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RED EARTH EXPEDITION - Etappe 2

Wasser und Hitze

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    Tag: 100 Etappe Zwei

    Sonnenaufgang:
    05:26

    Sonnenuntergang:
    17:34

    Luftlinie:
    30,8

    Tageskilometer:
    34

    Temperatur - Tag (Maximum):
    40 Grad

Wassernachschub-Camp — 23.09.2001

Um 3 Uhr morgens beginnt für uns die Routine eines weiteren Lauftages. Ich fühle mich krank und matt. Das Laden der Ausrüstung, Lebensmittel und begrenzten Wasserrationen fällt mir heute ungeheuerlich schwer. Tanja kniet im stacheligen Spinifex und öffnet die Hoppeln der Kamele damit sie während des Marsches frei laufen können. Dann bindet sie die Tiere mit den Nackenseilen und Nasenleinen aneinander. Sie geht ihrer täglichen Arbeit schweigend nach. Die Sonne wirft um 6 Uhr 30 bereits ihre heißen Strahlen auf uns nieder und um kurz nach 7 Uhr befinden wir uns auf dem Weg. Nach drei Stunden erreichen wir eine Art Kreuzung. „Ob das die Gary Junction (Gary Kreuzung) ist?“ ,frage ich mehr mich selbst als Tanja. „Keine Ahnung,“ antwortet sie leise. Da unsere Wasservorräte durch die plötzlich zunehmenden Temperaturen drastisch gesunken sind und das nächste Wasserloch ca. 180 Kilometer von hier entfernt liegt dürfen wir uns unter keinen Umständen einen Umweg leisten. Etwas nervös laufe ich herum, um mir ein Bild von den aufeinandertreffenden Staubpisten zu machen. Ich studiere die Karte und vermisse einen Weg der ganz klar eingezeichnet ist. Ist es nun die Gary Junction an der der Gary Highway, der Jenkins Track und die Gary Junction Road aufeinanderstoßen? Plötzlich fällt mein Blick auf ein paar alte, verrostete Benzinfässer die sich unweit von der Karawane neben ein paar unscheinbaren Büschen verstecken. Auf eines der Fässer ist ein kleines Schild geschweißt auf dem von der Gary Junction zu lesen ist. Ich entziffere ein paar unverständliche Entfernungsbezeichnungen nach Alice Springs und Punmu und frage mich wieder ob es die Angaben zur wirklichen Kreuzung oder zu den erwähnten Ortschaften sind? Dann entdecke ich in einem kleinen Stahlkasten, der ebenfalls auf den Deckel des Fasses geschweißt wurde, ein völlig vergammeltes Buch. Ich schlage es auf und bemerke, dass sich hier die Durchreisenden eingetragen haben. „Denis komm lass uns weiterlaufen. Es ist sehr heiß. Wir wollen doch unser Ziel erreichen?“ ,ruft Tanja. Sofort klappe ich das unscheinbare, abgegriffene Buch zu. „Okay, ich komme,“ antworte ich und eile zur Karawane. „Und, ist es die Gary Junction?“ „Ich glaube schon. Ich vermisse nur den in der Karte eingezeichneten Verbindungstrack zum Well 35 (Bohrloch 35) der Caning Stock Route. Vielleicht ist er ja zugewachsen oder ich habe ihn einfach übersehen. Wir folgen dem Track hier. Er führt in Richtung Osten und dürfte zu 99 Prozent der richtige sein,“ sage ich selbstsicher und ziehe die Karawane weiter. Nur eine halbe Stunde später bestätigt sich meine Aussage, denn der Weg führt immer noch in Richtung Jupiter Well, unserem nächsten Ziel. Jeffery James hat mir mit einem Kugelschreiber ein Wasserloch auf der Karte zwischen Kunawarritji und Jupiter Well eingezeichnet aber die Angabe ist so enorm ungenau, dass ich mich nicht darauf verlassen kann. Wir müssen jetzt also 35 Kilometer pro Tag zurücklegen, um das ca. 180 Kilometer entfernte Wasserloch innerhalb der nächsten fünf Tage zu erreichen. Nach einer Überprüfung unsere Wassersäcke heute früh mussten wir feststellen nur noch knapp 130 Liter für diese gewaltige Distanz zu Verfügung zu haben. Bei einem täglichen Verbrauch von 25 Liter eine riskante Sache. Bei 40 Grad im Schatten überlebt man ohne Wasser nur wenige Stunden, bis der Körper zusammenbricht. Jo hat gestern erfolglos versucht Carl noch mal zu erreichen, um die genaue Landschaftsbeschreibung des von Jeffery James angegebenen Wasserlochs zu erfragen. Carl selbst kennt es nicht und wollte sich daraufhin noch mal mit Jeffery unterhalten. Ich hatte Jo von unseren knappen Wasservorräten berichtet aber auch davon das wir uns nicht in unmittelbarer Gefahr befinden zu verdursten. Wenn nichts dazwischen kommt werden wir diese Distanz bewältigen. Wenn es darauf ankam haben Tanja und ich schon öfter in unserem Expeditionsleben große Strecken zurückgelegt. „Ich möchte nicht das Carl extra zu uns herausfährt und Wasser bringt. Ich würde mich wie ein Idiot fühlen der nicht richtig geplant hat. Wie gesagt wir befinden uns in keinem Notfall und sollten wir aus irgendwelchen Gründen unter 30 Liter Wasser kommen und wir immer noch weit entfernt von Jupiter Well sein rufe ich euch über Funk an,“ habe ich Jo erklärt.

Mit etwas mulmigen Gefühl folgen wir dem jetzt weiten Track. Seit geraumer Zeit ist das Land nicht mehr von Buschfeuern heimgesucht und strotz mit saftig grünen Pflanzen. Für die Aborigine von Kunawarritji liegen diese Jagdgründe zu weit und da Kiwirrkurra unter Wasser steht kommen auch keine Aborigine von der anderen Seite in dieses Land, um es bei ihrer Jagd nach den Echsen abzubrennen. Für uns ist diese Tatsache eine Wohltat. Erstens brauchen wir keine Angst mehr zu haben nachts von einem Buschfeuer überrascht zu werden und zweitens ist es für das Auge viel angenehmer und wohltuender keine schwarzgebrannte, trostlose Wüste zu sehen.

Wegen der Hitze setzen wir Rufus wieder seine Schirmmütze auf und er darf auf Hardie reiten. „Er sieht aus wie der Wolf im Schafspelz,“ meint Tanja lachend. Rufus antwortet mit lautem Hecheln und beobachtet von seinem hohen Sitz die Wüste. Immer, wenn er eines der wenig gewordenen Kängurus entdeckt dreht er fast durch und winselt. Durch die hohe Belastung an Körper und Geist geht mir sein Gewinsel regelrecht auf die Nerven. „Halt endlich die Klappe Rufus,“ befehle ich. Am Nachmittag werden die Temperaturen bald unerträglich. Mein Ischiasnerv schmerzt derart, dass ich mich am liebsten in den Schatten einer der raren Büsche werfen würde, um dort für immer liegen zu bleiben. Tanja und ich laufen stumm nebeneinander her. Jedes Wort kostet uns zuviel Energie. Wir hängen unseren Gedanken hinterher und laufen und laufen. Nach 34 Kilometern entdecken wir ein paar Buschreihen. Ich übergebe Tanja die Kamele und untersuche wie so oft ob sich dieser Fleck Erde für ein Camp eignet. Nachdem ich ein paar fressbare Pflanzen für unsere Boys und ein wenig Schatten für uns gefunden habe winke ich Tanja zu die Karawane hierher zu führen. Das Entladen fällt noch schwerer als das morgendliche Beladen. Wir torkeln bald von Kamel zu Kamel, um die gesamte Ausrüstung in das Spinifex fallen zu lassen. Die Wassersäcke allerdings behandle ich wie ein rohes Ei. Vorsichtig lege ich sie zwischen die metergroßen stachligen Grasbüscheln. Obwohl viele der Stacheln das Material nicht durchdringen, langt ein einziger, um den Beutel zu zerstören. Wasser ist unter diesen Bedingungen mehr wert als alles Geld der Welt.

Ich sitze gerade bei meiner Navigationsarbeit als wir ein Auto hören. „Soll ich zum Weg vorgehen?“ ,frage ich müde und bewegungsunfähig. „Aber auf jeden Fall. Vielleicht haben sie ja etwas Wasser übrig,“ antwortet Tanja. So schnell es mein gepeinigter Körper noch zulässt springe ich auf und hetze durch das Buschwerk. Kaum habe ich mir den Weg durch den stacheligen Dschungel gebahnt fährt der Jeep etwa in 300 Meter Entfernung an mir vorbei. Was soll’s, unser Wasser wird schon ausreichen, sage ich mir und sehe der aufgewirbelten Staubfahne hinterher. Ich drehe mich um und bin im Begriff zum Lager zurück zu humpeln als das Allradfahrzeug plötzlich stoppt und umkehrt. „Die suchen uns! ,rufe ich Tanja zu. „Ist es Carl?“ „Keine Ahnung.“ Augenblicke später erkenne ich Carl am Steuer. Seine Lebensgefährtin Cathy winkt mir vom Beifahrersitz zu. Das Auto verlässt den Track und nimmt Kurs in meine Richtung. Lachend begrüße ich Carl, Cathy und ihre Zwillingsschwester Tess. „Ich habe 60 Liter Wasser für euch,“ antwortet sagt Carl mit breitem Grinsen. „Oh das ist ja wunderbar. Vielen Dank.“ „Wo ist denn euer Camp? Ich habe nur die Kamele grasen sehen.“ „Da unten in der Senke hinter der Buschreihe. Ich laufe voraus und zeige dir den Weg.“ Im Camp zeigt Tanja Cathy und ihrer Schwester Tess die Kamele während ich mit Carl das Wasser in unsere Säcke umfülle. Im Laderaum des Fahrzeuges liegen zwei tote Kängurus. „Warst du jagen?“ ,frage ich. „Ja, wir wollten sowieso etwas raus fahren und Cathys Schwester hatte Lust euch kennen zu lernen. Das war eine gute Gelegenheit euch gleich etwas Wasser zu bringen. Jo hat mir am Telefon berichtet, dass ihr etwas knapp dran seit und 50 Liter braucht. Ich habe 60 Liter gebracht.“ „Vielen, vielen Dank. Ich denke wir würden es auch ohne diese Ration schaffen aber jetzt sind wir auf der sicheren Seite. Man weiß ja nie was geschieht und die letzten Monate und Jahre haben uns gelehrt vorsichtig zu sein,“ antworte ich und fühle eine unbestimmte Erleichterung in mir aufkommen. Ich unterhalte mich mit Carl über die Initiationsriten der Aborigines und darüber was es im Dorf an Neuigkeiten gibt. „Ah sie sind heute mit dem Bus zum Baden gefahren.“ „Zum Baden?“ „Ja du weißt schon, da wo der deutsche Tourist sein Auto im Wasser versenkt hat.“ „Ach, das ist ja eine gute Idee. Könnte mir jetzt auch gut vorstellen mitten in der Wüste ein Bad zu nehmen.“ „Nachdem was ich gehört habe brauchst du darauf nicht mehr lange warten. Hinter Kiwirrkurra liegt alles unter Wasser. Vielleicht kannst du dort ein paar Runden schwimmen gehen,“ sagt er und lacht. Wir unterhalten uns noch eine ganze Weile bis sie ihren Rückweg antreten müssen. „In zwei Wochen kommen wir raus und bringen euch die Sättel und die restlichen vier Essensäcke. Wir freuen uns euch dann wiederzusehen. Was haltet ihr davon wenn wir ein Barbecue machen?“ ,fragt Carl. „Eine verdammt gute Idee,“ antworte ich lachend. „Ich kann es gar nicht mehr erwarten,“ sagt Tanja übers gesamte Gesicht grinsend. „Oh ja,“ rufen Cathy und Tess. Wir verabschieden uns wie alte Freunde und kaum sind unsere Besucher verschwunden setzt die Dunkelheit ein. Schnell schnappe ich mir meinen Freund die Schaufel und beseitige für unser Zelt das Spinifex während Tanja in der Thermet Wasser kocht.

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