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E-Bike-Expedition Teil 3 China - Online-Tagebuch 2015-2016

Schneeregen und alleine in der Finsterwelt

N 33°25’08.2’’ E 109°09’55.4’’
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    Datum:
    12.02.2016 bis 14.02.2016

    Tag: 228-230

    Land:
    China

    Provinz:
    Shaanxi

    Ort:
    Zhenan

    Breitengrad N:
    33°25’08.2’’

    Längengrad E:
    109°09’55.4’’

    Tageskilometer:
    61 km

    Gesamtkilometer:
    12.008 km

    Luftlinie:
    22.78 km

    Durchschnitts Geschwindigkeit:
    22.3 km/h

    Maximale Geschwindigkeit:
    45.9 km/h

    Fahrzeit:
    2:44 Std.

    Bodenbeschaffenheit:
    Asphalt

    Maximale Höhe:
    1.200 m

    Gesamthöhenmeter:
    17.412 m

    Höhenmeter für den Tag:
    664 m

    Sonnenaufgang:
    07:31 Uhr – 07:29 Uhr

    Sonnenuntergang:
    18:23 Uhr – 18:25

    Temperatur Tag max:
    3°C

    Temperatur Tag min:
    1°C

    Aufbruch:
    09:45 Uhr

    Ankunftszeit:
    17:30 Uhr

(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)

LINK ZUR REISEROUTE

Während wir die Räder packen spielt Ajaci in der Empfangshalle des Hotels mit dem Pudel der zum Haus gehört. Als ihm Ajaci zu dominant wird pisst der Kleine kurzerhand mal an den Hundeanhänger. „Hey, spinnst du!“, scheuche ich ihn weg weil wir nicht wollen dass Ajacis Wohnwagen ab sofort das Pissoir aller Straßenköter wird.

Wir wollen gerade in die Pedale treten als uns eine chinesische Familie, die ebenfalls im Hotel genächtigt hat, Äpfel schenkt. „Das ist wirklich fantastisch was sie da machen“, sagt der Vater zweier Töchtern den Daumen nach oben streckend. „Xie xie“, bedanken wir uns und radeln in den verregneten nassen Tag. Die ersten Kilometer folgen wir einem völlig verseuchtem Fluss in dem alles landet was man nicht mehr gebrauchen kann. Dann geht es wieder stetig auf über 1.200 m Höhe hinauf. Die langgezogene Talfahrt ist, trotz der vier Wollhemden verschiedener Stärke, einer Windstopperweste, Windstopperjacke und Regenjacke, Wollunterhose, Überhose für extreme minus Temperaturen, und unserer Regenhose, unangenehm. Die Winterhandschuhe sind vom Dauerschneeregen durchnässt, weshalb wir kaum noch Gefühl in den Fingern besitzen. Der Chillfaktor während der endlos erscheinenden Talfahrten ist enorm und lässt uns völlig auskühlen. „Oh wie ich die ständige Kälte mittlerweile verabscheue.“ Bibbernd erreichen wir das Tal. Große Hinweisschilder weisen auf eine touristische Attraktion hin. Buddhistische Gebäude sind in eine steile, nebelverhangene Felswand gebaut. „Sieht so aus als gäbe es dort oben ein paar Tropfsteinhöhlen zu besichtigen“, sage ich auf eines der braunen Hinweisschilder deutend. „Wollen wir uns die ansehen?“, fragt Tanja. „Hm, sollten wir schon“, antworte ich etwas zögerlich weil mir bei diesem Sauwetter nicht der Kopf nach einem Ausflug steht. Da wir aber nicht nur durch China radeln, sondern für uns entdecken wollen, und die vielen zweisprachigen Hinweistafeln etwas Besonderes versprechen, parken wir unsere Roadtrains vor einem der vielen kleinen Restaurants. Die Glastüren der Essenanbieter stehen sperrangelweit auf, um die wenigen Gäste, die bei diesem Wetter ihren Weg hierher gefunden haben, zu empfangen. Die Köchin und ihr Sohn bieten uns in ihrer Frostburg einen Platz auf den wackligen Stühlen an. Schnell bekommen wir eine heiße Nudelsuppe serviert, die uns ein wenig wärmt. „Ich kann beim besten Willen nicht verstehen warum die Chinesen selbst im Winter die Restauranttüren offen stehen lassen“, wundere ich mich zum wiederholten Male während dieser Reise. Tanja und ich sind der Überzeugung, dass das etwas mit dem positiven Fengshui zu tun haben muss. Geschlossene Türen weisen Gäste eher ab. Deswegen öffnen einige Restaurants, egal wie kalt es ist, ihre Pforten um Gäste willkommen zu heißen. Wenn einer beginnt muss der Laden nebenan ebenfalls offen stehen, um nicht im Nachteil zu sein. Auf diese Weise kommt es vor, dass die meisten Essensanbieter ihre Gäste frieren lassen. Da der Chinese in der Regel Essengehen als reine Nahrungsaufnahme sieht, und nicht als ein gemütliches Zusammensitzen und Genießen, verlässt er die meist grottenhässlichen Räume noch während die restliche Suppe in der Schüssel dampft. Auch ist während der Nahrungsaufnahme jeder der Einheimischen in dicke Daunenjacken gehüllt. „Wollen sie sich am Kohlbecken ein wenig wärmen?“, fragt die Wirtin als sie uns frieren sieht. „Gerne“, antworten wir, worauf die Frau uns eine Metallschüssel unter den Tisch schiebt, in der ein paar Brocken Kohle glühen. Die aufsteigende Wärme staut sich unter der Platte bevor sie sich im kalten Raum verflüchtigt und uns tatsächlich ein wenig die Glieder wärmt.

Weil während der Höhlenbesichtigung einer von uns auf Ajaci und die Räder aufpassen muss, können wir nur nacheinander gehen. So mache ich mich zuerst auf den Weg, kaufe ein Ticket und lasse meine Zwei in dem kalten Bunker zurück.

Wegen den vielen Stufen nach oben zum Höhleneingang wird mir schnell warm. Ich verspreche mir von der Tropfsteinhöhle nicht all zu viel, denn mit mir sind nur ein paar herumflatternde Fledermäuse die einzigen Besucher. Aber wahrscheinlich liegt es eher am ungemütlichen Wetter, bei dem sich nur wenige Touristen hierher verirren. In einem schmalen, beleuchteten Tunnel, dringe ich in das Innere des Berges vor, und traue meinen Augen kaum. Der Anblick, der von den Höhlendecken hängenden spitzen Stalaktiten und den ihnen vom Boden entgegenwachsenden stumpfen Stalagmiten, ist absolut atemberaubend. An manchen Stellen der Höhlen sind die Tropfsteine in der Mitte zu einer regelrechten Säule zusammenwachsen. Scheinwerfer tauchen die bizarren Felsgestalten in rotes, blaues und grünes Licht. fotografierend und staunend laufe und klettere ich immer tiefer in die feuchte Unterwelt. Ein paar chinesische Zeichen weisen mir den Weg. Ich folge in Fels gehauene Stufen nach unten. Überrascht entdecke ich dort einen Buddhaschrein. So wie es aussieht wurde ein Teil der Höhle schon vor langer Zeit von Mönchen für ihre Meditation genutzt. Wieder nach oben steigend, kraxle ich immer tiefer durch sich windende Gänge und schlängelnde Tunnel in die eigenwillige Welt. Plötzlich stehe ich vor einer angerosteten Stahlleiter die fast senkrecht in einen turmhohen Kamin führt. Vorsichtig erklimme ich das Eisengestell. Da es so aussieht als wäre ich der Einzige hier drinnen möchte ich unter keinen Umständen auf den rutschigen dünnen Stahlrohren ausrutschen und in die Tiefe stürzen. Wer weiß ob mich das Höhlenpersonal da finden würde und wenn ja dann wann? „Hätte meine Stirnlampe mitnehmen sollen“, geht es mir durch den Kopf. Dann krabble ich durch einen niedrigen Gang der mich zu einer hohen Halle führt. Fasziniert blicke ich auf die von der Decke hängenden, eiszapfenähnlichen gewaltigen Gebilde, man könnte meinen es wären in Stein gegossene Flüsse. Das über Jahrtausende durch den Kalkstein rinnende Wasser hat tiefe Furchen und Rinnen in sie gefressen, hat sie zu phantastischen kaum zu beschreibenden Schönheiten der Dunkelwelt geformt. Bedacht folge ich einem Stollen an dessen Ende mich schwarze Finsternis angähnt. Obwohl sichtbare Stufen und Treppen darauf hinweisen, dass dieser Weg für Besucher geschaffen wurde, wird es immer düsterer. Hier ohne Taschenlame weiterzugehen würde an Schwachsinn grenzen. „Wahrscheinlich ist die Beleuchtung ausgefallen“, kreuzt ein Gedanke mein Gehirn. Kurzerhand drehe ich um und folge einem anderen, vielversprechenden Weg. Mittlerweile muss ich zugeben nicht mehr genau zu wissen wo ich mich befinde. „Die werden doch nicht Touristen in ein Höhlenlabyrinth lassen in dem es keinen offensichtlichen Ausgang gibt? Habe ich aus Versehen einen Seitengang genommen? Eine Absperrung übersehen?“ Nun etwas nervös geworden werden meine Schritte schneller. Neben mir rauscht Wasser durch einen Spalt. Ein paar Meter weiter vernehme ich das Echo von fallenden Tropfen die in einem tief unter mir liegenden See platschen. Ich blicke durch ein Gitter nach unten. „Ob es dort Grottenolme oder Salamander gibt?“, frage ich mich, weil ich einmal davon gehört habe, dass in solchen Höhlen ganz besondere Lebewesen wohnen, die wegen dem fehlenden Licht mehr oder weniger blind sind und nur eine sehr schwache Pigmentierung besitzen. Zu gerne würde ich solch ein seltenes Wesen fotografieren. Aufmerksam schreite ich über den nassen Untergrund und halte Ausschau nach Spinnen, Insekten und Höhlengrillen, die sich von Kleinstlebewesen und verfaulten organischen Stoffen Ernähren, die von außen in diese fremdartige Welt gespült werden. Plötzlich glaube ich wieder das leise Fiepen einer Fledermaus zu vernehmen. Tatsächlich flattert sie durch das Scheinwerferlicht um einen der bunt beleuchteten Tropfsteine. Sie orientiert sich durch Ultraschallortung wobei sie hochfrequente Tonimpulse aussendet, die als Echo von der Umgebung reflektiert und von ihren großen Ohren aufgefangen werden. Auf diese Art weis sie trotz absoluter Dunkelheit immer ihre Position oder wo sich ein Insekt befindet welches sie gerade jagt, um es zu fressen. Ich bin ein wenig erleichtert, da sich diese Flugtiere oftmals nicht all zu weit von dem Höhlenaus- oder Eingang aufhalten.

Bereits einige hundert Meter später dringt trübes Tageslicht in den Tunnel. Ich laufe ihm entgegen und werde, nach über einer Stunde durch die Finsterwelt, vom feuchten, kalten Nieselregen empfangen. „Wow, was für ein außergewöhnliches und unerwartetes Abenteuer“, sage ich zu Tanja. „Du meinst es macht Sinn, dass ich mir das ansehe?“ „Aber ja. Unbedingt. Du musst dich nur an die Wegweiser halten. Es gibt Gänge in denen die Beleuchtung ausgefallen ist. Denen darfst du nicht folgen. Am besten du nimmst eine Stirnlampe mit.“

Während Tanja nun die Welt im Berginneren besucht, setze ich mich mit Mutter und Sohn des Restaurants ans kleine Kohlebecken, um uns daran so gut es geht zu wärmen. Unsere Unterhaltung ist rudimentär aber wir können uns soweit möglich verständigen. Als Tanja zurückkommt ist sie ebenfalls begeistert. Wir tauschen kurz unsere Erlebnisse aus und setzen unsere Reise fort. Kaum treten wir in die Pedale weisen weitere Hinweisschilder auf anscheinend noch größere Höhlen hin. „Wollen wir uns die auch ansehen?“, frage ich Tanja. „Wenn wir schon mal da sind. Warum nicht“, antwortet sie, worauf wir die Abzweigung nehmen, um uns wenig später auf einem Großparkplatz einzufinden. Wegen dem noch immer anhaltenden Regen, suchen wir unter einem kleinen Holzpavillon Schutz, und erfahren, dass die Besichtigung dieser, in der Tat viel größeren Tropfsteinhöhlen, mindestens zwei Stunden dauert. „Wenn wir uns die getrennt ansehen wollen schaffen wir das heute nicht“, sage ich nachdenklich. Tanja fragt einen Polizisten ob wir irgendwo unsere Räder unterstellen können. „Und was machen wir mit Ajaci?“, gebe ich zu bedenken. Eine junge Chinesin läuft herbei. Sie bietet sich an auf Ajaci und die Räder aufzupassen, während wir uns die Höhlen anschauen. „Ich weiß nicht ob das eine gute Idee ist?“, sagt Tanja unsicher. „Hm, stellt sich die Frage ob wir einer wildfremden Person unseren gesamten Besitz anvertrauen können?“, überlege ich ebenfalls zweifelnd. „Sie müssen sich keine Gedanken machen. Ich passe wirklich auf“, antwortet die junge Frau namens Molly. „Und was ist wenn sie inzwischen mal auf die Toilette müssen? Dann sind Ajaci und die Räder unbeaufsichtigt“, entgegnet Tanja. „Ich muss nicht auf die Toilette. Sie dürfen sich diese berühmten Tropfsteinhöhlen unter keinen Umständen entgehen lassen. Sie würden wirklich etwas verpassen“, versucht uns Molly zu überzeugen. Wir sind hin und hergerissen. Wissen nicht ob es das Risiko wert ist alles zu verlieren nur weil wir einmal zuviel vertraut haben. Wir glauben zwar an das Gute im Menschen, sind auf unseren Reisen aber gerade dann schon öfter betrogen worden. „Was sagt dein Gefühl?“, fragt Tanja. „Nichts. Es sagt nichts. Verhält sich absolut neutral.“ Nach längerem Hin und Her entscheiden wir uns gegen die Besichtigung. „Vielleicht können wir morgen noch mal mit dem Bus herfahren“, überlege ich, da wir im nächsten Ort einen Tag pausieren wollen, um uns ein wenig zu erholen. „Ja, das ist eine gute Idee. Also lass uns weiterfahren“, meint Tanja. Mittlerweile haben sich drei Polizisten zu uns gesellt, die ebenfalls bestätigen, die Räder ohne Bedenken hier lassen zu können. Wieder werden wir unsicher und überlegen. „Und sie arbeiten hier in der Verwaltung?“, will Tanja von der hilfsbereiten Molly wissen. „Ja, mache ich“, sagt sie freundlich lachend. Wir fragen uns, warum ein Mensch, ohne von uns irgendetwas zu wollen, soviel Engagement zeigt, nur damit die Ausländer einen schönen Nachmittag verbringen? „Wir können ihr vertrauen“, meine ich endlich überzeugt, worauf wir unsere Dokumenttasche um die Hüfte schnallen, Ajaci, die Räder mit Kameras, Laptops und allem anderen, zurücklassen und losstapfen. „Und du bist dir wirklich sicher?“, hakt Tanja noch mal nach. „Ich denke wir haben uns entschieden. Also lass uns diese Höhlen endlich ansehen“, entgegne ich.

Tatsächlich sind die Karsthöhlen um ein Vielfaches größer und noch imposanter als diejenigen die wir vorher besucht hatten. Hier sind wir auch nicht die Einzigen. In den hohen Hallen und schmalen Gängen schallen die Rufe und Gespräche der Besucher von Felswand zu Felswand. Trotz der vielen Menschen sind wir von diesem gigantischen Naturschauspiel, der größten Tropfsteinhöhle die wir je in unserem Leben gesehen haben, regelrecht geplättet. Nach zwei Stunden verlassen wir unter der rechten Hand einer überdimensionalen Buddhastatue, die zum Ausgang umfunktioniert wurde, die Höhle. Da in China viele der touristischen Attraktionen ein bisschen Ähnlichkeiten mit Disneyworld besitzen hat man hier eine Rutsche gebaut. Somit müssen die Besucher nicht die vielen Stufen nach unten steigen, sondern können, auf einer abriebfesten Schürze, einfach ins Tal rasen. „Wir sollten uns ebenfalls diesen Spaß gönnen“, schlage ich vor. „Meinst du wirklich?“ „Klar“, antworte ich, kaufe zwei Tickets, lassen uns eine Rutschschürze umbinden, steigen in die polierte Blechröhre und sausen unter lautem Lachen und Jubelrufen durch viele Steilkurven n die Tiefe.

Als wir unten ankommen steigt unsere Nervosität. „Ist bestimmt alles gut gegangen“, beruhige ich uns auf den Punkt zueilend von dem wir den Pavillon sehen können. Nachdem wir Ajaci und die Räder erkennen fällt uns ein Stein vom Herzen. Unser Hund jault vor Freude derart laut als hätte er uns ein Jahr nicht mehr gesehen. Tanja fällt vor Dankbarkeit der Chinesin um den Hals. „Das habe ich sehr, sehr gerne gemacht. Euer lieber Hund hat uns die Zeit vertrieben, meint sie auf ihre Freundin deutend, die ihr, bei diesem nasskalten Wetter, Gesellschaft geleistet hat…

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