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Mongolei/Zwei Jungen Camp MONGOLEI EXPEDITION - Die Online-Tagebücher Jahr 2011

Sturm, Schnee und von der Energie des Landes getragen

N 49°30'504'' E 100°46'286''
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    Tag: 64

    Sonnenaufgang:
    07:08

    Sonnenuntergang:
    19:08

    Gesamtkilometer:
    720

    Bodenbeschaffenheit:
    Wiese

    Temperatur – Tag (Maximum):
    0°C

    Temperatur – Tag (Minimum):
    minus 2°C

    Temperatur – Nacht:
    minus 4°C

    Breitengrad:
    49°30’504“

    Längengrad:
    100°46’286“

    Maximale Höhe:
    1422 m über dem Meer

Um 7:00 Uhr peitscht ein heftiger Sturmregen gegen die Zeltbahn. Ich ziehe den Schlafsack über den Kopf, um das unangenehme Geräusch auszublenden. Um 8:00 Uhr wache ich wieder auf. Das prasselnde Regengeräusch hat sich verändert. Die Schwere der fallenden Tropfen fehlt. „Schneit es?“, fragt Tanja leise. „Ja“, antworte ich und öffne den Reißverschluss des Zeltes um einen Blick nach draußen zu werfen. „Wir sitzen mitten in einer grauen Wolkendecke und um uns herum ist alles weiß“, sage ich meinen Kopf sofort wieder einziehend und den Reißverschluss schließend. „Was machen wir jetzt?“, fragt Tanja fröstelnd. „Wir schlafen noch ne Stunde. Bei Bilgee und Ulzii rührt sich auch noch nichts“, meine ich mich in meine Daunenhülle zurückziehend. Um 9:00 Uhr schneit es noch immer. Bilgee und Ulzii geben keinen Laut von sich. Offensichtlich haben die Beiden auch nicht die geringste Lust bei diesem Sauwetter das Camp abzubauen und loszureiten. Um 9:30 Uhr setze ich mich und bin noch immer unschlüssige ob wir das Wetter aussitzen oder weiterziehen sollen. Ich höre den Reißverschluss vom Zelt unserer Männer. „Ich muss raus und mit Bilgee sprechen“, gebe ich mir einen Ruck. Bibbernd vor Kälte ziehe ich mir zwei lange Unterhosen, zwei paar Wollsocken, ein Paar dicke Expeditionssocken, meine Reithosen, eine Thermowindstopperhose, drei Wollunterhemden, eine kurze Fliesweste, eine Windstopperjacke und eine Thermojacke, eine Wollmützen und Handschuhe an. „Dem Wetter zeig ich’s“, sage ich und trete wie ein Michelinmännchen nach draußen. Bilgee erscheint zufällig zum gleichen Zeitpunkt vor seinem Zelt. „Was machen wir? Bleiben oder weiterziehen?“, frage ich ihn. „Was meinst du?“ „Ich weiß nicht. Vielleicht bleiben?“, sage ich unschlüssig. „Gute Entscheidung“, verstehe ich ihn. „Na dann lass uns die Feuerstelle auf die andere Seite des Pferdewagens verlegen. Dort ist es windgeschützt“, meine ich weil sich die Windrichtung von gestern auf heute um 180 Grad gedreht hat. Ich hätte den Vorschlag gar nicht äußern müssen denn der Outdoorspezialist Bilgee ist schon im Begriff meine Worte in die Tat umzusetzen. Schnell tragen wir die Steine der Feuerstelle in den Windschutz des Wagens und bauen sie neu auf. Während Bilgee das Feuer entfacht hänge ich die Plane ebenfalls um hinter der sich Mogi vor den Stürmen verstecken kann. Schnell kocht das Wasser im Topf. Tanja kommt jetzt auch aus dem Zelt und holt eine Müslipackung und alles was wir für ein Frühstück im Zelt benötigen aus ihrer Küchenbox. Gut gelaunt sitzen wir wenige später in unserem Stoffhaus, trinken heißen Tee, essen unser Müsli und ein paar Rippen Schokolade. Wir lauschen den raschelnden Schneeflocken die jetzt aber nicht mehr liegen bleiben. Nur noch die Berge um uns herum sind weiß gepudert. In unseren Schlafsäcken sitzen genießen wir es mal nichts tun zu müssen. Einfach nur Zeit für unsere Gedanken, oder Gedankenfreiheit zu besitzen ist wunderbar. In Deutschland gibt es für uns solche Momente sehr selten bis gar nicht. Und hier in der Wildnis sind wir jeden Tag mit dem Überleben und Vorankommen beschäftigt. Trotzdem verspüre ich hier die Freiheit der Gedankenfreiheit. Womit ich meine, dass sich hier meine Gedanken nicht ständig überschlagen, sich selbst überholen, wiederholen, durcheinanderpurzeln um sich wenig später neu zu ordnen. Es ist ein Traum nichts zu denken. Es bedeutet die wahre Ruhe in der Schaltstelle des Gehirns zu spüren. Nur in den Wüsten, die Tanja und ich in den letzten 20 Jahren durchquerten, habe ich diese innere Ruhe wahrgenommen. Meist hat es aber Monate gedauert bis sich der Strom der Gedanken abgebaut hat. Hier in der Mongolei ist dieser Zustand sehr schnell eingetreten. Tanja und ich sprechen öfter darüber. Ihr geht es genauso. Wir sind der Meinung es könnte an der Energie dieses Landes liegen. Für uns ist die Mongolei ein besonderes Land. Ein Land mit einer außergewöhnlichen, erhabenen Schwingung. Aus einem nicht nachvollziehbaren Grund hat sich unser Körper und Geist auf die Frequenz der Landesschwingung eingestellt. Von einem Moment zum anderen werden wir von ihr getragen. Von hier nach dort. Alles was geschieht ergibt einen Sinn. Wir wollen auch gar nicht bewerten ob es gut oder schlecht ist und lassen es geschehen. Wenn es schneit dann schneit es eben. Wenn es kalt ist dann ist es kalt und wenn wir Hunger verspüren dann verspüren wir Hunger. Es ist schön sich in dieser Schwingung zu befinden und wir hoffen, dass wir noch lange von ihr getragen werden.

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