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RED EARTH EXPEDITION - Etappe 3

Sie würde dem Schwachkopf am liebsten die Zähne polieren

N 22°38’12.6“ E 147°34’08.3“
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    Tag: 220 Etappe Drei / Expeditionstage gesamt 611

    Sonnenaufgang:
    05:22

    Sonnenuntergang:
    18:53

    Luftlinie:
    28,2

    Tageskilometer:
    38

    Gesamtkilometer:
    6372 km

    Temperatur - Tag (Maximum):
    36° Grad, Sonne ca. 56°

    Temperatur - Nacht:
    16,3° Grad

    Breitengrad:
    22°38’12.6“

    Längengrad:
    147°34’08.3“

Miclere-Camp — 22.12.2002

Obwohl an diesem Morgen unsere gesamte Ausrüstung und die Sättel vor Nässe tropfen brechen wir rechtzeitig auf. Ohne weitere Zwischenfälle folgen wir wieder der Asphaltstraße. Neben uns tauchen große brachliegende Felder auf. Wegen der Trockenheit waren die Farmer bis jetzt nicht in der Lage ihre Saat zu streuen. „Wenn es noch ein paar Mal so heftig regnet wird es hier bald saftig grün sein,“ sage ich auf die kargen Felder deutend. Wir kommen an den Goldminen Miclere, Black Ridge, und Springs vorbei. Unweit von uns sehen wir die Fördertürme der Blair Athol Mine. Seit einigen Tagen befinden wir uns wieder im Land des goldenen Edelmetall. Mit jedem Kilometer östlich von hier werden wir allerdings auch auf viele Kohleminen treffen.

Die Zivilisation beginnt sich mehr und mehr auszuweiten. Der Verkehr nimmt langsam zu. Plötzlich liegt vor uns ein weiteres unangenehmes Hindernis. Eine Brücke zieht sich über Einsenbahngleise. Von hier aus ist es unmöglich über die stark gewölbte Überführung zu blicken. Wir wissen also nicht ob uns auf der anderen Seite ein Auto oder Roadtrain entgegen kommt. Abgesehen davon ist der Übergang viel zu schmal, um eine Kamelkarawane darüber zu führen die gleichzeitig von Autos überholt wird. Jasper würde sich vor Angst über die niedrigen Leitplanken in seinen sicheren Tod stürzen. Wie gelähmt stehen wir vor dem großen Stahlgebilde und überlegen unsere nächsten Schritte.

„Am besten ich laufe voraus. Wenn ich auf der Mitte der Brücke bin stoppe ich den entgegenkommenden Verkehr. Wenn alles frei ist gebe ich dir ein Zeichen. Dann kannst du loslaufen,“ schlägt Tanja vor. „Gut,“ antworte ich und warte bis Tanja die hundert Meter vorausgejoggt ist. „Alles okay!“ ,ruft sie und winkt. „Camis walk up!“ ,befehle ich und laufe im Stechschritt los. So schnell es meine Beine zulassen schreite ich die Brücke hoch. Mein Herz schlägt vor Nervosität. Was ist, wenn Tanja die Autos nicht stoppen kann? Was ist, wenn uns ein Autofahrer unbedacht von hinten überholt? Meine Gedanken überschlagen sich. Mein Atem geht schnell. Als ich die Brückenmitte erreiche rennt Tanja zum Fuß der Brückenkonstruktion, um ein kommendes Auto aufzuhalten. Sie läuft in der Straßenmitte und winkt mit beiden Händen, doch der Fahrer bremst sein Gefährd kaum herab. Tanja geht nun in die Mitte der Gegenfahrbahn, um den Fahrer somit zu zwingen seine Geschwindigkeit zu verringern. Gebannt sehe ich wie der Fahrer endlich reagiert und langsam an ihr vorbeifährt. Kaum hat er Tanja hinter sich gelassen gibt er wieder Gas. Mit Entsetzen beobachte ich wie er auf mich und die Kamele zufährt. Sofort lasse auch ich meine Hände winkend kreisen. Um zu vermeiden, dass er an den Kamelen vorbeifahren kann und dadurch Jasper eventuell vor Angst über das niedrige Brückengeländer springt, gehe auch ich auf die Gegenfahrbahn. Das Auto bremst nun wieder. Ein Junger Fahrer sieht mich ärgerlich an. Kaum ist er in meiner Höhe quetscht er sich mit seinem Auto knapp an unseren Kamelen vorbei. Ich kann es nicht glauben aber er nimmt keine Rücksicht auf die Karawane. Bestürzt sehe ich ihm nach und bin aufs Schlimmste gefasst. Als der Fahrer den zweiten Gang einlegt ist er auf Edgars Höhe. Edgar weicht nach links aus. Als Jasper das Auto dicht neben sich bemerkt springt er nach links. Seine Beine bewegen sich direkt neben den Leitplanken. Alles geht in Sekundenbruchteilen. Jasper springt nach vorne und knallt in Edgar. Edgar springt ebenfalls nach vorne. Doch Istan ist zu faul oder zu müde, um sich von der Panik hinter ihm anstecken zu lassen. Erleichtert ziehe ich unsere Jungs weiter. Ich habe nicht viel Zeit, um über den Vorfall nachzudenken. Das Einzige was jetzt zählt ist diese Brücke heile hinter uns zu lassen.

Tanja schafft es mittlerweile ein weiteres Fahrzeug zu stoppen. Nichts Gutes ahnend sehe ich immer wieder nach hinten. Im Augenwinkel entdecke ich einen Pkw der doch tatsächlich den Blinker setzt und zum überholen ansetzt. Es sind noch ungefähr 30 Meter bis zum Ende der Brücke als sich das Auto dicht an den Kamelleibern vorbeizwängt. Wieder explodiert Jasper und knallt mit seinen Beinen gegen die Leitplanke. Edgar rast nach vorne und bevor Jasper den Versuch unternimmt über die Leitplanken zu springen wird er nach vorne gezerrt. Der Autofahrer stoppt nun kurz vor uns, reißt seine Tür auf, springt raus und fotografiert den nervösen Kamelzug auf der Brücke. „Für was und warum macht ihr das?“ ,fragt er Tanja lachend. Im Vorbeigehen spüre ich ihre immense Wut. Ich habe das Gefühl, als ob sie dem Schwachkopf gerne die Zähne polieren würde. „Ich habe keine Zeit dir zu antworten. Wir befinden uns mitten in einer äußerst brenzlige Situation und versuchen den Verkehr zu regeln,“ antwortet sie, dreht dem Mann ihren Rücken zu und folgt der Karawane.

Gleich hinter der Brücke schlagen wir uns in die Büsche. Erschöpft und ausgelaugt aber glücklich auch diesen Tag heile überstanden zu haben bauen wir unser Lager auf. Während Tanja etwas später die Kamele hütet binde ich unsere Schutzplane in ein paar Büsche. Plötzlich höre ich den tiefen Brunftschrei eines Bullen. Als ich meinen Kopf hebe erstarre ich fast zu Eis. Zwei mächtige Stiere stehen nur 10 Meter entfernt von mir. Ihre kraftvolle Ausstrahlung ist mächtig, ja spürbar. „Wir haben Besuch,“ sage ich leise ins Walkie Talkie. „Wen denn?“ antwortet Tanjas Stimme. „Zwei Bullen sind direkt in unserem Camp. Ich hoffe wir haben sie nicht gestört,“ antworte ich etwas nervös, denn wir haben auch schon von Stieren gehört die Menschen angreifen. „Sie sind bestimmt friedlich,“ beruhigt mich Tanja.

Als ob die beiden mächtigen Besucher nicht vorhanden wären baue ich weiter unser Lager auf. Ich bewege mich langsamer und bedachter als sonst und werfe unentwegt einen Blick zu ihnen. Auch sie scheinen jede meiner Handbewegung zu beobachten. Es dauert mindestens eine ¼ Stunde, bis sie das Interesse verlieren und sich ganz gemächlich davon trollen.

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