Von wilden Hunden gejagt
N 48°31’20.1’’ E 106°03’050.4’’Tag: 39 bis 40
Land:
Mongolei
Ort:
Jurtencamp
Breitengrad N:
48°31’20.1’’
Längengrad E:
106°03’050.4’’
Tageskilometer:
50
Gesamtkilometer:
8.443
Luftlinie Luftlinie:
43
Durchschn. Geschw.
18,3 km/h
Maximale Geschwindigkeit
52 km/h
Fahrzeit Std
2:42
Bodenbeschaffenheit:
teils schlechter Asphalt
Maximale Höhe:
1280 Meter
Sonnenaufgang:
06:36 Uhr
Sonnenuntergang:
21:27 Uhr
Temperatur Tag max:
30 Grad
Temperatur Nacht:
10 Grad
Aufbruch:
9:10 Uhr
Ankunftszeit:
13:30 Uhr
(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)
Um herauszufinden warum mein Akkuverbrauch um ca. 15 % höher liegt als der von Tanja tauschen wir heute die Anhänger. „Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass Ajacis mit seinem Anhänger so viel mehr wiegt als die Technikbox, aber wer weiß. Spätestens nach den ersten 30 km wissen wir Bescheid“, sage ich. Kaum haben wir den Ort hinter uns geht es auf 1.100 m hoch. Weil wir unserem Hund etwas Auslauf geben wollen darf er neben uns rennen. Wegen dem Verkehr ein gefährliches Unterfangen. Ajaci ist es noch nicht gewohnt immer rechts neben dem Rad zu laufen und möchte ab und an auf die Straßenseite springen. „Nein!!!“, rufen wir erschrocken. Ich bremse das schwere Bike und befehle ihm auf der rechten Seite zu laufen. Es kostet viel Konzentration auf den Hund und die vorbeirauschenden Autos zu achten und dabei noch einen Fahrradlastenzug über den löchrigen, teils völlig zerstörten Asphalt zu steuern. Nach zwei Kilometer gebe ich auf. „Wir brauchen eine andere Lösung. Das ist einfach zu gefährlich. Ich sollte es mal mit dem Hüftgurt versuchen“, überlege ich. „Na hoffentlich zieht dich Ajaci nicht vom Rad“, warnt Tanja. „Es wird schon gut gehen“, bin ich überzeugt, packe den Hüftgurt aus, lege ihn an und klicke Ajacis Leine an eine der Ösen. Der Gurt wurde extra dafür gefertigt mit seinem Hund spazieren gehen zu können ohne die Leine ständig in der Hand halten zu müssen. „Wenn das beim Gassigehen funktioniert dann sicherlich auch auf dem Rad“, bin ich mir sicher und schwinge mich in den Sattel. „Auf geht’s Ajaci“, gebe ich das Kommando und trete in die Pedale. Ajaci sprintet sofort los und läuft neben mir her. Wegen der Leine ist er nicht mehr in der Lage auf die Fahrbahnseite zu gelangen oder mir vor dem Reifen zu laufen. „Klappt perfekt“, freue ich mich bis Ajaci die ersten Rinder entdeckt und mich fast vom Rad reißt als er im Begriff ist sie jagen zu wollen. „Bis du verrückt?!“, rufe ich erschrocken. Dann geht wieder alles gut bis er sich überlegt mal ein Häufchen zu machen und deswegen ebenfalls nach recht in die Pampa abzuhauen. „Er muss mal!“, warnt Tanja, worauf ich die Bremsen ziehe und er sein Geschäft verrichten kann. So darf Ajaci zum ersten Mal ca. acht Kilometer neben dem Rad herlaufen. „Hast du gut gemacht“, loben wir ihn und verpacken ihn wieder in seinen Hänger. „Es klappt zwar ist aber trotzdem gefährlich. Auf Dauer brauchen wir eine andere Lösung“, stelle ich nachdenklich fest. „Es gibt ein gutes System welches man an der Sattelstütze befestigt. Wir könnten es von unseren Freunden nach Ulan Bator schicken lassen“, überlegt Tanja.
Obwohl ich heute die Ausrüstungsbox fahre ist wegen der starken Steigung und dem Hundetraining mein Akku bereits nach 20 km leer, während Tanja noch immer Saft im Akku hat. „Kein Wunder. Dein Anhänger war für acht Kilometer leer. Ajaci ist ja neben dem Rad gelaufen. Wenn wir ein richtiges Ergebnis haben wollen muss der Hund im Hänger sein“, stelle ich fest. Kurz vor unserem Tagesziel ist nun nach ca. 30 weiteren Kilometern Tanjas Akku ausgesaugt während ich noch für fünf Kilometer Strom besitze. „Also doch. Es liegt am Anhängergewicht. Ajacis ist offensichtlich viel schwerer als die Ausrüstungsbox“, überlege ich und überschlage laut rechnend das Gewicht erneut. „Die Tasche auf dem Dachträger wiegt bestimmt 20 kg. Ajaci ca. 33 kg. Der Anhänger selber mit Umbau ca. 16 kg. Die Goal Zero Batterie, der Bosch Akku und Hundefutter ca. 10 kg und die drei Nomad 20 Solarpanel ca. 3,5 kg. Alles in allem um die 80 kg. Das ist viel. Denke die Box hat gut 20 bis 25 kg weniger. Das heißt, meine Radtechnik ist auf jeden Fall in Ordnung und ich habe auch nicht weniger getreten als du“, necke ich Tanja und freue ich mich eine vermeintliche Fehlerquelle eliminiert zu wissen.
Es ist mit 30 Grad im Schatten und den vielen Bergen bis über 1.100 m Höhe ein anstrengender und heißer Tag. Auf einer Passhöhe, am Ovol, legen wir eine kurze Rast ein. Viele Autos und Lastwägen brausen vorbei. Unter anderem 20 Oldtimer aus Frankreich, die sich mit einem Abschleppwagen und einem Servicefahrzeug auf dem Weg von Paris nach Hongkong befinden. Fast alle Beifahrer der Oldtimerrally strecken ihre Kameras aus dem Fenster um unsere Fahrradroadtrains abzufotografieren und abzufilmen. Wir winken ihnen zu und steigen wieder in die Sättel um unsere Bikes in das weitläufige Tal rauschen zu lassen. Ich folge gerade Tanja als zwei riesige, aggressive Hunde laut bellend über eine Böschung auf uns zustürmen. Da wir gerade mit ca. 35 km/h den Berg hinabrollen mache ich mir keine Sorgen von ihnen erwischt zu werden. Jedoch weit gefehlt, denn sie kommen mir beängstigend schnell näher. Da Tanja direkt vor mir fährt und offensichtlich nichts von der heranrasenden Gefahr mitbekommt, kann ich nicht beschleunigen. „Gib Gas! Schneller! Um Gottes Willen fahr schneller!“, brülle ich aus Leibeskräften gegen den Fahrtwind als eine der Bestien kurz davor ist mir in die Wade zu beißen. Tanja reagiert blitzartig und beschleunigt ihr Gefährt auf 50 km/h. Ich ziehe wild tretend und im Gang 14 nach. Sofort gewinnen wir Abstand von den zwei Jägern die sich offensichtlich einen Spaß daraus machen wehrlose Radfahrer anzufallen. Da Tanja während unserer letzten Mongoleiexpedition zweimal von Hunden gebissen wurde und wir im Laufe unseres Aufenthaltes in dem Land viel Erfahrung mit den mongolischen Hütehunden gemacht haben, wissen wir das solche Attacken böse ins Auge gehen können. Ich bin wirklich froh, dass uns die Vierbeiner attackierten als wir gerade bergab fuhren und möchte gar nicht darüber nachdenken wenn uns solche Scheißer während einer Bergauffahrt angreifen.
Am späten Mittag erreichen wir das große Schild an der Hauptstraße welches einlädt unter luxuriösen Bedingungen einen Kurzurlaub einzulegen. Auch hier stoppten wir während unserer letzten Radreise durch die Mongolei. Allerdings war es damals Mitte Oktober schon sehr kalt. Wir waren völlig ausgefroren und wegen den Anstrengungen kräftemäßig am Ende. Der Aufenthalt in dem ca. sechs Kilometer von der Straße entfernt liegende Resort war für uns unvergesslich, weshalb wir uns schon seit Tagen darauf freuen hier wieder ein wenig relaxen zu können. „Wir rufen besser mal an. Wer weiß, vielleicht sind sie ausgebucht oder die Preise haben sich verdoppelt. Ich habe keine Lust sechs Kilometer über die Schotterpiste bergauf zu fahren nur um zu erfahren dass sie ausgebucht sind“, sage ich. „Das Zimmer kostet 210.000 Tugrik“, (93,- €) verschlägt es uns Augenblicke später die Sprache da so ein Übernachtungspreis unser Budget sprengt. Als ich mehrfach nachfrage ob es auch andere Zimmer gibt und das Mädchen mich nicht versteht was ich meine beendet sie abrupt unser Gespräch. „Sie hat einfach aufgelegt“, meine ich verärgert. „Wenn du willst fahren wir weiter“, schlägt Tanja vor. „Soweit ich mich erinnere kommt die nächste Unterkunft erst in 40 oder 50 Kilometer“, antworte ich müde. „Die haben bestimmt auch billigere Zimmer. Wenn wir uns das dass letzte Mal leisten konnten klappt es auch diesmal“, überzeugt mich Tanja worauf wir unsere Bikes auf die grobe Schotter- und Erdpiste lenken und den Berg bis auf 1.280 hinauffahren.
Tatsächlich lag es an den Verständigungsproblemen, denn wir bekommen eine wunderschöne große Jurte mit vier Betten für 90.000 Tugrik (38,- €) die Nacht. Das ist zwar noch immer ein hoher Preis aber für das fantastische Ambiente, in dem das Resort liegt, gerechtfertigt. Wir schieben gerade unsere Räder über eine saftige Wiesenfläche zur Jurte als Ajacis Anhänger erneut zur Seite kracht. Ich stelle meinen Bock auf den Ständer und rase Tanja zu Hilfe. „Er ist einfach gekippt. Ich kann nichts dafür“, verteidigt sie sich sofort. „Ja, ja. Das glaube ich dir. Wenn Ajaci nicht drin sitz ist er wegen der schweren Tasche auf dem Dachträger kopflastig“, stelle ich fest. „Na da haben wir ja Glück gehabt das uns der Hänger hier auf der Wiese gekippt ist. Stell dir vor das wäre im Straßenverkehr geschehen während Ajaci neben deinem Rad herläuft“, sagt sie. Nur bei dem Gedanken stellen sich meine Haare auf. „Ohne Zweifel, wir hatten tatsächlich viel Glück. Hätte nicht gedacht, dass der Hänger so leicht kippt. Da reicht ja ein kleiner Stein aus um ihn auf die Seite zu werfen“, überlege ich während ich versuche das verbogene Schutzblech wieder in Form zu bringen. „Wenn Ajaci in Zukunft neben dir läuft muss die Tasche vom Dachträger in den Hänger geladen werden“, schlägt Tanja vor. „Ja, denke das wird funktionieren“, gebe ich ihr Recht.
Am Abend sitzen wir vor unserer Jurte und werfen ein paar Bälle für Ajaci der ihnen mit großer Freude hinterher jagt um sie zu fangen. Wir genießen den Blick in das weite Tal. Rinder- und Schafherden grasen friedlich auf den saftig grünen Weiden. Kamele ziehen nur ein paar hundert Meter von uns entfernt vorbei. Vereinzelnde Jurten strecken ihre weißen Dächer wie Pilze aus dem endlosen Grün. Die Häupter der entfernten Berge werden von einer kleinen Gruppe feehenhafter Cumuluswolken gekrönt. Auf dem Hügel direkt hinter unserer mongolischen Behausung thront ein weißer Schamane, der im Begriff ist seine heilige Trommel zu schlagen und dabei in den blauen Himmel Blickt, um seine Ahnen, die Götter und Geister zu befragen. Die große Statue scheint über uns zu wachen und meine Gedanken fliegen augenblicklich in die Vergangenheit als wir in der arktischen Taiga mit den Rentiernomaden schamanische Zeremonien erlebten. „Do dong! Do dong! Do dong!“, ertönte damals unaufhörlich die Trommel. Der tanzende Schamane krümmte sich, sein Körper bog sich nach vorne und hinten. Sein Kopf schien in der Trommel zu verschwinden. „Uhuu! Uhuu!“, ertönte sein Schrei urplötzlich. Auf der anderen Seite der kleinen dunklen Holzhütte saßen vier oder fünf Frauen. Von Zeit zu Zeit sprachen sie aufgeregt. „Wer sind diese Frauen?“, fragte ich die Schamanin Saintsetseg die neben mir saß. „Das sind Verwandte von uns. Sie sind gestern für das Ritual extra angereist. Gamba hält diese Zeremonie für sie ab“, erklärte sie. „Und warum sprechen sie manchmal so aufgeregt?“, interessierte es mich. „Sie fragen den Geist, mit dem der Schamane gerade in Kontakt getreten ist.“ „Und sie bekommen Antworten?“ „Aber ja. Der Geist spricht durch Gambas Mund“, hörte ich erstaunt.
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