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RED EARTH EXPEDITION - Etappe 3

Nur noch 300 Laufkilometer bis zur Küstenstadt Rockhampton

N 23°25’24.3“ E 148°58’38.5“
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    Tag: 241 Etappe Drei / Expeditionstage gesamt 632

    Sonnenaufgang:
    05:28

    Sonnenuntergang:
    18:56

    Luftlinie:
    22,3

    Tageskilometer:
    38

    Gesamtkilometer:
    6632 km

    Temperatur - Tag (Maximum):
    35° Grad, Sonne ca. 55°

    Temperatur - Nacht:
    22° Grad

    Breitengrad:
    23°25’24.3“

    Längengrad:
    148°58’38.5“

Cowboy John-Camp — 12.01.2003

Während unserer Australiendurchquerung verlassen wir heute zum letzten Mal eine Homestead im Busch. Wir haben uns vorgenommen die ca. 300 Laufkilometer bis Paradise Lagoons ohne weiteren Zwischenstopp hinter uns zu bringen und rechnen damit die Strecke in 10 Tagen zu schaffen. Da Paradise Lagoons das theoretische Ziel unserer Expedition bedeutet fühlen wir uns motiviert. Die Station des bekannten Rinderbarons Graeme Acton liegt kurz vor Rockhampton und wenn wir sie erreicht haben kann uns keiner mehr den Durchquerungserfolg absprechen. Trotzdem wollen wir unsere Expedition mit einer Berührung des Pazifischen Ozeans beenden. Für uns bedeutet das allerdings eine weitere große Herausforderung. Um unser Traumziel zu erreichen sind wir gezwungen von Paradise Lagoons weitere 70 Kilometer zu laufen und zwar durch die Stadt Rockhampton und auf dem Highway zum Küstenort Emupark.

Natürlich ist uns klar, dass die Stadt Rockhampton für unsere Karawane eine unberechenbare Gefahr bedeutet, doch leider gibt es im Umkreis von vielen hundert Kilometern nur zwei große Brücken die den riesigen Fitzroy River überspannen. Um die Küste zu erreichen sind wir gezwungen diesen großen Fluss zu überqueren der zwischen dem Meer und dem Inland eine ernstzunehmende Barriere bildet. Leider befinden sich beide Brücken im Zentrum der Stadt. Um den Pazifik zu erreichen benötigen wir also eine Polizeieskorte die für uns den Verkehr auf der Brücke stoppt. Auch weiß ich bisher noch nicht wie wir den stark befahrenen Highway bis nach Rockhampton umgehen können. „Lass es fließen Denis. Wenn es soweit ist wird sich schon eine Lösung finden, um die jetzt unübersehbaren Hindernisse zu bewältigen,“ flüstere ich meine Gedanken beantwortend und gebe das Kommando zum Aufbruch. Wir winken unseren Gastgebern Rona und Ian, bis sie hinter den hin und her schaukelnden, beladenen Sätteln der Kamele verschwinden.

Da wir Judith und John versprochen haben heute einen Abend mit uns im Camp verbringen zu dürfen folgen sie uns. Obwohl wir Judith ernsthaft abrieten die Karawane zu Fuß zu begleiten, läuft sie jetzt mit Tanja hinter den Kamelen. John folgt uns im größeren Abstand mit seinem Jeep. Schon nach wenigen hundert Metern verlieren Tanja und Judith den Kontakt zur Karawane. Judith ist das schnelle Laufen nicht gewohnt und kann nicht mithalten. Um unser Tagesziel zu erreichen sind wir allerdings gezwungen unsere Durchschnittslaufgeschwindigkeit von ca. 5,5 Stundenkilometer einzuhalten. Als ich nach 2 ½ Kilometern das Gatter erreiche, welches uns den Weg zur Straße freigibt, muss ich lange auf die Beiden warten.

Auf der einspurigen Straße muss Tanja direkt hinter der Karawane gehen, um mich vor heranbrausenden Roadtrains und Autos zu warnen. Das ist der Zeitpunkt in dem Judith zu John ins Auto steigt und wir wieder in gewohntem Marschtempo vorankommen. Es dauert allerdings nicht lange, bis wir die Talsenke am Staudamm des Mackenzie River durchschreiten. Von hier folgen wir dem alten Rinderpfad der vor über hundert Jahren einmal angelegt wurde um Konsumgüter von der Küste zu den abgelegenen Stations zu bringen und anders herum, die Rinder von den Stations zur Küste treiben zu können. Da die alte Stockroute schon seit dem Bau der Eisenbahnlinie nicht mehr benutzt wurde, existiert sie nur noch auf der Karte. Wir sind also wieder gezwungen uns in einem Querfeldeinmarsch durchs Land zu schlagen. 15 Kilometer östlich von hier werden wir die Straße der Jellinbah East Mine erreichen. John kann uns mit seinem Jeep auf den nächsten 15 Kilometern nicht begleiten. Das Gelände ist dafür viel zu rau. Wir vereinbaren unsere Besucher auf der anderen Seite zu treffen. Sie müssen mindestens 80 Kilometer Umweg fahren. „Bis später!“ ,ruft Judith und winkt uns nach als wir unseren Lauf fortsetzen.

Wieder alleine marschieren wir über eine bucklige Graslandschaft. Immer wieder treffen wir auf Zäune an denen wir so lange entlang schreiten, bis wir ein Gatter finden. Schon wenige Marschstunden hinter Cooroorah Station wird wieder alles trocken. Die lokalen Gewitter haben nur in vereinzelten kleinen Gebieten das Gras wachsen lassen. In über 90 Prozent des Landes herrscht nach wie vor die schlimmste Dürre seit hundert Jahren. Mühsam schreiten wir durch hohes, stachliges Gebüsch und totes, völlig ausgetrocknetes Gras. Wir entdecken eine Wasserpipeline deren mit Räummaschinen aufgeworfenen Erdstreifen wir für ein paar Kilometer folgen.

IHM FALLEN FAST DIE AUGEN IN DEN ROTEN SAND

Ich ziehe unsere Jungs gerade wieder einen der Zäune entlang als uns plötzlich zwei mächtige Bullen den Weg versperren. Als der Eine die Karawane entdeckt springt er auf und rast davon. Der andere herausgefressene Stier bleibt jedoch liegen und scheint uns völlig zu ignorieren. Da sich links von uns eine Baumgruppe und rechts von uns der Zaun befindet, versperrt der mächtige Rinderkönig uns den Weg. „Komisch, normalerweise müsste er doch abhauen?“ ,sage ich nur 10 Meter hinter ihm stehend. „Er scheint Menschen gewohnt zu sein,“ meint Tanja. „Menschen vielleicht schon, aber Kamele?“ ,antworte ich grübelnd, bücke mich, hebe einen der vertrockneten Kuhfladen auf und schleudere ihm den Bullen auf den Arsch. „Er rührt sich kein bisschen,“ wundert sich Tanja. „Hm, seltsam.“ „Schau mal seine Augen an. Ob er blind ist?“ ,fragt Tanja. „Kann ich mir nicht vorstellen. Ich glaube eher das er schläft.“ „Aber schau doch mal seine Augen an. Das eine ist total rot und wölbt sich irgendwie nach außen,“ stellt sie fest. „Hm, ich kann trotzdem unter keinen Umständen an ihm vorbeilaufen. Wenn er dann plötzlich doch erschrickt rammt er unsere Kamele und das wäre fatal. Ich werfe noch mal eine Fladen auf seinen Hintern, vielleicht reagiert er diesmal,“ sage ich und schleudere ihm das Ding auf sein muskulöses Hinterteil. Plötzlich öffnet er ganz gelangweilt und wie in Zeitlupe eines seiner Augen. Das rote, nach außen gewölbte Augenlied schlüpft auf einmal in eine normale Position. Als würde er sagen: „Wer stört mich denn da in meinem Schlaf,“ wendet er seinen mächtigen behornten Kopf zur Seite. Sein noch immer halb geschlossenes Auge öffnet sich nun zur vollen Größe. Auch das andere Auge springt auf. Der Bulle scheint ganz langsam zu begreifen das die Fata Morgana hinter ihm keine Spiegelung ist. Plötzlich reißt er seinen Schädel weiter herum. Seine Augenlieder weiten sich noch mehr, so dass ihm bald seine großen Augäpfel in den roten Sand fallen. Als ob ihm eine Rakete in den Hintern geflogen ist springt der soeben noch behäbige Bulle explosionsartig auf seine vier Füße und katapultiert wie ein Bombensplitter davon.

Für Sekundebruchteile stehen wir völlig verblüfft da. „Ha, ha, haaaa!“ Hi, hi, hi, hiiiii!” ,bricht unser ungehaltenes Lachen plötzlich aus uns heraus. „Hast du gesehen wie er plötzlich seine Augen aufgerissen hat? ,Ha, ha, ha! Mein Gott war das lustig,“ prustet Tanja sich halb verschluckend. „Ja, ja, habe ich. Aber hast du gesehen wie er plötzlich seinen Kopf herumriss?“ „Und wie vor Schreck plötzlich seine Augen nach außen traten? Es hat eine Weile gedauert, bis er realisierte welche Monsterschlange sich ihm so lautlos näherte und plötzlich hinter ihm stand.“ „Unglaublich, ha, ha, ha. Das war einer der lustigsten Momente auf der Expedition,“ antworte ich mich ebenfalls vor Lachen krümmend.

Aufgeheitert schreiten wir weiter. Der Bulle und sein Mate sehen uns aus der Entfernung nach. Wir laufen immer noch durch dichtes, trockenes Gras. Plötzlich schlängelt sich eine Schlange vor meinen Füßen durch niedriges Gestrüpp. „Pass auf! Sie kommt in deine Richtung! Bleib stehen!“ ,warne ich Tanja. Die Schlange windet sich in beachtlicher Geschwindigkeit an Tanjas Schuhen vorbei und verschwindet im braunen Gras. Lange müssen wir an dem Zaun entlanggehen, bis er uns auf eine breite Schotterstraße führt. „Da vorne ist eine Kohlemine. Ich glaube wir sollten ihr nicht zu nahe kommen. Das Minenmanagement ist bestimmt nicht erfreut uns hier zu sehen und unsere Jungs werden vor den großen Räummaschinen erschrecken,“ sage ich und führe Sebastian durch das offene Tor. Dann gehen wir wieder in die gleiche Richtung aus der wir gekommen sind, bis mein GPS anzeigt, uns wieder auf der alten Rinderroute zu befinden.

SELBST ZUM ENDE SIND WIR VOR ZWISCHENFÄLLEN NICHT GEFEIT

Große Deiche zwingen uns das Gelände im Zickzack zu überwinden. Ehe wir uns versehen befinden wir uns in einem Irrgarten von Dämmen, Wasseradern und Hügeln. Die Minen benötigen das Wasser für ihre Arbeiten und haben hier dieses Wassersystem angelegt. Als uns ein weitere Damm den Weg versperrt, drehe ich nach Norden ab. Ich führe unsere Jungs durch einen tiefen, trockenen Krater. Ganz vorsichtig klettern wir auf der anderen Seite aus der Erdkerbe. Den Kamelen fällt es schwer das Steilufer zu erklimmen. „Langsam Denis!“ ,ruft Tanja. Hoch konzentriert gehe ich wie in Zeitlupe weiter. „Oh Gott! Edgar ist gefallen! Stopp! Um Gottes Willen stoooopp!“ ,zerreißen Tanjas Worte die schwüle Luft. „Udu Sebastian!“ bremse ich seinen Lauf, doch wie immer in so einem Fall gehen die Anderen noch ein paar Meter weiter, bis auch das letzte Kamel zum Stehen kommt. Edgars Nackenseil strafft sich in den paar Sekunde so stark, dass Tanja gezwungen ist zwischen den brüllenden Edgar und Istan zu springen, um es abzuschneiden. „Er hat es geschafft! Er hat es von selber geschafft wieder auf die Beine zu kommen! Puh war das knapp!“ ,erleichtern mich Sekundenbruchteile später ihre entwarnenden Worte. Selbst zum Ende unserer Durchquerung sind wir vor solchen Zwischenfällen nicht gefeit. Vorsichtig tasten wir uns voran und finden einen Weg aus dem Labyrinth. Als wir wieder auf einen Track treffen begegnen wir einem Mann auf seinem Motorrad. Er zeigt uns einen falschen Weg zu der Straße an der wir John und Judith treffen wollen.

Um die Stations der Umgebung über unser Kommen zu informieren hat Ian von Cooroorah einige Nachbarn angerufen, die wiederum ihre Nachbarn verständigten. Zur Folge hat sich unsere Reiseroute wie ein sich schnell ausweitendes Buschfeuer herumgesprochen. Viele Stationleute kommen heraus, um die Kamelkarawane zu sehen. Immer wieder stoppen wir und berichten in wenigen Worten von unseren Erfahrungen. Obwohl wir uns auf abgelegenen Pfaden befinden sind wir selten so vielen Menschen begegnet.

Wir marschieren schon über sechs Stunden als wir endlich auf Judith und John stoßen. Eine Stunde später schlagen wir neben der stark befahrenen Straße auf dem Minengelände unser Camp auf. Nachdem ich meine Navigation und die Aufzeichnungen abgeschlossen habe setzen wir uns zu unseren Besuchern. Beide holen ihre Gitarren heraus und spielen Australische Country Music. Wir lauschen den melodischen Klängen, den lustigen und auch traurigen Texten und verbringen einen wunderbaren Abend. Nach einem weiteren anstrengenden Tag krabbeln wir müde in unser Moskitozelt.

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