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Link zum Tagebuch: TRANS-OST-EXPEDITION - Etappe 1

Vorwort: Unbekanntes, gefährliches Russland?

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“Sie werden euch erschlagen, zerstückeln und vergraben”, erzählte uns die aus Russland stammende Putzfrau unseres Fitnesscenters. “Was mit den Fahrrädern durch Russland? Ihr müsst ja verrückt sein. Die Maffia wird euch erst ausrauben und dann umbringen”, warnt ein anderer mit wissendem Blick. “Die können dort alles gebrauchen und werden euch die Räder unterm Hintern stehlen”, hören wir und versuchen uns trotz allem nicht von unserem Vorhaben abbringen zu lassen.

“Nach Russland und Sibirien? Mein Gott, wie wollt ihr die Kälte überleben?” vernahmen wir dann immer wieder. “Passt bloß in den Städten auf. Die Kriminalität dort ist geradezu unglaublich”, warnten uns viele weitere freundlich gesinnte Menschen, worauf unsere festen Vorsätze 20.000 km mit dem Fahrrad von Deutschland über Tschechien, Polen, die Ukraine, Russland, Sibirien und die Mongolei nach China und schließlich auf einem Elefanten durch Burma zu reisen ins wanken gerieten.

“Wisst ihr das Moskau die teuerste Stadt der Welt ist? Auch die anderen Städte in Russland müssen unglaublich teuer sein. 200 bis 400 Euro pro Nacht sind keine Seltenheit. Wie wollt ihr diese Reise finanzieren? Also ich würde mir das noch mal überlegen”, riet uns ein Freund.

“Was, mit dem Fahrrad durch Russland? Das ist unmöglich”, meinte die Frau einer Visabehörde mit herablassendem Unterton. “Aber ich habe schon von erfolgreichen Fahrradreisen durch Russland gehört”, widersprach ich zaghaft und fügte noch hinzu: “Alles ist machbar wenn man nur will.” Ein entnervtes Schnaufen antwortete mir durch die Leitung. “Sie können so viel wollen wie sie wollen, ich glaube nicht dass sie wissen wovon sie sprechen. Wenn sie wirklich planen dieses Land mit dem Fahrrad zu bereisen, benötige ich von ihnen die genaue Route. Einige Bereiche des Landes sind für Ausländer gesperrt. Da dürfen sie nicht hin. Verstehen sie? Militärische Sperrgebiete! Wäre nicht gut wenn man sie dort erwischt. Also, wenn ich von ihnen die exakte Routenplanung habe werde ich bei unseren Kontaktadressen mal nachfragen welche Art von Visa für sie in Frage kommt”, entgegnete die Stimme etwas versöhnlicher.  Nach längerem Hin und Her erfuhr ich, dass unsere geplante Russlandetappe der Trans-Ost-Expedition schon alleine an der nötigen Länge des Visa scheitern würde. Nach meiner Planung benötigen wir mindestens ein Jahr um Russland bis zu Mongolischen Grenze zu durchradeln. Außerdem wollen wir den zugefrorenen Baikalsee im Winter mit den Rädern überqueren und mit Pferden bis zur sibirischen Taiga im Norden der Mongolei vordringen. Dort leben die Tsaatan. Ein Volksstamm der heute noch Rentiere nutzt, um seine Lasten zu transportieren.

Trotz aller Horrorgeschichten bleiben wir aber standhaft, doch weitere Aussagen wie: “In Russland darf man nicht Zelten, sondern muss sich jede Nacht in einem Hotel registrieren lassen.” Oder:  “Auf meiner Russlandtour sind mir mitten im Wald urplötzlich schwer bewaffnete Gestalten begegnet. Auf Grund meiner guten Kontakte zur Mafia wollten sie mit mir Gott sei Dank nur Wodka trinken.” Oder: “Passt bloß auf die Zecken auf. Die sind noch viel gefährlicher als die Mafia. Es dürfte bald unmöglich sein auf eurer Tour von der Borelose verschont zu bleiben. Der gesamte Osten ist mit Zecken verseucht”,  gaben uns zu denken und wir mussten uns fragen ob es nicht unverantwortlich sei trotz aller Ratschläge und Warnungen in das vermeintliche unbekannte, von Zecken, Moskitos, Fliegen, der Mafia und Vorschriften gebeutelte Land zu reisen.

Wie auch immer. Tanja und ich haben uns nicht klein kriegen lassen. Viele der Warnungen haben mit Sicherheit einen wahren Hintergrund. Doch können wir uns nicht vorstellen das Russland nur von Unmenschen bewohnt wird. Letztendlich ist es wie vor jeder Expedition. Unsere Mitmenschen warnen uns aus purer Angst uns zu verlieren. Manche wissen wovon sie sprechen, doch die Meisten haben ihr Wissen von anderen und den Medien, also sind die Aussagen selten fundiert. Oft ist es auch so, dass der Mensch an sich nicht möchte, dass einer ihres Gleichen den gewohnten Lebensraum verlässt, um in der großen weiten Welt nach Abenteuer und Erfahrungen zu suchen. Es ist eigenartig aber manchmal kommt es mir so vor als gilt der Spruch: “Wenn ich es nicht schaffe mich von meinen täglichen Verpflichtungen zu lösen, dann sollst Du es auch nicht.” Wir machen es uns also gegenseitig nicht leicht unseren gewohnten Rhythmus, den gewohnten Lebensraum zu verlassen und gerade darin liegt für Tanja und mich das Spannende, Mystische, die Freude, das Neue, das Lernen und vor allem die Erfahrungen zu machen die weit entfernt jeglicher Oberflächen liegen und nicht selten die Tiefen des eigenen “Ichs” der eigenen “Seele” erreichen.

Aber es geht uns nicht nur um unser “Ich”, um das Reisen in das eigene Innere, sondern auch darum die ewigen Vorurteile von uns Menschen abzubauen. Darum, dass die Menschen hier sagen: “Die dort drüben auf der anderen Seite der Grenze sind gefährlich”, und wenn wir trotz allen Warnungen auf der anderen Seite angekommen sind, wundern diese sich, dass die Menschen von denen wir gerade gekommen sind uns nicht betrogen oder schlimmsten Falls erschossen haben. Jeder schimpft auf jeden und die eigene Religion ist immer die Beste. Während unserer Nachforschungen und Vorbereitungen über die Länder im Osten haben wir auch viel Gutes gehört. Über die herzliche Gastfreundschaft, die Hilfsbereitschaft, die Freundlichkeit, die Lebensfreude, die fantastischen Landschaften und vieles mehr. Mit unserer großen Reise liegt Tanja und mir am Herzen Brücken zwischen Kulturen und Ländern zu schlagen. Aufzuklären und Missverständnisse auszuräumen. Mit unserer großen Reise liegt uns am Herzen auf Mutter Erde aufmerksam zu machen. Das der Planet auf dem wir leben ebenfalls lebt und keine tote Materie ist. Uns liegt es am Herzen, dass unsere Kinder morgen noch Bäume sehen und Vögel zwitschern hören.  Für uns gibt es nichts Besseres als mit unserem  Lebensprojekt, der 30 jährigen Expedition (Die große Reise), aus unserer persönlichen Sicht über die Menschen und Kulturen zu reden und zu schreiben, denen wir begegnen. Wir wollen so ehrlich und direkt wie möglich über unsere Lebensgeschichte, den damit verbundenen Abenteuern und Erfahrungen informieren. Vor allem wollen wir die stellvertretenden Augen für Menschen sein, die in ihrem Leben, aus welchen Gründen auch immer, nicht reisen können. Es macht uns Freude ein positives Steinchen im Mosaik des Lebens sein zu dürfen.

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