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Mongolei/Pferde Camp MONGOLEI EXPEDITION - Die Online-Tagebücher Jahr 2011

Reisen durch einen Märchenwald

N 49°00'658'' E 103°16'608''
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    Tag: 41

    Sonnenaufgang:
    06:25 Uhr

    Sonnenuntergang:
    19:47 Uhr

    Luftlinie:
    15,07

    Tageskilometer:
    24

    Gesamtkilometer:
    504

    Bodenbeschaffenheit:
    Wiese

    Temperatur – Tag (Maximum):
    27 °C

    Temperatur – Tag (Minimum):
    24 °C

    Temperatur – Nacht:
    minus 8 °C

    Breitengrad:
    49°00’658“

    Längengrad:
    103°16’608“

    Maximale Höhe:
    1340 m über dem Meer

    Aufbruchzeit:
    12:00 Uhr

    Ankunftszeit:
    17:30 Uhr

Es ist 23:47. Ich sitze im eisigen Zelt und schreibe mit kalten Fingern diese Zeilen. Das heulen eines Wolfes dringt von den Bergen zu uns herunter. Mogi gebärdet sich wie ein Irrer. Sein Bellen treibt mich bald zum Wahnsinn. Es geht unaufhörlich ohne jede Unterbrechung. Wütend stürme ich aus dem Zelt in die frostige Nacht. „Mogi! Jetzt halt endlich mal die Klappe!“, brülle ich ohne jeglichen Erfolg. Der Hund nimmt nicht die geringste Notiz von mir. Er starrt in den Wald und bellt und bellt. Am liebsten würde ich ihn erwürgen. Aber das macht ja auch keinen Sinn. Dann wäre es zwar wieder ruhig im Camp aber wir hätten keinen Mogi mehr. Ich komme auf die Idee eine Plane vor dem Wagen zu hängen und mehrere Seesäcke davor zustellen, um ihn somit jegliche Sicht auf den Berghang zu versperren. Mogi bellt noch ein paar Mal verstummt aber dann etwas protzelnd. Ausgefroren schleiche ich durch das hohe Gras zu unserer Behausung. Ich öffne die steif gefrorene Zeltbahn und schlüpfe in unsere Outdoorhaus. Um 24:00 Uhr krabble ich wieder raus um Bilgee zu wecken. Müde antwortet er auf meinen Weckruf um seine Wachschicht zu übernehmen.

Am Morgen stehen wir wie abgesprochen um 8:00 Uhr auf. Von Ulzii und Bilgee ist nichts zu sehen oder zu hören. Da die beiden ihr Zelt etwa 100 Meter über unserem Lager in den Wiesenhang gebaut haben läuft Tanja die Böschung hoch, um sie zu wecken. „Sie schlafen wie die Bewusstlosen“, meint Tanja als sie wieder bei unserem Zelt ist. Um 9:00 Uhr rührt sich noch immer nichts. Ich gehe nach oben um sie erneut zu wecken. Nach mehreren Rufen antwortet Ulzii verschlafen. „Bilgee ist sehr müde.“ „Was? Wir sind auch sehr müde. Wir haben doch einen frühen Start ausgemacht“, antworte ich als sich langsam der Reißverschluss öffnet. „Bilgee hat das Führen des Pferdewagens sehr angestrengt“, sagt Ulzii auf den neben ihm liegenden Mann deutend. „Na dann kannst doch wenigsten du aufstehen“, antworte ich und mache mich wieder auf zu unserem Camp herabzusteigen. Um 9:15 Uhr kommt Bilgee verschlafen zum Pferdewagen wo Tanja die Küche aufgebaut hat. „Sorry, I am Sorry“, antwortet er freundlich mir sofort den Wind aus den Segeln nehmend. „Ist okay. Hauptsache ihr seid jetzt da.“, sage ich einen Teil der Ausrüstung in den Pferdewagen ladend. Bei der späteren Tagesbesprechung lasse ich Ulzii übersetzen ab sofort die Arbeit des Pferdewagenführens mit Bilgee zu teilen. „Ich kann verstehen dass dieser Job für eine Person zu anstrengend ist. Deshalb ist es nur fair wenn Ulzii und ich dich dabei unterstützen“, meine ich. „Sharga ist sehr gefährlich. Er tritt und beißt. Ich denke es ist keine gute Idee wenn du führst“, antwortet Bilgee fürsorglich. Wir haben auf unseren bisherigen Expetitionsreisen mit Pferden, Kamelen und Elefanten gearbeitet. Auch da waren so manche unberechenbare Tiere dabei. Ich denke schon dass ich das hinbekomme. Schlimm ist es nur wenn man die Gefahr nicht kennt. Wir wissen aber das Sharga mit Vorsicht zu genießen ist“, antworte ich. Bilgee willig daraufhin ein. Bevor wir gehen weicht Bilgee das getrocknete Ziegenfleisch in Wasser ein damit sie am Abend sich eine Mahlzeit daraus zubereiten können. Ist schon verrückt wie sie hier das Fleisch herumziehen. Es wird wie ein altes Paar Schuhe überall herumgeschmissen. Der augenblickliche Aufbewahrungsort ist ein verdreckter heruntergekommener Stoffbeutel der im Pferdewagen in einem Karton lagert. Oftmals fällt ein Stück zwischen die Ausrüstung oder auf den Boden. Alles egal. Es kommt in die Suppe oder geschnitten in Teig und wird gekocht. Damit sind die Bakterien tot aber der Dreck bleibt.

Weil das Wagenpferd Bor bereits sein Hufeisen rechts vorne verloren hat beschlossen wir gestern es heute mit einem Neuen zu ersetzen. Ulzii und Bilgee haben diesen Beschluss glatt vergessen weshalb ich nachfrage wann wir diese wichtige Arbeit durchführen wollen. Wegen den anhaltenden Übersetzungsschwierigkeiten meint Bilgee. „Ich musste heute erst das Zelt zusammenbauen, Wasser holen gehen und die Pferde versorgen. Ich kann es aber jetzt machen.“ „Ich habe nicht gesagt Bor muss noch vor dem Aufbruch neu behuft werden sondern wann wir diesen Job machen wollen. Wir können uns gerne auch heute Abend darum kümmern“, versuche ich mich klar auszudrücken, nicht das Bilgee meint ich möchte die Arbeit sofort getan haben.

Heute schaffen wir es bereits um 12:00 Uhr unterwegs zu sein. Unser kleiner Tross arbeitet sich langsam aber stetig die leichte Steigung hoch. Heute hat Sharga seinen Entlastungstag und Bor muss den Wagen ziehen. Wir bewegen uns durch einen märchenhaft schönen Wald. Die hohen Blumenwiesen zeigen die ersten Anzeichen des Herbstes. Tiefes dunkles Rot zieht sich durch die Birkenwälder deren weißen Stämme einen Kontrast zu den bunten niedrig wachsenden Grünzeug bildet. Große ehrwürdige Nadelbäume strecken ihre Kronen in den Himmel. Ihre Rinden sind von vergangenen Waldbränden schwarz gefärbt. Bilgee zieht Bor über einen grünen Pfad durch diesen Wald. „So habe ich die Mongolei noch nie erlebt“, freu ich mich den traumhaft schönen Tag genießend. Hier gibt es keine Jurten, keine Menschen. Ohne Zweifel befinden wir uns genau dort was man als Wildnis bezeichnen kann. An einer Weggabel entscheidet sich Bilgee dafür den weniger benutzten zu folgen. Wir arbeiten uns den Berg hinauf. Bor schwitzt. Der Schweiß rinnt ihm in Bächen über sein braunes Fell. Die Büsche werden immer aufdringlicher und verengen den Weg so sehr das bald nicht mehr an ein Weiterkommen zu denken ist. „Wir sollten umkehren und den besser genutzten Grasweg folgen“, schlage ich vor. Bilgee möchte die Spur nicht aufgeben, setzt sich auf Tenger um den den Weg auszukundschaften. 15 Minuten später kommt er zurück. „Da oben geht es nicht mehr weiter“, meint er weswegen wir umkehren.

In der Ferne sehen wir Menschen bei der Heuernte. Sie nutzen für ihre Arbeit einen kleinen Tracktor. Das Heu wird dann auf Kleinlaster geladen und zu den Winterlagern der Nomaden gebracht. „Soll ich dich beim Führen mal ablösen?“, frage ich Bilgee der es sich aber nicht nehmen lässt und freundlich abwinkt. Wir queren eine provisorische angelegte Brücke über einen Bach. Bor meister den Übergang bravourös während Tenger scheut und vor Aufregung seinen Kopf hochreißt. Ulzii hat Mühe ihn nicht ein zweites Mal zu verlieren kann ihn aber trotz gerissenen Halfterseil halten.

Am Ende des sich windenden Tales finden wir an einem Waldrand ein schönes Camp. Eine große Pferdeherde folgt uns neugierig. Dann jagen sie im wilden Galopp durch den nahen Bach. Das von der Abendsonne aufspritzende Wasser wird vom Wind über die grünen Wiesen getragen. „Willkommen im Indianerland“, lacht Tanja beherzt auf.

Nachdem wir unsere Zelte aufgebaut und ein Vordach über den Pferdewagen gespannt haben, kümmert sich Tanja um die Küche während Bilgee und Ulzi wegen ihrem Fleischkonsum und völlig anderen Geschmack heute für sich selbst kochen möchten. Essen ist für die beiden das A und O. Ohne Fleisch wären sie sehr unglücklich und auf dem Trip nicht zu halten. Sie haben einen kleinen Gaskocher dabei aber kein Gas. „Können wir bitte eine Gasflasche bekommen?“, fragt Ulzii. Da wir mit Benzin kochen habe ich nur aus einem Bauchgefühl heraus zwei Gasflaschen in Erdenet gekauft und kann sie unseren Begleitern anbieten. „Das sind die einzigen die wir haben. Ihr müsst damit haushalten“, sage ich. „Eigenartig. Obwohl sie wissen auf so eine Reise zu gehen und für ihren Kocher Gaskartuschen benötigen haben sie keine dabei. Wie soll man so etwas verstehen?“, fragt Tanja. „Wer weiß? Vielleicht ist das Kochen mit Gas in der Mongolei so normal geworden, dass sie überhaupt nicht darüber nachdachten wir könnten mit etwas anderem unsere Nahrung erhitzen. Trotzdem hätten sie uns beim Einkaufen darauf aufmerksam machen können. Bei dem Energieverbrauch, den sie beim Zubereiten ihrer aufwendigen Mahlzeiten haben, langt so eine Kartusche maximal für drei bis vier Mahlzeiten. Wir bekommen also bald ein Energieproblem“, überlege ich laut und denke darüber nach ob wir in Zukunft am Campfeuer kochen sollten. „Ist eine gute Idee. So wie es aussieht gibt es hier viel Wald und dementsprechend auch Holz“, ist Tanja mit mir einer Meinung.

Während wir unser Abendessen zu uns nehmen sprechen Tanja und ich über die Reiseroute und ob wir unser Ziel noch vor dem Winter erreichen können. Die Tage werden zunehmend kälter. Vor allem in den Nächten sind die Temperaturen weit unter Null Grad gefallen. Mit jedem Kilometer den wir weiter in Richtung Norden reiten wird es kälter. Die Stadt Mörön ist die kälteste Stadt in der Mongolei. In Mörön müssen wir unsere Route und Pläne neu überdenken. Wenn es zu kalt wird ist an ein Weiterkommen mit unseren sehr schlecht ausgerüsteten Leuten nicht mehr zu denken. Sie frieren bereits jetzt schon jede Nacht mehr als wir.

Noch bevor wir in unsere Zelte krabbeln entscheiden wir uns an diesem Ort zwei Tage zu bleiben. Bilgee hatte am Nachmittag den indirekten Wunsch geäußert hier gerne Jagen zu gehen. Da uns bewusst ist wie wichtig eine zufriedene Crew ist fällten wir diese Entscheidung. Außerdem müssen wir Bor ein neues Hufeisen verpassen. Auch der gefährliche Sharga hat eines am Hinterfuß verloren. Allerdings ist es aus meiner Sicht Lebensgefährlich ihn neu zu beschlagen. Seine Exbesitzer sind anscheinend nicht die besten Menschen. Wie sonst kann ein Tier so gefährlich für den Menschen werden. Es hätte uns stutzig machen sollen als sie ihn sofort verkaufen wollten. Mein Bauchgefühl hatte mich gewarnt. Doch aus Angst, kein anderes Wagenpferd zu bekommen, hatte ich es ignoriert. Jetzt haben wir so ein völlig unberechenbares Tier dabei obwohl es unser oberstes Gesetz war nur gute Pferde zu kaufen.

„Heute fühle ich mich zum ersten Mal wieder freier. So als gehöre ich hierher. Mein Kopf wird langsam wieder klarer. Der Stress in Deutschland und die anstrengende Vorbereitung beginnen langsam zu verblassen. Ich denke eine meiner wichtigsten Lernaufgaben während dieser Reise ist es für mich alles gelassener zu nehmen. Mir nicht immer so einen Druck aufzubauen. Vielleicht lerne ich das von den Mongolen. Die sind diesbezüglich entschieden lockerer drauf. Es wäre fantastisch wenn wir eins werden mit diesem Land. Wenn wir etwas von seiner Stärke, Kraft und Ruhe annehmen könnten“, sage ich zu Tanja mich im Schlafsack rekelnd.

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