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Mongolei/Ulan Bator MONGOLEI EXPEDITION - Die Online-Tagebücher Jahr 2011

Visa, Pakete, bettelnde Kinder und Mormonen

N 47°55'513'' E 106°55'559''
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    Tag: 10-11

    Sonnenaufgang:
    05:30 Uhr/05:32 Uhr

    Sonnenuntergang:
    20:26 Uhr/20:24 Uhr

    Temperatur – Tag (Maximum):
    31 °C

    Temperatur – Tag (Minimum):
    22 °C

    Temperatur – Nacht:
    20 °C

    Breitengrad:
    47°55’513“

    Längengrad:
    106°55’559“

    Maximale Höhe:
    1315 m über dem Meer

Die Tage vergehen rasend schnell. Wir arbeiten jeden Tag von morgens bis spät abends, um alles so rasch wie nur möglich zu organisieren. Während Tanja mit Tagi wieder bei den Behörden ist, um den Arbeitsausweis abzuholen, sitze ich hier und speise die Bilder von gestern in den Computer. Das ist massiv viel Arbeit. Ob wohl ich mit dem Archivierungsprogramm schon seit Jahren arbeite ist es seit dem neuen Update wieder anders und gewöhnungsbedürftig. In diesen Tagen denke ich oft an meine frühen Reisejahre zurück in denen es keine Computer gab. Im Vergleich zu heute war das ein wahrer Segen. Sobald wir damals im Ausland verweilten hatten wir kaum noch Kontakt zur Heimat. Um zum Beispiel von Indien nach Deutschland zu telefonieren mussten wir bei der Hauptpost ein Gespräch anmelden. Mindestzeit waren drei Minuten. Die Minute kostete ungefähr 3,- oder 4,- US$. Also telefonierten wir wegen den hohen Kosten sehr selten. Geschrieben habe ich schon damals sehr viel, um alles was wir erlebten und erfuhren zu dokumentieren. Nur nutzte ich dazu einen Füller, ein kleines Tintegläschen und schlechtes Papier. So füllte ich meine ersten sieben Bücher. Heute sitze ich mit einem Hightechlaptop da, muss verschieden Programme beherrschen und haue in die Tasten. Auf der einen Seite ein Vorteil weil mir die Tinte nicht eintrocknet, auf der anderen Seite ein massiver Nachteil weil ich immer Strom benötige und weil Laptops und die dazugehörige Technik hoch sensibel und teuer sind. Nun ja, die Zeit verändert sich auch in diesem Bereich rasend und wer nicht mit ihr geht bleibt stehen. Stillstand bedeutet zweifelsohne Rückschritt und da Tanja und ich Freude dabei haben immer einen Schritt vor den anderen zu setzen, um für uns unerforschtes Neuland zu entdecken und dabei unaufhörlich zu lernen, gehen wir mit dem Fortschritt und wehren uns nicht dagegen.

Zum Frühstück bereitet mir Tanja oftmals leckere Pfannkuchen. Mit dem Bewusstsein bald solche Köstlichkeiten für sehr lange Zeit nicht mehr zu bekommen, genieße ich sie mit großem Appetit. Heute brechen wir schon früh auf um uns mit Tagi bei der Einwanderungsbehörde zu treffen. Zu unserer großen Freude haben wir jetzt nach 1 1/2 Jahren Arbeit endlich unsere wertvolle Arbeitsgenehmigung in der Tasche. Jetzt geht es nur noch darum sie bei der Einwanderungsbehörde vorzuzeigen um das ersehnte Jahresvisum zu bekommen.

Wie bei der Zulassungsstelle für KFZ in Deutschland müssen wir eine Nummer ziehen, um uns dann an einem der vielen Schalter anzustellen. Leider achten viele Mongolen nicht auf die Nummern und drängeln sich einfach vor. Auch den einen oder anderen Beamten scheint die Nummer nicht all zu wichtig zu sein und bedienen die Drängler. „Wir machen es auch so“, entscheide ich und stelle mich nun an einen Schalter an dem eine viel niedrigere Nummer im Display steht als ich in der Hand habe. „Bitte warten sie bis ihre Nummer in der Anzeige erscheint“, meint nun der Staatsdiener etwas säuerlich und deutet mit dem Zeigefinger auf die große elektronische Anzeige. Ich verkneife mir es mit ihm über Recht und Unrecht zu diskutieren und wir stellen uns wieder hinten an. Eine Stunde später kommen wir dran. Mit Stolz und doch etwas nervös reichen wir dem Herren hinter der Glasscheibe all unsere Papiere. Es folgt ein kurzer prüfender Blick auf das Papierwerk und in unsere Gesichter. „Gehen sie bitte zur Bank und zahlen pro Person 76.000 Tugrik (44,- €) ein“. „Wo ist denn die Bank?“, frage ich. Dort drüben“, sagt er freundlich auf einen Nebenraum deutend. Erleichtert nicht wieder in die Stadt fahren zu müssen machen wir uns in den Nebenraum auf. Wir überreichen die Papiere die uns der Beamte gegeben hat und zahlen 152.000 Tugrik (88,- €). Wenn man bedenkt, dass man in der Mongolei für 180.000 Tugrik einen Monaten arbeiten muss ist das ein weiteres kleines Vermögen.

Mit dem Einzahlungsbeleg suchen wir einen weiteren Nebenraum auf. Dort werden wir, obwohl wir bisher mindestens je vier Passbilder abgegeben haben, erneut fotografiert. Dann wird jeder unserer 10 Finger gescannt und unter dem gerade gemachten Bild im Computer gespeichert. Mit dem Ausdruck unserer Fingerabdrücke und Bild maschieren wir wieder zu dem Schalter. Geduldig warten wir bis uns der Beamte auffordert unsere Pässe, den Einzahlungsbeleg und die neuen Unterlagen abzugeben. „Sie können ihre Pässe in zehn Tagen abholen“, hören wir erfreut und erschrocken zur gleichen Zeit. „In zehn Tagen? Geht das nicht früher? Wir müssen dringend aufbrechen“, fragen und bitten wir. „Wohin müssen sie?“, möchte er wissen. „In die Kleinstadt Mörön zu unserem Arbeitgeber“, antworten wir, denn wir halten es nicht für sinnvoll von unserer Expedition zu sprechen. „Gut, für den Eilservice müssen sie 12.500 Tugrik (7,- €) bezahlen, dann können sie ihren Pass in fünf Tagen abholen“, hören wir und sind erleichtert. Wir sind gerade im Begriff den Schalter zu verlassen als der Mann fragt: „Was machen sie eigentlich in Mörön?“ „Dort ist unsere NGO für die wir arbeiten.“ „Was ist das für eine NGO?“ „Sie arbeitet für bessere Bedingungen in den Gefängnissen der Mongolei, für die Wiedereingliederung der Strafgefangenen in die Gesellschaft und weitere soziale Projekte. Wir unterstützen diese NGO in dem wir über diesen Bereich der Mongolei berichten“, erzähle ich. Der Beamte sieht uns an, lächelt ein wenig und sagt uns das wir unter diesen Bedingungen keine Servicegebühr bezahlen müssen.

Als wir uns auf dem Rückweg in die Innenstadt befinden ruft Ganbold an. „Es sind zwei weitere Pakete angekommen. Wenn ihr möchtet können wir uns in einer halben Stunde an der Hauptpost treffen um sie gemeinsam abzuholen“, bietet er an. „Läuft ja großartig. Jetzt bekommen wir unser Jahresvisum und zwei weitere Pakete sind da“, juble ich während der Bus sich auf einer unasphaltierten, Lehmschotterpiste in Richtung Stadt quält. Der feine Staub und Rauch der verschiednen Industrieschlöte dringt in den heißen Bus. Die Menschen husten und spucken. Kein Wunder das hier in U.B. viele Menschen an Allergien und Augenkrankheiten leiden. Durchgeschüttelt und völlig verstaubt kommen wir an der Hauptpost an. Die Beamtin möchte für die Pakete 100,- € Zoll. Ganbold streitet mit der sturen und ärgerlichen Frau. Dann muss er eine schriftliche Bestätigung abgeben die Ware nicht weiterverkaufen zu wollen und bekommt die Pakete für 50,- €. Wir zahlen und bringen die weit gereiste Fracht in unsere Wohnung. Als Dank geben wir Ganbold 55.000 Tugrik (32,- €) die er gerne nimmt. Auch wenn in der Mongolei vieles billiger ist als in Deutschland, knappern die laufenden Kosten schon frühzeitig an unserem Budget. Noch stehen die größeren Investitionen wie Pferde, Pferdewagen, Gehälter für unsere Begleiter, Nahrung, Jurte für den Winter und so weiter, aus. Wir müssen darauf achten finanziell die Übersicht zu behalten.

Bevor ich mit Tagi und Ulzii wieder losziehe um weitere Besorgungen zu machen, öffnen wir die Pakete und freuen uns über die Nahrung von Rapunzel und die Energiebox von Tedilo. Jetzt müssten wir unsere gesamte Technik mit Solar und dem geschickten Windrad laden können“, sage ich und checke den Inhalt. Sogleich lege ich zwei Solar-Panel auf den Balkon und schließe sie an die Energiebox an die Gedatt, der Inhaber von Tedilo, extra für uns gebaut hat. „Sieht gut aus“, sage ich zu Tanja als die Ladeleuchten aufblinken.

Wenig später ziehe ich wieder los. Da es schon Nachmittag ist und unsere Begleiter Tagi, Ulzii und ich den ganzen Tag noch nichts zu essen hatten, lade ich sie in ein kleines Restaurant ein. Kaum wird das Essen gebracht, kommen arme Straßenkinder herein um zu betteln. Tagi schickt sie weg aber keiner der acht bis zwölfjährigen Jungs reagiert. Sie nähern sich langsam unserem Tisch, starren hungrig auf die dampfenden Teller und halten ihre Hände auf. Mir ist bewusst, dass es absolut falsch wäre hier meinen Geldbeutel aufzumachen, um den Kindern etwas zu geben. Damit ist ihnen nicht geholfen weil das Geld oftmals von den Eltern für Alkohol ausgegeben wird. Es gibt soziale Organisationen in U.B. und in der Mongolei die sich um die Verbesserung der Lebensbedingungen der Ärmsten kümmern. Da wäre eine Unterstützung angebracht. Aber hier und jetzt? Verlegen schaue ich auf meinen Teller und spüre die Blicke der kleinen Straßenbande. Im Augenwinkel sehe ich abgerissenen Kleider und ihre schmutzigen Gesichter. Die meisten von ihnen leben im Kanalsystem der Stadt. Vor allem im Winter überleben sie dort unten durch die undichten Fernheizungsrohre. Ich blicke in den Raum um zu sehen wie die Einheimischen reagieren. Keiner scheint Notiz von den Kids zu nehmen. Jeder isst gemütlich sein Mittagessen. Plötzlich fühlt sich ein Mongole anscheinend gestört und brüllt etwas für mich Unverständliches. Sofort wirbeln die armen Wesen nach draußen und sind verschwunden.

Ulzii und Tagi führen mich dann in eine Art Kaufhaus in dem alles mögliche für Autos feilgeboten wird. In dem großen Gebäude befinden sich unzählige kleine Läden. Jeder hat einen anderen Besitzer und jeder bietet irgendetwas an. In so einem winzigen Geschäft sind Autobatterien bis zur Decke aufgetürmt. Durch Tagis Übersetzungskünste bringe ich es fertig eine 80 Amp. Auttobatterie zu kaufen die wir als Absicherung zu unserer Energiebox benötigen. Da das Ding bleischwer ist tragen wir sie abwechselnd durch die Stadt. Während weiterer Einkäufe, wie zum Beispiel Gas für meinen kleinen Gaslötkolben, Elektrozange, Isolierband, Silikon zum Abdichten der Zargesbox usw. klingelt immer wieder Tagis, Ulziis oder mein Handy. „Oh das ist gut“, sagt Tagi. Ein Freund hat Zeit um euch und die Ausrüstung mit seinem Minibus nach Erdenet zu bringen“, meint er zufrieden das eben geführte Gespräch beendend. „Was möchte er für die Fahrt?“, interessiert es mich. „264.000 Tugrik (151,- €) inkl. Diesel“, antwortet Tagi. Da alle anderen bisherigen Angebote bei 300.000 Tugrik und mehr lagen, ist das ein guter Preis. Kaum haben wir die Batterie und die anderen Einkäufe zu unserer Wohnung geschleppt taucht auch schon der Fahrer mit seinem Minibus auf. „Mein Name ist Tsag“, stellt der Fahrer sich in sehr gutem Englisch vor und zeigt uns seinen Minibus. „Na die Reifen sehen nicht gerade vertrauenswürdig aus“, meine ich auf das völlig abgefahrene Profil deutend. „Oh das ist kein Problem. Ich habe einen Ersatzreifen dabei. Abgesehen davon fahre ich aus Sicherheitsgründen nur Reifen mit Schlauch. Da geht die Luft nicht so schnell raus“, versucht uns der freundliche Tsag zu beruhigen. „Meinst du wir können mit so einem Auto 400 Km durch die Mongolei fahren?“, wundert sich Tanja. „Glaube nicht dass die anderen Minibusse besser aussehen. Denke das der Mann und sein Fahrzeug okay sind“, antworte ich. Während des weiteren Gespräches mit Tsag stellt sich heraus dass er zwei Jahre als Missionar in Russland gearbeitet hat und ebenfalls wie Tagi bekennender Mormone ist. Wir vereinbaren unsere Abfahrt von U.B. in sechs Tagen für 9:00 Uhr früh. „Ich werde euch nach Erdenet begleiten und helfen gute Pferde zu finden“, sagt Tagi. „Oh das wäre fantastisch. Mit deiner Übersetzung wird das viel leichter gehen“, freue ich mich.

Nach dem langen Tag der Organisierens gehen wir am Abend zur Piano Lounge wo heute der Deutsche Botschafter offiziell verabschiedet wird. Wir sind mit die ersten Gäste und finden in der modernen Bar einen netten Platz. Später spricht uns ein junger Mann an. „Seit ihr nicht die bekannten Abenteurer?“ „Woher kennen sie uns?“, wundert es mich. Er berichtet, dass sich in der Mongolei vieles schnell herumspricht. Im Laufe des interessanten Gespräches erfahren wir, dass er seit zwei Jahren hier ist, bei der Bank arbeitet und heute Abend die Verabschiedung des Botschafters moderiert.

Als der Botschafter Herr Fischer kommt wird er mit Applaus empfangen. Es gibt viele Dankesreden. Dann besucht er jeden Tisch um mit den Anwesenden ein paar Worte zu wechseln. „Und was treibt sie in die Mongolei?“, möchte er wissen. Wir berichten von unserem Vorhaben worauf er plötzlich sehr interessiert zuhört. „Ein wunderbares Leben führen sie da. Falls sie Hilfe benötigen rufen sie mich an“, bietet er uns an und reicht uns seiner Visitenkarte. Als wir dann gehen wollen hält uns noch kurz der Präsident der Mongolisch-Deutschen Brücke auf und möchte unseren Kontakt. „Wenn sie wieder in U.B. sind rufen sie mich bitte unbedingt an. Ich bin sehr interessiert welche Erfahrungen sie in meinem Land sammeln“, sagt er.

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