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RED EARTH EXPEDITION - Etappe 1

Sebastian und Hardies Nasenleinentraining hat unangenehme Folgen

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    Tag: 32

    Sonnenaufgang:
    07:05

    Sonnenuntergang:
    17:16

    Luftlinie:
    18,6

    Tageskilometer:
    23

Kokardine-Camp — 12.06.2000

Leider liegen in dem kleinen Märchenwald viele Scherben herum. Auch spitze abgestorbene Baumstümpfe ragen wie Messer aus dem Boden, so dass sich einige unsere Kamele, Gott sei Dank, nur leicht an den Füßen geschnitten haben. Vorsichtig und hell aufmerksam führe ich unsere Karawane durch den gefährlichen Wald, den wir gestern noch so bezaubernd empfunden haben. Wieder auf dem Weg neben den Schienen angekommen rast Sebastian mit knochenbrecherischer Geschwindigkeit voraus. Ich muss all meine Kraft aufbringen, um ihn auf einen vernünftigen Laufschritt von ca. 5,5 Kilometer pro Stunde herabzubremsen. Jetzt, nach dem ich die Kamele seit vier Tagen führe, spüre ich die einseitige Belastung in meinem Körper. Ich fühle mich schon so verbogen wie ein Fragezeichen und hoffe das mein empfindlicher Rücken da mitmacht. Es wird uns mehr klar als je zu vor, dass Sebastian und Hardie, die wir beide von dem Kamelmann bei Coolgardie gekauft haben, keine Empfindungen an der Nase besitzen, da sie ausschließlich mit der Nasenleine trainiert wurden. Die meisten der verantwortungsbewussten Kamelmänner trainieren ihre Tiere mit der Führungsleine die am Halfter befestigt ist und nicht mit der Nasenleine, die an dem Nasenpflock hängt. Die Nasenleine sollte nur als absolute Notbremse benutzt werden und nicht im täglichen Umgang mit den Kamelen. Das Resultat ist jetzt eine Nase die nahezu schmerzunempfindlich geworden ist und genau deshalb kann man Sebastian kaum noch kontrollieren. Das hat natürlich zu Folge, dass Sebastian wie ein Irrer an der Nasenleine zieht und sich dabei das Loch in dem der Nasenpflock steckt entzündet. Jo schlägt vor die Nasenleine durch eine Kinnkette auszutauschen. “Vielleicht reagiert er darauf. Wenn du an dieser Kette ziehst spannt sie sich um das Kinn des Kameles. Ich denke das wird funktionieren,” meint sie grübelnd. Wir beschließen, dass Tom bei unserem nächsten Rasttag so eine Kette mitbringt, um sie an Sebastian und Hardie zu testen.

Während des weiteren Marsches macht uns Hardie wie schon von Beginn an Schwierigkeiten. Ich habe bis jetzt noch nicht davon berichtet, dass er immer links neben der Karawane laufen möchte und dadurch Goola ständig gegen den Sattel drückt. Goola wird dann nervös und drückt Sebastian gegen den Sattel und genau aus diesem Grund ist Sebastian kaum zu halten. Also stellen wir fest, dass Hardie der Übeltäter ist und verantwortlich dafür ist, die gesamte Karawane im Eilschritt laufen zu lassen. Obwohl Hardie mit der Nasenleine an Goolas Sattel befestigt ist, scheint ihn das nicht davon abzubringen links neben ihm laufen zu wollen. Dabei zieht sich seine Nase wie ein Kaugummi in Länge und hat sich in den letzten Tagen schrecklich entzündet. Wäre die Nase nicht schmerzunempfindlich würde ihn die Nasenleine dazu zwingen hinter Goola und nicht wie beschrieben neben ihm zu gehen. Wieder müssen wir eine Problemlösung finden und so gibt es kaum einen Tag an dem wir nicht mit neuen Aufgabenstellungen konfrontiert werden.

Am Abend campen wir auf einem umgepflügten Weg der rechts und links von dichtem Buschwerk gesäumt ist. Ich brauche bald nicht mehr zu erwähnen, dass wir hundemüde sind, jedoch überkommt uns diese Müdigkeit und Erschöpfung in eigenartigen Intervallen. An manchen Tagen fühle ich mich selbst Abends noch kraftvoll und fit und nur einen Tag später krieche ich auf dem Zahnfleisch. Tanja und Jo versuchen in dem dichten Unterholz die Kamele zu hüten während ich das Funkradio und die Zelte aufbaue. Kaum habe ich den Boden von all den Grasbüscheln und Ästen geräumt, entdecke ich eine ganze Ameisenarmee die im Begriff ist eine Attacke gegen meine Beine zu starten. Entsetzt suche ich das Weite und versuche es an einer anderen Stelle, nur um zu dem gleichen Resultat zu kommen. Entnervt stelle ich fest, dass der gesamte ungepflügte Weg von Ameisen regelrecht verseucht ist. Es ist bereits dunkel und ein bitter kalter Wind pfeift durch das Gebüsch, als ich endlich einen geeigneten Platz für unsere Zelte finde. Tanja und Jo sind schon seit geraumer Zeit in ihre Zelte gekrochen als ich in tranceähnlichem Zustand die Koordinaten vom Satellitennavigationsgerät ablese, um sie dann in die Karte zu übertragen. Auch spreche ich wie jeden Abend unsere heutigen Erlebnisse auf einen Walkman, um sie für das Tagebuchupdate zu Verfügung zu haben.

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