SKURRILSTER CAMPINGPLATZ – Bankautomat frisst Kreditkarte
N 20°51'05.0" W 017°01'51.7"Tag: 379 – 385
Camp: 71
Land: Mauretanien
Ort: Stellplatz am Ufer des Atlantiks
Breitengrad N: 20°51’05.0″
Längengrad W: 017°01’51.7″
Gesamtkilometer: 10.062 km
Höhe: 5 Meter
Temperatur Tag max: 25°
Temperatur Nacht: 19°
Nach einer windgepeitschten Nacht stehen wir um 8:00 Uhr auf. Ich parke die Terra sofort an einem geschützteren Platz vor dem Wind. Dann begebe ich mich zur Rezeption des nahen Hotels, um nach frischem Brot zu fragen. Das Buffet im Restaurant wirkt recht bescheiden. Die Dame hinter dem Tresen spricht Arabisch und Französisch, kein Englisch, was die Kommunikation für mich erschwertda ich leider kein Französisch verstehe. Ein der Gäste der mich gerade freundlich begrüßt hat hilft als Übersetzer aus. „Hier kann man kein Geld tauschen“, sagt er.
Dann erscheint ein Mann in Hoteluniform. Er spricht ein paar Worte Englisch. „Sie können schon Geld wechseln aber jedoch zu einem sehr ungünstigen Kurs von 38 Rupien für 1 Euro“, erklärt er. Das sind 5 Rupien weniger als auf der Bank“, entgegne ich. „Es tut mir leid, aber das ist unser Kurs. Gibt es hier irgendwo einen Bankautomaten?“, möchte ich wissen. „Nur in der Stadt“, vernehme ich.
Etwas entnervt verlasse ich das Hotel und finde ein paar hundert Meter weiter einen Geldautomaten. Als ich meine Kreditkarte in den Slot stecke, frisst wird sie von der Maschine gefressen. In einem Anflug von Panik drücke ich ein paar Knöpfe. Es surrt und brummt und siehe da meine Karte kommt langsam wieder zum Vorschein. Ich gebe vorerst auf und laufe durch den skurril und verlassen wirkenden Ortsteil zurück zu unserem Stellplatz. Dort am menschenleeren Strand, direkt am Ufer des Atlantiks genießen wir die Ruhe und die Abgeschiedenheit. Das Einzige, was wir hier vernehmen, ist das Rauschen der Wellen und das sanfte Säuseln des Windes…
Eine Woche später verlassen wir unseren Stellplatz, um einen der wenigen Supermärkte in der Stadt Nouadhibou aufzusuchen. Am Straßenrand sehen wir bitterarme Menschen und fragen uns, ob es richtig ist, ihnen etwas von unserer extra dafür mitgebrachten Kleidung zu schenken. Diese Überlegung ergibt sich, weil wir befürchten, dass dadurch die Erwartung entsteht, dass alle Wohnmobilisten etwas zu verschenken haben oder verschenken möchten. In einigen wenigen Landstrichen Marokkos, vor allem im Rifgebirge, gibt es seit Jahren Berichte über Fälle, in denen Kinder oder Jugendliche Steine auf die Fahrzeuge werfen, nachdem sie nichts bekommen haben. Dies ist zweifellos eine direkte Folge davon. Also, was ist das richtige Verhalten? Gibt es überhaupt ein Richtig oder Falsch?
Nachdem es während unseres Grenzübertritts von Marokko nach Mauretanien Nacht geworden war und die Fahrt für uns bald etwas unheimlich wurde, sehen wir heute unsere Fahrt durch die zweitgrößte Stadt Mauretaniens, Nouadhibou, die den größten Hafen des Landes beherbergt und als wirtschaftliches Zentrum fungiert, in einem anderen Licht. Obwohl es taghell ist, fühlen wir uns während den ersten Kilometern nicht wirklich sicher. Es ist nicht so, dass wir Angst vor einem Überfall haben, ganz bestimmt nicht, sondern eher, ob wir mit dem absolut chaotischen Verkehr zurechtkommen.
Die meisten Verkehrsampeln in der 120.000-Einwohner-Stadt sind außer Betrieb, und selbst wenn sie funktionieren, werden sie von allen Verkehrsteilnehmern einfach ignoriert. Unsere volle Aufmerksamkeit ist gefragt. Fast jedes Fahrzeug ist defekt oder in einem erbärmlichen Zustand. Es herrscht wirklich Chaos.
Die sichtbare Armut trifft uns wie ein Schlag. Mauretanien gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Hier herrscht eine hohe wirtschaftliche Ungleichheit, wobei ein Großteil des Reichtums und der Ressourcen auf eine kleine Elite konzentriert ist. Dies hat zur Folge, dass die ärmsten Bevölkerungsgruppen nur begrenzten Zugang zu Ressourcen und Chancen haben.
Wie schon bei unserer Ankunft sind wir noch immer schockiert, dass in Mauretanien trotz mehrfacher offizieller Abschaffungen – zuletzt im Jahr 2007 – weiterhin Sklaverei besteht. Diese betrifft die Nachkommen von Menschen, die vor Generationen versklavt wurden und bis heute nicht freigelassen wurden. Hauptsächlich betroffen sind Schwarze, die der Volksgruppe namens Bidhan (auch als „weiße Mauren“ bekannt) als Sklaven dienen.
Die genaue Anzahl der Sklaven im Land ist unbekannt, wird aber von Menschenrechtsgruppen auf Hunderttausende geschätzt.
Beim Blick aus dem Fenster unserer Terra Love fragen wir uns, wer von den Menschen, die hier auf den Straßen hin und her wuseln, wohl noch Sklave ist. Wie mögen sich diese Menschen fühlen? Was mögen sie denken? Und wie unfassbar reich müssen wir in ihren Augen erscheinen, wenn wir mit einem so großen, modernen Expeditionsmobil durch die Straßen und Gassen fahren?
Nachdem wir unsere Lebensmittelvorräte wieder aufgestockt haben, befinden wir uns auf dem Weg zu einem bekannten Overlandtreff, der Villa Maguela, als wir ungewollt Zeuge von schlimmer Tierquälerei werden. In Mauretanien, wie in vielen anderen westafrikanischen Ländern, leiden Arbeitsesel unter extremen Bedingungen. Sie werden dazu gezwungen, übermäßig schwere Lasten zu tragen, insbesondere schwere Wasserfässer zu ziehen, und werden oft misshandelt, bis sie zusammenbrechen. Die mangelhaften Geschirre schneiden tief in ihr Fleisch ein, was zu schweren Wunden und Verletzungen führt.
Um diesem Leiden entgegenzuwirken, hat die österreichische Tierschutzorganisation RespekTiere vor Ort eine mobile Eselstation eingerichtet. Diese Station wird von drei Tierärzten und mehreren Hufpflegern betrieben, die sieben Tage die Woche arbeiten und geschundene Esel an den Wasserstellen kostenlos versorgen. Jeden Monat erhalten etwa 1.100 Esel medizinische Hilfe auf diese Weise.
RespekTiere engagiert sich auch in der Aufklärungsarbeit, unter anderem durch Radiospots, um die Menschen vor Ort für einen respektvolleren Umgang mit den Tieren zu sensibilisieren. Zusätzlich unterstützt das Eselhilfsprojekt arbeitslose Näherinnen aus den Armenvierteln der Hauptstadt Nouakchott, indem es ihnen Arbeit bietet, um Eselhalfter herzustellen. Diese Halfter werden kostenlos an die Eselhalter verteilt, damit die Richtungsänderungen nicht mehr durch Schläge, sondern durch die Halfter erfolgen. Auf diese Weise werden Verletzungen am Hals der Tiere reduziert.
Seit 2006 setzt sich die österreichische Tierschutzorganisation RespekTiere erfolgreich für Esel in Mauretanien ein.
Wir erreichen das Gästehaus, das Oberländern traumhafte Stellplätze direkt an der Atlantikküste bietet und für alle anderen Reisenden einige schöne Zimmer mit frisch bezogenen Betten bereithält. Zur passenden Jahreszeit kann man hier Delfine springen sehen und Vögel beim Fischen beobachten. Der Besitzer dieser außergewöhnlichen Location ist der Holländer Victor, der uns gleich am Eingang seines Anwesens freundlich begrüßt.
In den letzten Wochen haben uns immer wieder Reisende, die aus dem Senegal kamen oder von Marokko nach Südafrika unterwegs waren, den Tipp gegeben, diesen entspannten Ort unbedingt zu besuchen. Die Villa Maguela liegt in der Nähe der Stadt Nouadhibou, etwa 60 km von der mauretanisch-marokkanischen Grenze entfernt, und ist ein wunderbarer Ort des Austauschs. Hier teilen sich Overlander aus aller Welt spannende und oft faszinierende Geschichten über Afrika.
An manchen Tagen, besonders wenn genügend Gäste hier übernachten oder es gerade einen Feiertag gibt, bieten Victor und seine Helferin, die Engländerin namens Tish, ein regelrechtes Festmahl an. Es sieht so aus, als hätten wir heute großes Glück, und beim Gedanken daran läuft mir bereits das Wasser im Mund zusammen.
Am nächsten Tag verlassen die meisten Gäste die Villa Maguela. Wir haben eine wunderbare Zeit zusammen verbracht, daher fällt der Abschied nicht leicht. Die meisten von ihnen kehren nach Marokko zurück, einige setzen ihre Reise in Richtung Senegal fort, und nur wenige wagen sich auf den spannenden Weg nach Südafrika zum Kap der Guten Hoffnung. Eine Reise, die von Mauretanien aus durch 19 Länder und über 19 Grenzen führt, je nach gewählter Route und politischer Lage. Nachdem unsere Reise völlig anders verlaufen, ist als ursprünglich geplant, beginnen wir zu überlegen, ob wir uns auf das große Abenteuer einlassen und möglicherweise ebenfalls durch all diese afrikanischen Länder bis nach Südafrika fahren sollen. Ein Gedanke, der plötzlich in unseren Köpfen herumspukt.
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