Skip to content
Abbrechen
image description
TESTFAHRT NORWEGEN & RUSSISCH POLARKREIS - 2019

Probleme mit russischer Tollwutimpfung

N 64°03’10.5’’ E 011°29’33.9’’
image description

    Tag: 11

    Land:
    Norwegen

    Ort:
    Parkplatz

    Tageskilometer:
    358 km

    Gesamtkilometer:
    2496 km

    Luftlinie:
    284

    Durchschn. Geschwindigkeit
    58 kmh

    Fahrzeit:
    8 Std.

    Bodenbeschaffenheit:
    Asphalt

    Maximale Höhe:
    200 m

    Sonnenaufgang:
    03:27 Uhr

    Sonnenuntergang:
    23:12 Uhr

    Temperatur Tag max:
    24°

    Temperatur Tag min:
    14°

    Temperatur Nacht:
    09°

    Aufbruch:
    11:30 Uhr

    Ankunftszeit:
    Uhr 19:45 Uhr

     

(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)

LINK ZUR REISEROUTE

Am Morgen benetzt leichter Nieselregen das bergige Land. Tiefe Wolkengebilde ziehen sich durch die Täler. Berge strecken ihre Rücken durch die geisterhaften, dahinschwebenden Gebilde. Auch wenn ich lieber Sonne und Wärme mag, ist dieser Anblick beeindruckend und geradezu schön. „Auf einen neuen, erlebnisreichen Tag“, sagt Tanja, schwingt sich aus dem Bett, um mit Ajaci eine Runde joggen zu gehen. Ich nutze die Zeit, um mich mit meinem täglichen Yogym, eine Mischung aus Yoga und Gymnastik, fit zu halten. „Was hältst du von einem Obstfrühstück?“, fragt Tanja voller Tatendrang, als sie ihre Runde am Fuße der Berge gedreht hat und unser mobiles Heim wieder betritt. „Eine super Idee“, antworte ich und freue mich über den Luxus, egal wo wir uns befinden, immer besser speisen zu können, als in den meisten Restaurants dieser Welt. „Schon geil hier mitten auf einen Parkplatz zu stehen, auf die wolkenverhangenen Berge zu blicken und dabei von seiner lieben Frau ein Obstfrühstück zubereitet zu bekommen“, sage ich, stelle die Heizung etwas höher, setze mich an den Tisch, klappe mein Smartphone auf, um zu sehen, ob uns jemand eine E-mail geschrieben hat. „Ich glaube es nicht“, erschrecke ich, als ich Kostyas Nachricht lese. „Was denn?“, fragt Tanja, mich besorgt ansehend. „Er schreibt, dass die Russen eine Tollwutimpfung verlangen, die bei Einreise mindestens einen Monat alt sein muss und nicht länger als ein Jahr Gültigkeit besitzt.“ „Was? Kann nicht sein? Ajacis Tollwutimpfung war schon vor 14 Monaten, gilt aber drei Jahre. Er hat also die richtige Impfung“, erschrickt Tanja. „Nach russischem Recht sieht das anscheinend anders aus“, entgegne ich und spüre wie mein eben noch gefühltes emotionales Hoch in den Keller stürzt. „Das würde im Worst Case bedeuten, dass die Russen uns nicht einreisen lassen“, äußere ich, meine Gedanken laut. „Glaube ich nicht. Ajaci hat eine gültige Tollwutimpfung. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Ich habe noch vor unserer Abreise über die Impfbestimmungen genau recherchiert. Kostya muss sich täuschen oder diese Bestimmung betrifft uns nicht“, ist sich Tanja sicher, spüre aber in ihrer Stimme aufkommende Nervosität. „Wenn die Russen uns nicht hereinlassen sollten, sie uns also an der Grenze wieder zurückschicken, was ist dann mit den Norwegern? Gilt diese Bestimmung auch hier? Die haben uns bei der Einreise ja nicht gecheckt“, gebe ich zu bedenken. „Und wenn das so ist, dürfen wir nicht mehr nach Norwegen rein, sobald wir das Land verlassen haben. Wir würden uns dann im sogenannten Niemandsland befinden“, lasse ich meine Gedanken weiter sprudeln. „Oh Gott, das wäre furchtbar. Die Norweger sind doch super streng mit Hundeimpfpässen“, befeuert Tanja meine Nervosität.

In einer wahren Horrorstory hatten wir von einem üblen Fall gehört. Nach dieser Geschichte sind die Reisenden, wegen einem fehlerhaften Hundeimpfpass, von den Russen wieder nach Norwegen zurückgeschickt worden. Weil dann, bei der erneuten Einreise nach Norwegen, die spezielle von Norwegen verlangte Bandwurmimpfung, die frühestens 120 bis spätestens 24 Stunden vor der Einreise dem Hund verabreicht werden muss, abgelaufen war, durfte die Familie mit ihrem Hund nicht mehr einreisen. Sie waren also zwischen den zwei Ländern regelrecht gefangen. Damit die norwegischen Behörden den Hund nicht einschlärfen ließen, mussten die Hundebesitzer ihren Liebling angeblich mit einem Hubschrauber ausfliegen lassen. Das ist zwar haarsträubender Schwachsinn, aber Gesetz ist nun mal Gesetz. Schwachsinn hin Schwachsinn her.

„Was machen wir jetzt?“, frage ich. „Keine Ahnung, am besten ich rufe Kostya gleich mal an. Vielleicht ist das alles nicht so schlimm wie wir uns das jetzt ausmalen“, sagt Tanja und wählte seine Nummer. Kostya, der Inhaber von Abenteuer Osten, mit dem wir uns Ende des Monats an der norwegischen-russischen Grenze treffen wollen, um die lange geplante Pioniertour im Polarkreis zu unternehmen, ist mit seinem neuen bimobil zur Zeit ebenfalls in Norwegen unterwegs. „Es tut mir wirklich leid, aber so wie es aussieht sind das die aktuellen Bestimmungen. Die russischen Behörden ändern immer wieder ihre Bestimmungen. Manchmal recht kurzfristig. Da sind die nicht besser als die Europäer. Letztendlich ist das eine politische Sache. Wie ihr wisst, sind sich die Europäer und Russen zurzeit nicht grün und ärgern sich, mit solch einfältigen Gesetzen, gegenseitig. Wenn wir Glück haben interessiert das an der Grenze aber keinen und wir können trotzdem einreisen“, hören wir, sind durch die Aussage aber in keiner Weise zuversichtlicher.

„Und hast du eine Idee?“, fragt Tanja nach einigen Schweigeminuten. „Wir könnten in Trondheim zum Tierarzt gehen und fragen, ob er Ajaci eine neue Spritze verpasst“, überlege ich. „In zwei Wochen wollen wir nach Russland einreisen. Die Bestimmung sagt aber, dass die Impfung mindestens einen Monat alt sein muss. Das ergibt also keinen Sinn. Außerdem sprachen wir doch davon, dass diese bescheuerte Tollwutregelung eventuell auch in Norwegen gilt. Was ist, wenn wir mit dem Besuch beim Tierarzt schlafende Hunde wecken und er uns Schwierigkeiten macht?“ „Hm, da ist was dran, aber Angst war schon immer ein schlechter Berater“, entgegne ich. „Außerdem glaube ich nicht, dass die Bestimmungen in Norwegen genauso sind wie in Russland“, füge ich noch hinzu. „Lass uns erstmal losfahren und überlegen welche Schritte sinnvoll sind und uns nichts übers Knie brechen“, schlägt Tanja vor. „Okay“, antworte ich, die Terra vom Parkplatz rollen lassend.

Wie in den vergangenen Tagen cruisen wir durch eine kaum zu beschreibende schöne Landschaft. Obwohl wir die Fahrt in vollen Zügen genießen, lässt uns das Impfthema nicht mehr los. Tanja hat indes die Inhaber von bimobil, Sabine und Stefan, erreicht. Da sie ebenfalls an der Polakreiskreis-Expedition teilnehmen und ihre zwei Hunde mitnehmen, informieren wir sie über unsere neuen Erkenntnisse der Impfsituation. „Ja, davon haben wir gehört. Die Tollwutimpfungen unserer Hunde sind auch schon älter als ein Jahr. Da unsere tschechischen Wolfshunde in Norwegen aber nicht einreisen dürfen, fahren wir über Finnland nach Russland. Die Finnen kümmern sich um so einen Mist nicht. Sind da anscheinend etwas lockerer. Wir glauben, dass die Russen die Tollwutimpfung nicht interessiert. Man kann ja den Tollwut-Titer (Antikörpernachweis) im Blut der Hunde nachweisen. Das geht bestimmt gut“, hören wir und sind etwas beruhigter.

„In Trondheim gibt es mehrere Tierärzte“, sagt Tanja wenig später ihr Smartphone zuklappend. „Also auf zum Tierarzt nach Trondheim. Mal sehen was der sagt. Der kennt bestimmt die Grenzsituation und kann uns sicherlich weiterhelfen“, meine ich.

Stunden später queren wir den Fluss Nideva in die Universitätsstadt Trondheim, die mit ihren knapp 200.000 Einwohnern die drittgrößte Metropole Norwegens ist und wie viele Teile des Landes von 1940 bis 1945 von deutschen Truppen besetzt war.
Trondheim wurde bereits im Jahre 997 von König Olav I. Tryggvason gegründet und war im Mittelalter Sitz des Königs und damit Hauptstadt Norwegens. Mit seinem Flughafen, den Bahnverbindungen nach Oslo und Schweden und seinen Hafen ist Trondheim heute ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt für den gesamten nördlichen Teil des Landes. Auch hier wüteten, wie in der Stadt Bergen, schlimme Feuer. Bei einem furchtbaren Brand, im Jahre 1681, erlag die gesamte Innenstadt den hungrigen Flammen. Das war der Grund warum der damalige König die Stadt nach kontinentalem Vorbild wieder aufbauen ließ. Es entstanden zwei breite Hauptstraßen, die zum Marktplatz führten und sich dort kreuzten. Alle anderen Wege legte man nach dem Schachbrettmuster an.

„Ich warte hier und drücke uns die Daumen“, sage ich, als wir vor der Tierklinik geparkt haben und Tanja und Ajaci das Mobil verlassen. Bereits eine viertel Stunde später kommt Tanja mit einem Lächeln im Gesicht wieder. „Also, die europäische Tollwutbestimmung gilt hier genauso. Das ist schon mal sehr gut. Allerdings scheinen die Russen das tatsächlich anders zu sehen. Kostya hatte recht. Wenn wir Pech haben, lassen uns die Russen mit Ajacis aktuellen Impfpass nicht über die Grenze. Wenn nicht, können wir aber jederzeit wieder nach Norwegen zurück und es an einer anderen Grenze erneut versuchen“, meint sie zuversichtlich…
 

This site is registered on wpml.org as a development site.