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Link zum Tagebuch: TRANS-OST-EXPEDITION - Etappe 1

Vermissen die Tage unterm Sternenhimmel! Gerechte Verteilung!

N 44°26'700'' E 026°04'466''
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    Tag: 93

     

    Sonnenaufgang:
    06:41 Uhr

     

    Sonnenuntergang:
    17:17 Uhr

     

    Luftlinie:
    19,91 Km

     

    Tageskilometer:
    25,73 Km

     

    Gesamtkilometer:
    2968,72 Km

     

    Bodenbeschaffenheit:
    Asphalt

     

    Temperatur – Tag (Maximum):
    25 °C

     

    Temperatur – Tag (Minimum):
    19 °C

     

    Temperatur – Nacht:
    13 °C

     

    Breitengrad:
    44°26’700“

     

    Längengrad:
    026°04’466“

     

    Maximale Höhe:
    90 m über dem Meer

     

    Aufbruchzeit:
    10:30 Uhr

     

    Ankunftszeit:
    12:30 Uhr

    Durchschnittsgeschwindigkeit:
    15,99 Km/h

Die Nacht in der Truckerunterkunft war wieder zum Haare raufen. Direkt vor unserem Zimmerfenster, welches sich nur zum Gang öffnen lies, grölten die Bewohner der Absteige lauthals und sind unaufhörlich auf und abgerannt. Alle paar Minuten schlug eine der Zimmertüren mit schrecklichem Krachen ins Schloss. Es war das reinste Irrenhaus, besetzt mit Menschen die anscheinend keinen Schlaf brauchen. Aus mehreren Fernsehapparaten dröhnte in ohrenbetäubender Lautstärke rumänische Volksmusik und durch unser Fenster strahlte das grelle Neonlicht des Ganges. “Ich werde hier blad wahnsinnig!”, stöhnte ich immer wieder laut. Gerne hätte ich mal nach draußen gebrüllt, um meinen Ärger Luft zu machen, doch ehrlich gesagt hatte ich vor der betrunkenen Meute direkt vor unserer Kammer zu viel Respekt. Wer weiß ob die zwielichtigen, ungehobelten Kunden der Absteige in ihrem Suff nicht einfach in unser Zimmer eingedrungen wären, um uns zusammenzuschlagen? Das Personal des Ladens hätte auf jeden Fall nicht einschreiten können. Sie waren schon seit Stunden nicht mehr anwesend. Immer wieder spähte ich aus dem Fenster, um die Gäste zu beobachten. Der Anblick einiger der grobklötzigen Männer, der lachenden und kreischenden jungen Frauen, versetzte mich in regelrechte Alarmbereitschaft.

Tanja, die nahezu bei fast allen Bedingungen schlafen kann, lag neben mir und wälzte sich unruhig hin und her. Im Gegensatz zum Hotel Dracula war das Zimmer absolut überheizt. Wegen dem Fenster zum Zimmergang war Lüften nicht möglich und so schmorten wir bei 28 Grad in unserem eigenen Saft. Normalerweise kann man eine Zimmertemperatur von 28° irgendwie ertragen. Ist ja nichts im Vergleich zum Australischen Outback mit bis zu 52° im Schatten. Aber nach den letzten kalten Wochen sind wir nicht an Wärme gewöhnt.

Leider sind wir auf dieser Reise zu oft gezwungen auf Zeltplätzen, in lauten Unterkünften und teuren, noch dazu regelrechten Dreckslöchern, zu nächtigen.    Wir sehnen uns wieder nach Natur und Nächten in der Wildnis. Oft denken wir an unsere letzte Expedition, dem 7000 Kilometer langen Fußmarsch mit unseren Kamelen durchs Australische Outback. Über drei Jahre durften wir unter dem Zelt des Himmels schlafen. Es gab keine stehlende Sinti, Dracula Hotels, tödlich gefährliche Lastwägen die dicht an einem vorbeirasen, so dass einem der Luftsog fast unter die Räder bringt und viele andere für uns neuartige Herausforderungen. Natürlich muss ich gerecht bleiben und zugeben, dass uns dieser Reiseart mit dem Fahrrad sehr gut gefällt. Sie ist nur völlig anders als alles was wir bisher erlebt haben. Durch die Räder sind wir darauf angewiesen uns an den von Menschen angelegten Fahrbahnen zu halten.

Die Herausforderung der Live – Berichterstattung direkt vom Fahrrad ist größer als wir dachten. Gerne würden wir leichter reisen und die Unmengen an schwerer teuerer Technik Zuhause lassen. Es ist kaum vorstellbar sie über abgelegene Berg- und  Buschregionen zu schleppen. Aber jede Situation ist nun mal unterschiedlich und in der Andersartigkeit des Lebens dürfen wir neue Erfahrungen sammeln. Es ist also gar nicht so schlecht durch die Reiseart in irgendwelche Übernachtungslöcher gezwungen zu werden weil dadurch eine neue Geschichte entsteht, eine neue Erfahrung die wir nicht freiwillig machen würden. Weil wir uns auf dieser Reise bisher nicht immer in der Wildnis verstecken können, den Menschen aus dem Weg gehen können wenn wir Lust dazu haben, lernen wir  mehr über die Völker an der Donau, mehr über Kultur, Religion und unterschiedlichen Sitten kennen. Fast alle Kontakte zu der Bevölkerung waren bisher sehr positiv. Es liegt in der Natur der Sache ab und an mal einen Idioten anzutreffen, doch hat das nichts mit dem jeweiligen Land zu tun. Die gibt es überall, auch in Deutschland.

“Wie geht es dir?”, fragt Tanja gähnend. “Frag besser nicht. Bin fix und fertig”, antworte ich und überlege wie ich mein müdes Knochengestellt aufs Rad bringen soll? Nach unserem Frühstück fühle ich mich allerdings wieder gestärkt und bin bereit das Abenteuer Großstadt auf mich zu nehmen. “Gute und sichere Fahrt!”, ruft mir Tanja zu. “Dir auch”, antworte ich mit zuversichtlichem Lächeln. Die ersten Kilometer geht alles reibungslos. Der Verkehr ist entschieden harmloser als wir uns das vorgestellt hatten. Wir erreichen also völlig unbeschadet und ohne die geringsten Zwischenfälle die Hauptstadt. “Gara de Nord?”, fragen wir ab und zu einen der Passanten nach dem Weg zum Hauptbahnhof. An den roten Ampeln stehend bitten wir die Autofahrer uns einscheren zu lassen. Kein Problem, winken sie im Regelfall. Wenn die Ampel auf Grün schaltet treten wir wie die Irren in die Pedale, beschleunigen unsere schwerfälligen Böcke auf knapp 30 Stundenkilometer und eilen im Fluss des Belchstromes über breite Kreuzungen. Plötzlich überholt mich ein PKW und rast in nur wenigen Zentimeter Abstand an mir vorbei. Mir bleibt nicht einmal die Zeit um zu erschrecken. “Puh! Das war verdammt knapp! Hätte dich fast erwischt!”, ruft Tanja hinter mir. Dann überqueren wir eine weitere, der vielen Kreuzungen. Ein Polizeiauto steht an der roten Ampel der Abbiegespur. Die Polizisten sehen zu mir herüber. Kaum hebe ich meine Hand, um freundlich zu grüßen, rast ein Auto an mir vorbei, zwingt mich zu einer Vollbremsung und verschwindet im Verkehrsgetümmel. Einer der Polizisten hebt mit ersichtlichem Bedauern die Schultern und schüttelt den Kopf. Dem Verkehrsraudi, der gerade vor dem Auge des Gesetzes fast einen Radfahrer abgeschossen hat, lohnt es offensichtlich nicht zu folgen. Die Beamten blicken zur anderen Straßenseite und lassen uns passieren. Drei Kreuze machend erreichen wir nach weiteren kurzen Momenten des Adrenalinausstoßes unser Hotel. Wir tragen unsere wertvollen Drahtgestelle und die USED-Anhänger in eine kleine Besenkammer neben der Rezeption, schließen alles noch mal ab und verziehen uns in das einfache Zimmer im ersten Stock. “Wir haben es geschafft!”, prustet Tanja mich umarmend. “Ja, wir haben es in der Tat geschafft.”, antworte ich und spüre wie mich die Erleichterung durchströmt. “Jetzt muss morgen beim Verladen der Räder nur noch alles reibungslos abgehen und wir werden unserer Heimat einen Besuch abstatten”, sage ich meine geliebte Frau an mich drückend. “Hast du Lust auf Deutschland?”, will sie wissen. “Ich weiß nicht so recht. Irgendwie schon. Es wird wie immer nicht leicht sein sich wieder an den dortigen Alltag zu gewöhnen”, sinniere ich. “Wir werden diesmal nicht lange bleiben. Du schreibst deine Bücher, wir halten ein paar Shows und dann geht die Trans-Ost-Expedition weiter.” “Ja, ist eigentlich ganz gut sich in Deutschland auf Russland und Sibirien vorbereiten zu können. Wir haben noch ne Menge vor. Bin gespannt ob uns die Russen das ersehnte Visum geben? Obwohl es kalt werden wird freue ich mich aber trotzdem auf das Land. Du auch?” “Ja, freue mich auch. Wir werden bestimmt viel erleben”, antwortet Tanja.

Gerechte Verteilung!

Später schlendern wir durch die Straßen der Stadt. Wir sind auf der Suche nach armen Menschen denen wir ein paar unserer abgenutzten Kleidungstücke geben können. “Schau mal! Der Mann dort am Parkplatz”, stößt mich Tanja am Ellebogen. “Hm, der sieht so aus als könnte er was für den kommenden Winter gebrauchen”, antworte ich auf ihn zugehend. Im ersten Moment nimmt er mich kaum war. Mit verklärten Augen kauert er auf dem Boden und schnüffelt an einer Tüte die mit Benzin oder Leim gefüllt ist. Langsam lege ich die Hose neben ihm auf den Boden. Er sieht mich an, reißt sichtlich überrascht die Augen auf, nimmt die Hose, untersucht sie und als er bemerkt was er in den Händen hellt blickt er mich an als käme ich von einem anderen Stern. Plötzlich bekreuzigt er sich und erwidert mein Lächeln. Gerührt von der kurzen Begegnung und von seiner Geste bis in mein Herz getroffen laufen wir weiter. “Er wird diesen Winter bestimmt nicht so frieren”, freut sich Tanja leise. “Ich hoffe”, antworte ich sie an der Hand nehmend. Wir entdecken eine kleine Frau in Lumpen die gerade erfolglos einen Papierkorb durchstöbert. “Die freut sich bestimmt über etwas Essbares”, sage ich und überreiche ihr eine Tüte mit einem Apfel, ein paar Keksen und einer Hose. Ohne jegliche Reaktion nimmt sie die Tüte entgegen und geht weiter. Auf der anderen Straßenseite stehend beobachten wir die arme Frau. “Schau dir das an. Sie scheint sich über die Hose zu freuen”, meint Tanja. “Ja, und jetzt beißt sie in den Apfel”, sage ich. Gut gelaunt über die Verteilung unserer paar Habseligkeiten, die wir offensichtlich an die richtige Adresse gegeben haben, suchen wir ein Restaurant und lassen mit der Vorfreude auf Morgen den Abend zu Ende gehen.

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