt auch eine Möglichkeit, die Nacht zu verbringen.“ „Dann könnten wir morgen früh frisch und ausgeschlafen nach Oslo fahren“, ergänzt Tanja. „Genau“, bestätige ich und folge der Navigation zum Aussichtspunkt. Nach wenigen Kilometern führt uns die App in eine kleine Nebenstraße, die sich in einen Wald schlängelt. Es dauert nicht lange und der Asphalt wird durch Schotter und Sand ersetzt. Zu unserer Linken liegt das Ufer des Vansjø See, der mit seinen 35,6 km² auf Platz 35 der größten Seen Norwegens liegt. Mit jedem weiteren zurückgelegten Kilometer wird die Landschaft romantischer und einsamer. Häuser und menschliche Zivilisation liegen hinter uns. Der Aussichtspunkt ist nicht zu finden, aber wir fahren trotzdem weiter. „Zum Glück haben wir ein voll geländetaugliches Expeditionsfahrzeug“, sage ich, lege den zweiten Gang ein, um bei einer kleinen Talfahrt die über sechs Tonnen mit dem Motor zu bremsen. Die Terra heult kurz auf und verlangsamt die Geschwindigkeit. Plötzlich verbietet uns ein Verbotsschild die Weiterfahrt. Eine Wegverbreiterung bietet uns die Möglichkeit zum Bleiben. Ich ziehe wenige Meter vor dem Verbotsschild den Zündschlüssel, somit haben wir einen traumhaften Platz für die Nacht gefunden.

Wir packen zwei Dosen von dem grottenschlechten dänischen Bier aus, setzen uns mit Ajaci an das Seeufer und betrachten den Sonnenuntergang. „Ist das schön“, sagt Tanja leise. „Unglaublich, und dass nur ein paar Kilometer weg von der Hauptstraße. Norwegen ist ein wunderbares Land“, schwärme ich einen Schluck von der schrecklichen Plörre nehmend. „Du könntest ja auch Kamillentee trinken“, scherzt Tanja. „Könnte ich, aber da ist mir ein Bier doch lieber, selbst wenn es kein fränkisch gebrauter Hopfensaft ist.“ Nachdem es dunkel wird und ein paar Moskitos um uns herumschwirren, gehen wir in unser Heim. Plötzlich hält ein Geländewagen neben der Terra. „Der wird uns hier doch nicht vertreiben?“, sagt Tanja. „Guten Abend“, begrüßt uns der Mann freundlich. „Ah, sie kommen aus Deutschland. Ich heiße Per Jørgen und wohne am Ende des Weges in einem alten Bauernhaus. Dort ist es wunderschön. Wenn sie möchten, können sie gerne weiterfahren und uns besuchen“, lädt er uns ein. Da wir müde sind und heute nicht noch mal los wollen, lehnen wir dankend ab. „Vielleicht kommen wir morgen früh“, antworte ich. „Sie haben ja ein fantastisches Fahrzeug“, schwärmt er. „Sieht aus, als wäre es ein Sonderbau. So etwas habe ich noch nie gesehen. Damit kann man sicherlich in jedes Gelände fahren.“ „Nicht jedes Gelände, aber mit seinen drei Differenzialsperren und 24 Gängen ist es in der Tat ein ernst zu nehmendes Geländefahrzeug“, sage ich, worauf wir noch ein wenig Fachsimpeln.

Gibt es hier noch Braunbären?“, streift mich ein Gedanke, den ich an Per weitergebe. „Bei uns gibt es kaum noch Bären, aber in Schweden leben sehr viele. Ich bin Jäger und jedes Jahr zur Braunbärenjagd in Schweden. Es sind wunderschöne, sehr intelligente Tiere, den ich all meinem Respekt zolle. Wenn der erste Schnee fällt, bewegen sie sich keinen Meter. Sie wissen, dass sie im Schnee Spuren hinterlassen. Ich töte sie nicht gerne, aber in Schweden nehmen sie geradezu dramatisch überhand. Dieses Jahr hat die Regierung 250 von ihnen zum Abschuss freigegeben. Manche der dort lebenden Samen haben bis zu 90 Prozent ihrer Rentierkälber verloren. Die Bären leben in einem regelrechten Schlaraffenland und schlagen sich mit den Kälbern die Bäuche voll. Wenn wir die Bären nicht dezimieren, verlieren die Samen ihre Existenzgrundlage. Die Natur ist aus dem Gleichgewicht und wir Jäger müssen versuchen, die Balance herzustellen.“ „Dann essen sie bestimmt viel Bärenfleisch?“, möchte ich wissen. „Oh nein. Ich hasse Bärenfleisch, aber die Finnen mögen es sehr gerne. Es gibt sogar Firmen, die Bärenfleisch eindosen.“ „Warum essen sie kein Bärenfleisch?“, wundere ich mich, da wir in der Mongolei selbst mal Bärenfleisch von den dort lebenden Rentiernomaden bekommen haben und es recht gut geschmeckt hat. „Wenn ich dem Bären das Fell abziehe, sehe ich immer wieder große, durchsichtige Würmer, die in dem Fleisch leben.“ „Ah, davon habe ich schon öfter gehört. Sie meinen Trichinen, also Fadenwürmer, die sich im Bärenfleisch befinden und in der Vergangenheit den einen oder anderen Polarforschern das Leben gekostet haben, weil sie rohes Bärenfleisch verzehrt hatten“, werfe ich ein. „Nein, es handelt sich nicht um die Fadenwürmer. Die Würmer, die ich meine, sind für den Menschen nicht gesundheitsschädlich, aber mich graust es davor. Am liebsten esse ich Elch- und Rehfleisch. Das ist sauber und da leben keine Würmer drin“, erklärt Per. Als die Sonne ihre restlichen Strahlen auf die andere Seite der Erde gelenkt hat, verabschieden wir uns. „Es würde mich freuen, euch morgen auf meinem Hof begrüßen zu dürfen“, wiederholt Per seine Einladung. Ich blicke ihm hinterher, bis sich das Licht seiner Autoscheinwerfer im tiefen Wald verliert. Dann steige ich in die Terra um Tanja, die sich schon vor einiger Zeit zurückgezogen hat, von dem interessanten Gespräch und der Einladung zu berichten…

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