Versteckte Abzocke
N 49°01'802'' E 104°01'571''Tag: 19
Sonnenaufgang:
05:51 Uhr
Sonnenuntergang:
20:26 Uhr
Gesamtkilometer:
400
Temperatur – Tag (Maximum):
23 °C
Temperatur – Tag (Minimum):
17 °C
Temperatur – Nacht:
15 °C
Breitengrad:
49°01’802“
Längengrad:
104°01’571“
Maximale Höhe:
1415 m über dem Meer
Am Morgen bereitet Tanja für alle Pfannkuchen und die Nudeln von gestern Abend. Obwohl die Mongolen gerne Fleisch zum Frühstück essen kommen die Pfannkuchen zu meinem Bedauern verblüffend gut an. Naraa hat alles was sie an Essen zu bieten hat auf den Tisch gestellt und jeder Gast nimmt sich aus dem gleichen Teller oder Schüssel mit der gleichen Gabel. Empfindlich darf man hier also nicht sein. Wir haben davon gehört, dass viele der Mongolen Gelbsucht haben. Kein Wunder. Auf diese Weise der gemeinsamen Schüssel und des oftmals gleichen Bestecks können sich die Viren ungeniert verbreiten. Wir hoffen auf unsere Abwehr und versuchen soweit möglich unsere eigenen Teller, Schüsseln und Besteck zu nutzen. Wir haben allerdings keine Ahnung wie sich das auf unserer Reise in den Jurtencamps durchführen lässt.
Ich frage Tsaagaan wann er mit dem Bau des Pferdewagens beginnen kann. „Ich habe kein Werkzeug. Wenn ich welches hätte könnte ich sofort anfangen“, erschreckt uns seine Aussage, da der Bau des Pferdewagens eine der wichtigsten Bedingungen seiner Einstellung war. Tanja und ich sehen uns überrascht an. Wir beraten eine Weile und kommen zu dem Schluss, dass es jetzt keinen Sinn ergibt sich hier herumzustreiten. „Ich hoffe Tsaagaan ist besser als er sich uns gerade zeigt. Gestern hat er beim Pferde- und Wagenkauf kaum einen Finger krumm gemacht und heute sagt er so ganz nebenbei kein Werkzeug zu haben. Hätte er sich diesbezüglich schon während des Einstellungsgespräches geäußert, hätten wir uns sicherlich für Bilgee entschieden“, meine ich. „Das hat er garantiert gewusst“, vermutet Tanja. „Okay, dann müssen wir jetzt einen Schreiner finden“, entscheide ich. „Mein Nachbar ist ein sehr guter Schreiner und sein Sohn hat sogar ein Auto mit dem er euch bestimmt gerne herumfährt“, schlägt die liebenswerte Naraa vor.
Da der Minibus von Ulziis Bruder angeblich kaputt ist kommt Naraas Vorschlag genau zum richtigen Zeitpunkt. Es dauert auch nicht lange und der Sohn des Nachbarn steht mit seinem heruntergekommenen Kleinwagen vor Naraas Blockhütte. Bevor wir uns aufmachen, um mit ihm nach guten Reitpferden zu schauen, begeben wir uns auf die Suche nach einem alten Hirten der hier irgendwo leben soll. Er möchte uns eines seiner Pferde verkaufen. Ulzii hat auf für uns ungeklärte Weise Kontakt zu ihm bekommen. Mit positiver Energie geladen und zuversichtlich heute die richtigen Pferde zu finden starten wir den Tag. Das schrottreife Auto knarrt und stöhnt aus jedem Blechwinkel und jedem Scharnier als wir über die Schotter- und Lehmpisten durch die Gassen fahren, um den Wohnort des Hirten zu finden. Mühselig arbeiten sich die vier Räder über den groben Untergrund der eher für ein Geländefahrzeug geeignet ist als für so eine kaputte Kiste. Nach einer halben Stunde sind wir erfolgreich und entdecken das Haus des alten Mannes. „Wie soll denn der noch ins Auto passen?“, frage ich. Die Frage beantwortet sich schnell. „Ich setze mich auf deinen Schoß“, meint Tanja und kommt nach vorne. Das Auto ist allerdings so klein, dass Tanja mit ihrem gesamten Gewicht auf meinem Magen sitzt der mich wegen der Kostumstellung schon seit Tagen plagt. „Das geht unmöglich“, stöhne ich worauf sich Tanja dann mit Taagii, dem alten Mann und Ulzii auf die kleine Rückbank quetscht. Bevor wir zu dem Jurtencamp des alten Nomaden in die hügelige Steppe fahren, wollen wir erst noch mal den Tiermarkt aufsuchen. Es dauert allerdings nicht lange und wir sind uns alle einig an diesem Ort keine tauglichen Tiere für eine Expedition kaufen zu können. Außerdem hat uns der gestrige Tag gezeigt, die Pferde auf dem Land günstiger zu bekommen. Bevor wir uns mit dem Schrottgefährt, dessen Armaturen von seinem etwa 21 Jahre jungen Besitzer unaufhörlich poliert werden, auf den Weg machen, setzen wir Tanja erstmal in einem öffentlichen Internetschuppen ab. „Wenn ich die Mails gecheckt habe, könnt ihr mich ja wieder abholen“, sagt sie. In der Zwischenzeit suchen wir den Vater unseres Fahrers auf. Ich folge Taagii und dem Fahrer durch ein Gewirr von Gängen eines Gebäudes in dem es unzählige Geschäfte gibt. In einem der kleinen Schuhläden treffen wir auf den Mann. Er verkauft moderne Wander- und Treckingschuhe aus Russland und China. „Ist das sein Geschäft?“, frage ich Taagii. „Denke schon“, antwortet er und berichtet mir das einige Mongolen mehrere Jobs haben. Ich erkläre im Detail wie ich mir den Pferdewagen vorstelle und frage am Ende des Gespräches was das kosten wird. „Ach gib mit was du denkst“, sagt er. Seitdem wir in der Mongolei sind hören wir diese Aussage immer wieder. Mittlerweile wissen wir auch warum. Dies hat in keiner Weise etwas mit Großzügigkeit oder Bescheidenheit zu tun denn die Mongolen wissen das wir aus einem reichen Land kommen und erwarten daher dementsprechend fürstlich bezahlt zu werden. Viele Touristen haben keine Ahnung wie viel in der Mongolei verdient wird und geben anscheinend große Trinkgelder die hier gleich mehreren Tageslöhnen gleich kommen. Für uns heißt das sehr darauf achten zu müssen nicht völlig ausgenommen zu werden. Immer wenn wir für ein paar Stunden Arbeit einen oder zwei Tageslöhne zahlen reicht das am Ende nicht und es wird nach verhandelt oder die Menschen sind schlichtweg beleidigt wenn wir nur den vereinbarten Preis bezahlen. Für Tanja und mich also keine einfache Situation. Deshalb haben wir es uns angewöhnt gleich von Anfang an den richtigen Preis zu fixieren. Zumindest denken wir auf diese Weise spätere Schwierigkeiten umgehen zu können. „Ich muss wissen was du am Tag verlangst?“, frage ich. „Hm, ein Arbeiter am Bau verdient 20.000 Tugrik (11,50 €)am Tag. Ich möchte weniger und zwar nur 15.000 Tugrik“, (8,60 €) sagt er bescheiden lächelnd. Mir ist bekannt, dass sich die best bezahlten Jobs des Landes auf dem Bau und in den Minen befinden. Meist für Facharbeiter. Daher sind 20.000 Tugrik über dreimal so hoch wie ein Durchschnittseinkommen. Mit seinem bescheidenen Angebot von 15.000 Tugrik liegt er über zweimal so hoch wie das Gehalt eines Normalverdieners. Trotzdem möchte ich nicht herumhandeln und sage zu. „Hast du das Werkzeug um so einen Wagen bauen zu können?“, frage ich sicherheitshalber. „Ja, habe ich aber ich brauche zwei weitere Leute die mir beim Bau helfen und die das gleiche bezahlt bekommen“, meint der Mann so ganz nebenbei als würde er sich gerade eine Zigarette anzünden. „Mit dir drei Leute? Und wie lange braucht ihr für den Job?“ „Zwei Tage. Außerdem musst du den Treibstoff für den Lastwagen zahlen den wir benötigen um die Teile zu kaufen und natürlich alle Materialien inklusive Schweißdraht“, erschreckt er mich. „Was soll das kosten?“ „Nur den Sprit und das Gehalt für den Fahrer. Den Preis der Materialien kann ich erst sagen wenn wir sie kaufen“, sagt er. Ich schlucke, zucke meinen Taschenrechner und überschlage die Kosten. „Das wird ein verdammt teurer Pferdewagen“, meine ich und weis erst nicht wie ich reagieren soll. Schon gestern Abend hatten wir zwei Schreiner aufgesucht die leider so beschäftigt waren, dass sie nicht mal danach fragten was wir zahlen oder nicht zahlen. Und jetzt haben wir einen der mich ganz einfach mal so über den Tisch zieht. „Wann kannst du anfangen?“ „Wenn du möchtest morgen.“ „Gut dann bekommst du den Job“, entscheide ich kurz entschlossen um keine weitere Zeit zu verlieren.
„Ein Hirte hat mir erzählt, dass er am Stadtrand gut Pferde für euch hat“, meint Taagii auf dem Weg zum Internet. Da Tanja noch nicht fertig ist entscheiden wir uns schnell mal hinzufahren. Wir machen einen Abstecher bei den Fuhrleuten, um ihnen die versprochene Anzahlung von 300.000 Tugrik (172,-€) zu geben. Um sicher zu gehen frage ich nach dem zweiten Pferdegeschirr welches nach gestrigem Gespräch im Preis inklusive war. Plötzlich wollen sie davon nichts mehr wissen. Es kostet mich große Mühe den alten Verhandlungsstand wieder herzustellen. Dann schüttle ich den beiden Verkäufern erneut die Hände und hoffe mich diesmal darauf verlassen zu können. „Nur die Nerven bewahren“, flüstere ich und beginne mich zu fragen was uns wohl geritten hat hier in der Mongolei eine Pferdeexpedition auf die Beine stellen zu wollen.
Bevor wir mit der alten Kiste die Stadt hinaus humpeln kaufe ich im Supermarkt für die gesamte Mannschaft Orangensaft. Besonders dem alten Mann, der uns die gesamte Zeit klaglos begleitet, schmeckt das Getränk sehr gut. Dann schnaufen wir mit dem voll besetzten Gefährd einen mit kurzem Gras bewachsenen Hügel hoch. An einer Jurte halten wir. Tatsächlich werden wir von einem Hirten namens Ulaanaa erwartet. Wie der Pferdeverkäufer gestern deutet auch er auf ein dahingaloppierendes Pferd in einer großen Herde. Wieder sage ich das Pferd sehen und reiten zu müssen. Der Nomade schwingt sich darauf hin in den Sattel. Auch er ist mit dem lanzenähnlichen Ding ausgerüstet an dessen Ende sich eine große Schlinge befindet. Aus dem Stand galoppiert der Mann los das uns die Erdfetzen um die Ohren fliegen. Mit offenem Mund bestaune ich die besten Reitkünste die ich je gesehen habe. Der Nomade fliegt mit seinem Pferd in die wild davon rasende Herde. Mit seiner Lanze im Anschlag jagt er einem hellbraunen Hengst hinterher. Er legt sich in die Kurve als hätte sein Reittier Spikes an den Hufen. Solch eine Schräglage kannte ich bisher nur von Motorcrossfahrern. Der Hellbraune ist voller Kraft und Adrenalin. Er läuft im Zickzack und möchte unter keinen Umständen seine Freiheit verlieren. Sein Verfolger jedoch lässt sich nicht im Geringsten davon beeindrucken. Aufrecht im Sattel stehend, sein Tier nur mit den Füßen steuernd, tobt er dem Flüchtenden so lange nach bis sich seine Schlinge um dessen Hals legt. Lächelnd kommt er mit dem Wilden im Schlepptau zu uns. Ulaanaa springt aus dem Sattel und meint: „Bitte, jetzt kannst du ich reiten wenn du möchtest“. Da Tsaagaan sich nach dem Internet uns angeschlossen hat überlasse ich ihm den Vortritt. Ich möchte sehen ob er reiten kann oder ob sich das jetzt auch als etwas herausstellt was er mal konnte als er noch jung war jetzt aber zu alt dafür ist. Das hellbraune kräftige Pferd bekommt einen Sattel verpasst und Tsaagaan schwingt sich auf. Er reitet eine Runde, worauf es auch ich versuch. Gott sei Dank wirft mich der Wildfang nicht ab. Ganz im Gegenteil lässt er sich hervorragend reiten. Dann fängt der Nomade ein weiters Tier welches genauso aussieht. Diesmal möchte Taagii es versuchen. Auch er macht eine Hervorragende Figur. „Was sollen die beiden Pferde denn kosten?“ „Je 500.000 Tugrik“, (285,-€)sagt der Nomade und ein Freund von ihm der jetzt aus der Jurte gekommen ist. Das ist hier ein Spitzenpreis. Ich handle und sage ich zahle nicht mehr als 450.000 (257,- €)mit dem Risiko die Pferde dann nicht zu bekommen. Erst als ich hart bleibe und wieder zum Auto laufe schlagen die beiden Hirtenmänner ein. „Bringt die Pferde bitte in drei Tagen zu unserer Adresse“, sage ich womit sie sofort einverstanden sind. Auch mit den Fuhrleuten vereinbarten wir den gleichen Termin. So haben wir zur gleichen Zeit alle Pferde zusammen. Früher ergibt es keinen Sinn da in Naraas Vorgarten das Gras für die Pferde Maximum zwei Tage ausreicht. Obwohl Taagii gesagt hat, dass wir nur 20 Minuten benötigen, um die Pferde anzusehen, sind mittlerweile drei Stunden vergangen. Damit sich Tanja keine Sorgen macht habe ich sie über den Verlauf der Dinge per Handy informiert. Bestens gelaunt, jetzt zwei sehr gute Reitpferde gekauft zu haben, holen wir Tanja ab und fahren zu unserem Blockhaus. Vorher aber bringen wird den alten Hirte, der nun den ganzen Tag dabei war und geduldig darauf gewartet hat eines seine Pferde an uns zu verkaufen, nach Hause. Er ist, obwohl er kein Geschäft gemacht hat, noch immer frohen Mutes.
Ich möchte unseren Fahrer, den Sohn des Schreiners, bezahlen und weil Ulziis Onkel gestern mit 10.000 Tugrik nicht zufrieden war gebe ich ihm Spritkosten plus 15.000 Tugrik. Er schüttelt den Kopf. „Ist das zuwenig?“, frage ich verwundert worauf er sagt: „Ich bekomme 30.000,- Tugrik“. (17,50 €) Uns verschlägt es die Sprache. „So wie der Vater so der Sohn“, meine ich zu Tanja. Nach längerer unguter Verhandlung einigen wir uns auf 20.000 Tugrik. „Morgen nehmen wir ein Taxi. Das ist entschieden günstiger“, entscheidet Tanja.
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