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RED EARTH EXPEDITION - Etappe 2

Ob es den Nomaden besser erging als uns?

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    Tag: 86 Etappe Zwei

    Sonnenaufgang:
    05:44

    Sonnenuntergang:
    17:34

    Luftlinie:
    28

    Tageskilometer:
    32

    Temperatur - Tag (Maximum):
    28 Grad

100 Dollar-Camp — 09.09.2001

Der Aufbruch kommt uns heute schwerer vor als sonst. Wir bewegen uns wie ein Motor der im ersten Gang läuft. Alles geht so langsam, dass ich glaube als hätte uns jemand Sand ins Getriebe geworfen. Wie in Zeitlupe heben wir die Sättel auf die Kamelrücken und während sich Tanja um die Seilverbindungen der Tiere kümmert hieve ich die Ausrüstung in die Taschen. Kurz nach Acht Uhr brechen wir auf und laufen durch ein blühendes Blumenmeer, bis wir den Track erreichen. Um Energie zu sparen sprechen wir kaum und sehnen uns schon nach wenigen Metern wieder nach Rast. Einfach einmal Nichts tun. Nur herumliegen und unseren gepeinigten Körper und Geist ausruhen. Nach wenigen Kilometern spüre ich wie sich die Blasen am Fußballen wieder mit Wasser füllen und zu brennen beginnen. „Wie geht es dir? Bist du auch so furchtbar müde?“ ,frage ich Tanja die heute keinen guten Eindruck auf mich macht. „Ich weiß nicht wie wir das schaffen sollen. Ich bin fix und fertig. Ich habe glatt vergessen wie anstrengend die erste Etappe war und ich werde das Gefühl nicht los, dass diese noch härter ist,“ antwortet sie mit kraftloser Stimme. „Mir geht es um keinen Deut besser,“ sage ich auf die rote Erde blickend. Schweigend und leidend ziehen wir weiter. Ich denke über die Aborigines nach und frage mich ob es ihnen besser erging als sie von Wasserloch zu Wasserloch zogen? Sie waren vor nicht all zu langer Zeit noch Nomaden und ihr Leben bedeutete nichts anderes als ständig unterwegs zu sein. Natürlich hatten sie keinen straffen Zeitplan wie wir, denn Zeit bedeutet ihnen kaum etwas. Auch hatten sie kein Gepäck, denn sie hingen nicht an materialistischen Dingen und kamen mit dem aus was ihnen Mutter Erde bot. Wir hingegen benötigen für unser Überleben sieben Kamele, um ca. 1400 Kilogramm Ausrüstung, Essen und Wasser mit uns zu führen. Ein Teil des Gewichtes geht in die Technik die wir brauchen, um über unsere Erfahrungen Bericht zu erstatten. Das Meiste aber müssen wir mitführen, weil wir die Wasserlöcher nicht kennen und weil wir nicht genügend Erfahrung besitzen welche Pflanzen essbar sind und welche nicht. Obwohl wir uns auf diese im Vergleich dekadente Weise fortbewegen habe ich das tiefe Gefühl eine Verbindung mit diesem Land hergestellt zu haben. Ich habe das Gefühl mit der Erde mehr und mehr zu verschmelzen und ihre Sprache zu verstehen. Ob wir jemals nur annähernd die Verbindung zur Erde so aufnehmen können wie ein Volk die ein Leben lang ihrem Traumpfad gefolgt sind? Ob wir jemals das erfahren was einem die Erde lernen kann? Ob wir jemals aus dem Urwissen der Menschheit und deren Planeten schöpfen können? Ich denke über meine Wünsche und Ziele nach und frage mich gleichzeitig ob ich sie mir nicht zu hoch gesteckt habe. Aber auch wenn es im Augenblick so aussieht als wären sie in weiter Ferne kann ich mir nichts Schöneres vorstellen als sie zu erreichen. „Auto!“ warnt mich Tanjas Ruf. Sofort führe ich die Karawane auf die Seite des Weges und halte sie an als ein Bus um die weitgezogene Biegung kommt und neben uns stoppt. Aboriginekinder johlen und jubeln uns zu. „Ihr seid also die Zwei die unser Land zu Fuß durchqueren. Was ist denn euer Ziel?“ ,fragt der freundliche Fahrer. „Die Ostküste. Vielleicht Townsville,“ antwortet Tanja. „Habt ihr Carl schon gesehen? Er wollte euch besuchen.“ „Nein, heute seid ihr das erste Fahrzeug das uns begegnet.“ „Er ist gestern in Richtung Punmu gefahren. Wenn wir ihn sehen sage ich ihm bescheid das ihr kurz vor Kunawarritji seid.“ „Vielen Dank,“ antwortet Tanja lachend und verabschiedet sich. Als der Bus wieder anrollt winken uns unzählige Kinderhände zu. „Auf wieder sehen! Auf wieder sehen!“ grölen die vielen fröhlichen Münder bis ihre hellen lebensfrohen Stimmen von einer riesigen Staubwolke verschluckt werden. Eine Stunde danach kommt wieder ein Fahrzeug angedonnert. „Es ist ein roter Jeep. Vielleicht ist es Carl,“ sagt Tanja nach hinten sehend. Augenblicke später hält der Jeep hinter der Karawane an. „Ich bin Carl von Kunawarritji und das ist meine Lebenspartnerin Cathy. Ich habe einiges an Ausrüstung für euch,“ sagt der braungebrannte, sympathische Mann der mit nacktem Oberkörper am Steuer seines offenen Jeeps sitzt. Ich übergebe Tanja die Führungsleine von Sebastian und unterhalte mich eine Weile mit dem Leiter der Aboriginegemeinschaft. Er ist zwischen 45 und 50 Jahre alt. Sein blonder Vollbart, seine vom Fahrtwind zersausten Haare, die vielen Ohrringe und die große goldene Kette um seinen Hals, an deren Ende ein ebenfalls goldenes Herz baumelt, zeigen mir, dass er alles andere als gewöhnlich ist. Seine sprühenden Augen, die Gestik und die Art wie er mit mir spricht zeugen von einem gastfreundlichen Menschen der gerne hier draußen lebt. „Klar könnt ihr euch bei uns ausruhen. Wenn ihr wollt dürft ihr euer Lager auf dem Fußballplatz aufschlagen und bei uns eine heiße Dusche genießen. Das mit euren Sätteln und wie wir sie euch bringen besprechen wir wenn ihr da seid,“ vernehme ich seine Einladung worauf uns ein Stein vom Herzen fällt. Oft haben wir davon gehört, dass Weiße oder Touristen in einer Aboriginegemeinschaft nicht gerne gesehen sind. In Kunwarritji scheint das anders zu sein. „Bis übermorgen,“ sage ich zu Cathy und Carl und schüttle zum Abschied ihre Hände. Erleichtert bald ein paar Tage ausruhen zu können stehen wir da und sehen dem Fahrzeug hinterher bis das tiefe Summen der Achtzylindermaschine hinter einem Dünenrücken verschwindet.

Auf dem weiteren Weg unterhalten wir uns über das angenehme, vielversprechende Treffen. Obwohl sich im nachhinein schon viele Menschen zum Gegenteil gewandelt haben und wir dann letztendlich fürchterlich enttäuscht waren glauben wir in den beiden das getroffen zu haben was dieses erste Begegnung verspricht.

Da wir morgen schon am frühen Nachmittag unser Ziel erreichen wollen müssen wir heute so weit wie möglich kommen. Wir versuchen unsere Schmerzen zu ignorieren und setzen einen Fuß vor dem anderen. „Wie weit ist es noch von Kunwarritji bis zu unserem Etappenziel?“ ,fragt Tanja plötzlich. „Wenn wir das Hochwasser bei Kiwirrkurra umgehen sind es noch ungefähr 1400 Kilometer. Wenn wir den Umweg über den Gary Highway marschieren ca. 1600 Kilometer und wenn Jo und Tom eine Unterkunft direkt bei Alice Springs für uns finden sollten ca. 1100 Kilometer. Aber ehrlich gesagt brauchen wir nicht mit ihren Erfolg rechnen. Ich denke wir sollten die Einladung der Station unweit vom Ayers Rock annehmen. Es ist zwar eine gigantische Strecke bis dorthin aber ich habe das Gefühl, dass dort unsere Kamele sicher sind und nicht wie auf Anna Plains davon laufen werden. Zumindest hat mir der Stationbesitzer am Telefon einen sehr sympathischen und seriösen Eindruck gemacht. Wie auch immer, letztendlich hängt alles von der Genehmigung der Aborigines ab, ob und wo wir ihr Land durchqueren dürfen. Hauptsache wir dürfen durch. Das ist das Einzige was in diesem Augenblick zählt. Tanja antwortet mit einem vielsagenden Schweigen. Nach 32 Kilometer laufen wir mehr oder weniger auf dem Zahnfleisch. Wir suchen schon seit einer halben Stunde nach einem Übernachtungsplatz aber wie es oft so ist gibt es in dieser Gegend zu wenig essbare Pflanzen für unsere Jungs. Wieder hören wir die Motorengeräusche eines Autos. Zwei Allradfahrzeuge halten neben uns an. Die Insassen steigen aus, begrüßen uns lachend und fragen ob sie einige Fotos schießen dürfen. „Klar soviel ihr wollt,“ antworte ich ebenfalls lachend. „Ich heiße John Archibald, das ist meine Frau Anne und unsere Freunde Caroline und Ken Mc Naught mit Tochter Emily,“ stellt der freundliche Mann die kleine Reisegruppe vor. Wir schütteln uns zur Begrüßung die Hände. Dann beantworten wir die vielen Fragen woher wir kommen und wohin unsere Reise gehen soll. Ich erzähle ihnen ein wenig von unseren Erlebnissen bis mich Tanja an die Lagerplatzsuche erinnert. Da es schon spät ist verabschieden wir uns daraufhin von den netten Menschen und führen schon wenige hundert Meter weiter die Tiere in das dichte Spinifexgras. Kaum haben wir sie absetzen lassen kommt eines der zwei Fahrzeuge zurück. „Die suchen uns,“ sagt Tanja. „Ja sieht so aus. Ich laufe schnell zum Track zurück. Vielleicht kann ich sie abfangen wenn sie wieder umkehren,“ antworte ich und spurte los. Kaum habe ich den Erdweg erreicht, kommt der Jeep zurück. „Wir dachten wir haben euch verloren,“ sagt John. „Ja sobald wir den Track verlassen sind wir gut getarnt,“ antworte ich lachend. „Äh, ihr habt uns mit eurer Geschichte derart inspiriert, dass wir uns noch mal bei euch bedanken wollen. Es ist wirklich großartig was ihr da tut. Ihr lebt unseren Traum. Bitte akzeptiere die kleine Aufmerksamkeit von uns,“ sagt Ken ebenfalls lachend und überreicht mir ein Stück zusammengelegtes, weißes Papier. „Das kann ich nicht annehmen. Wir haben uns gerne mit euch unterhalten.“ „Du würdest uns eine große Freude machen es zu akzeptiere,“ meint Ken freundlich. Ich überlege einen kurzen Augenblick, strecke meine Hände aus und nehme das Papier entgegen. „Tausend Dank. Ich wünsche euch eine gute und sichere Reise,“ verabschiede ich mich. „Wir euch auch,“ antworten sie und fahren gen Osten davon. Auf dem Weg zum Camp öffne ich den Umschlag. Ich kann es nicht fassen. Neben einem kurzem Dankschreiben halte ich 100 Dollar in meinen Händen. „Schau mal was sie uns geschenkt haben,“ sage ich immer noch fassungslos als ich wieder bei Tanja bin. „Ist ja nicht zu glauben. Warum denn?“ „Ich weiß es nicht. John und Ken meinten wir haben sie total inspiriert und sie sind glücklich uns getroffen zu haben,“ antworte ich auf die 100 Dollar sehend. Ich stecke das Geld nachdenklich in meine Brusttasche und beginne die Kamele zu entladen. Als Tanja Edgars Beine zusammenbinden möchte und ihre Hände unter seinen auf den Boden liegenden Füßen hat, springt er plötzlich hoch. „Edgar, bist du verrückt,“ schimpft sie auf die Seite hechtend. „Bist du in Ordnung?“ ,frage ich besorgt. „Ja, alles okay.“ Ich hebe gerade die Seiltasche aus Jafars Satteltasche als Edgar wieder hochspringt. „Ahhh!“ ,schreit Tanja die von seinem Hals getroffen und zur Seite geschleudert wird. Sofort springe ich zu ihr, doch sie ist schon wieder auf den Beinen. „Ich glaube ich habe mir den Rücken verletzt,“ jammert sie. „Oh nein. Ist es schlimm?“ „Ich weiß nicht. Es wird schon gehen,“ antwortet sie. Wir entdecken die Ursache für Edgars Verhalten. Hinter seinen Beinen kreuzt eine Ameisenstraße den Sand und es sieht so aus als sitzt Edgar genau auf ihr drauf. Ich lasse ihn dann im Rechtenwinkel zu Istan absetzen. Wir beobachten ihn eine Weile ob er wieder aufspringt und als er sitzen bleibt setzt Tanja ihre Arbeit fort. Aus Sicherheitsgründen halte ich Edgar an seiner Nasenleine. Mit letzter Kraft schaffen wir es unsere Boys zu entladen und sie zum fressen frei zu lassen. Kaum sind sie losgebunden rasen sie wie Flüchtende in das dichtbewachsen Spinifexland. Tanja folgt ihnen fluchend und wie in Zeitlupe während ich mit der Schaufel das stachelige Gras beseitige, um einen Platz für unser Zelt zu schaffen. Obwohl es schon 16 Uhr ist brennt die Sonne immer noch heiß vom Firmament. Von Zeit zu Zeit blicke ich auf und sehe besorgt nach Tanja die sich viele hundert Meter vom Camp entfernt befindet. Sie hat offensichtlich Schwierigkeiten alle Kamele auf deren Wanderung und Suche nach Futter in einer Gruppe zu halten. „Denis komm mal her!“ höre ich ihren Rufen. Sofort laufe ich los und setze meine kraftlosen und schmerzenden Beine über die verdammt stacheligen, hüfthohen Grasbüschel. „Was ist los?“ ,frage ich schnaufend als ich sie erreiche. „Die Pflanze da drüben sieht aus als wäre es Cooktown Ironwood. Was glaubst du?“ Ich untersuche das Gewächs. Da der Cooktown Ironwood aber bis zu 12 oder 15 Meter hoch wächst und dies hier nur ein Busch ist glaube ich das er ungiftig ist. „Der Busch müsste okay sein,“ beruhige ich Tanja und stapfe müde zum Camp zurück um die Essensboxen neben die Stühle zu stellen damit Tanja später etwas für uns kochen kann.

Es ist 18 Uhr 30 als wir halbgelähmt vor Müdigkeit in unseren Stühlen sitzen. Während Tanja heißes Wasser kocht beschäftige ich mich mit der Navigation. „was macht dein Rücken?“ frage ich besorgt als Tanja sich über das Feuer beugt um den Billy aufzustellen. „Er schmerzt aber ich hoffe das es morgen wieder besser geht.

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