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RED EARTH EXPEDITION - Etappe 2

Stillstand in der Wüste bedeutet die Tiefen meines „Ichs“ zu bel

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    Tag: 36 Etappe Zwei

    Sonnenaufgang:
    06:27

    Sonnenuntergang:
    17:34

    Temperatur - Tag (Maximum):
    28 Grad

Edgar Kampf-Camp — 21.07.2001

Es ist wieder stark bewölkt. Goolas Zustand hat sich zumindest optisch etwas gebessert. Er will sich nicht bewegen und nichts fressen aber sein Durchfall hat aufgehört. „Es sieht so aus als würde das Medikament wirken,“ sagt Tanja. „Ja, jetzt muss er nur noch zu fressen beginnen,“ antworte ich und untersuche seinen immer dünner werdenden Körper.

Neun Tage sitzen wir hier schon fest und wissen nicht wann es weiter gehen wird. Uns läuft die Zeit davon und wenn wir an den kommenden Sommer mit seinen gnadenlosen Temperaturen denken wird uns ganz schlecht. Noch müssen wir 2300 Kilometer bis zu unserer nächsten Teiletappeziel zurücklegen, bloß wie sollen wir das schaffen? In den letzten 36 Tagen haben wir gerade mal 200 Kilometer hinter uns gebracht und jetzt sind zwei unserer Teammitglieder schwer krank. Es ist einfach zum verzweifeln. Wir können nichts anderes tun als diese Herausforderung von Tag zu Tag zu betrachten. Es bringt uns nicht weiter hier zu verzweifeln und müssen gegen die zwangsläufig hochkommenden Gedanken des Aufgebens ankämpfen. Hier in der Wüste, obwohl sie im Augenblick von grünen Büschen und Pflanzen bewachsen ist, sind die Gedanken und Emotionen die tief in uns liegen der größte Feind und die größte Gefahr. Nichts lenkt ab, nur wir sind da und müssen uns mit dem eigenen „Ich“ beschäftigen. Es ist eigenartig aber auch interessant was diese Einsamkeit, diese endlose Weite und ursprüngliche, unverdorbene Natur in mir bewirkt. Während unserer Durchquerung der Wüste des Todes der Taklamakan in West China waren wir von vielen äußeren Problemen abgelenkt. So hatten wir damals enorme Schwierigkeiten mit unserem Übersetzer, der sich schnell als chronischer Lügner entlarvte, oder Eman unser Kamelmann der so geizig war, dass er durch sein Verhalten unser aller Leben aufs Spiel setzte. Wir waren ständig damit beschäftigt dieses menschliche Drama zu meistern. Hier aber, in diesem Augenblick gibt es kaum eine Abwechslung durch Menschen. Hier gibt es nur Tanja und mich. Unsere Wünsche, Gefühle und Bedürfnisse in einer Welt die der westliche Mensch in dieser Form nicht kennt. Es ist schwer zu beschreiben, schwer zu erklären aber nur das Sein erweist sich in der Wüste als ernsthafte Herausforderung. Es geht darum mit mir selbst, mit dem Innersten meiner Gefühle, Gedanken, Vergangenheit und Zukunftspläne in Übereinstimmung zu gelangen. Es geht darum den inneren Frieden zu finden und wenn ich so darüber nachdenke komme ich zu der Erkenntnis, dass so eine isolierte Einsamkeit zwar gefährlich aber auch sehr lehrreich sein kann. Wenn alles im Leben einen Grund hat, dann muss auch dieser Zwangsaufenthalt mit all seinen Aufgabenstellungen einen tieferen Grund besitzen. Vielleicht geht es nur darum den Unterschied zwischen dem sich Fortbewegen und dem gezwungenen Festsitzen zu erkennen. Klar wird mir, dass die Gedanken durch die Bewegung mehr abgelenkt werden als durch den Stillstand. Stillstand ist also eine andere Herausforderung an mein inneres „Ich“ als jeden Tag laufen. Auch wenn es oberflächlich betrachtet keinen Unterschied gibt ist er vorhanden. Vielleicht bedeutet das Gehen in der Wüste mit jedem Schritt in die Tiefen meines „Ichs“ zu vorzudringen und die Bewegungslosigkeit in der endlosen wüsten Ebene die Tiefen meines „Ichs“ zu beleuchten?

Wie auch immer, wir sind gezwungen dazu täglich über uns selbst und den Rest der Welt da draußen nachzudenken. Manchmal ist es schön und manchmal ist es weniger schön. Die Höhen und Tiefen sind enorm und auch wenn ich manchmal darunter leide ist diese Tatsache ein Teil davon warum ich hier sein will. Es bedeutet mit jedem Atemzug zu leben, es bedeutet den Moment bewusst zu empfinden, es bedeutet die Bereicherung des Geistes und es zeigt mir dass das Leben so lebenswert ist, dass es dafür kaum Worte der Beschreibung gibt.

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