Nördlichste Straße der Welt
N 70°40’05.5’’ E 025°23’19.0’’Datum:
08.10.2020
Tag: 067
Land:
Norwegen
Ort:
Am Porsangerfjord
Tageskilometer:
212 km
Gesamtkilometer:
6465 km
Bodenbeschaffenheit:
Asphalt
Brückenüberquerungen:
8
Tunneldurchfahrten:
10
Sonnenaufgang:
06:56
Sonnenuntergang:
17:16
Temperatur Tag max:
10°
Temperatur Nacht min:
5°
Aufbruchszeit:
13:20 Uhr
Ankunftszeit:
17:00 Uhr
(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)
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Wegen den hier herumliegenden, teils großen Steinen und feuchtweichen Boden lege ich die Untersetzung ein. Im Schritttempo steure ich die Terra zur Straße hoch. Um sicherzugehen, dass wir nicht mit den Differenzialsperren aufsetzen, steht Tanja draußen, um mir genau anzuzeigen, wie ich die Terra durch das Gelände fahren muss. „Stooop!“, scheppert es durch den kleinen Lautsprecher des Walkie Talkies. „Mehr nach rechts. Ja, so ist es gut. Jetzt ganz langsam weiter. Gut so. Wir sind drüber.“ Wieder auf der E6 fahren wir weiter Richtung Norden. Als sich die Straße in einen scharfen Knick Richtung Süden beugt, verschwindet für einen kurzen Augenblick die außergewöhnliche Wolkenbildung im Außenspiegel. „Ich hoffe, wir sind dem Sturm davongefahren.“ „Hoffe ich auch, obwohl es vor uns ganz schön dunkel wird“, antwortet Tanja. „In Norwegen ändert sich das Wetter von Tal zu Tal, von Fjord zu Fjord. Wer weiß, vielleicht empfängt uns das Nordkap mit Sonnenschein“, antworte ich wieder durch eines der vielen Tunnel steuernd. Mittlerweile befinden wir uns auf der verkehrsarmen großen Porsanger-Halbinsel die vom Altafjord im Westen und dem Porsangerfjord im Osten begrenzt wird. „Hier gehts nach Hammerfest“, sagt Tanja auf ein Straßenschild deutend. „Galt lange als die nördlichste Stadt der Welt.“ „Ist sie es jetzt nicht mehr?“ „Die Städte oder Siedlungen Honningsvåg, Longyearbyen und Spitzbergen liegen noch weiter im Norden. Trotzdem wirbt Hammerfest weiterhin damit, die nördlichste Stadt der Welt zu sein, um Touristen anzulocken. Weiß nicht, ob das stimmt, aber ich habe es gestern während der Routenplanung gelesen“, antworte ich. Wir lassen Hammerfest links liegen und treffen 20 Kilometer weiter auf die E69. Sie ist mit einer Länge von 123 km die nördlichste Verkehrsader der Welt, die einen Anschluss an ein internationales Straßennetz besitz. Bis zum Nordkap liegen noch fünf Tunnel mit einer Gesamtlänge von 15,5 km vor uns. Seit einiger Zeit ist die Landschaft einer rauen, von Flechten bewachsenen, weitgehend baumlosen Hochebene gewichen. Die Wasseroberfläche zahlreicher kleiner Seen reflektieren das zusehend weniger werdende Tageslicht. „Da sind Rentiere!“, erschreckt mich Tanjas Ruf. Sofort halten wir an, um die freundlichen, aber scheuen Tiere zu beobachten, die scheinbar unbekümmert am Straßenrand fressen. „Oh, wie süß die sind. Und was für große Geweihe sie tragen“, freut sich Tanja, während ich versuche, sie mit der Kamera zu verewigen. Als wir langsam weiterfahren, laufen sie über den schwarzen Asphalt, springen über die Leitplanke und eilen auf der noch grünen Wiese bis zum Ufer des Nordmeers. Plötzlich wird die Hochebene von Felsen und Bergen verdrängt. Es sieht so aus, als hätte ein Troll mit seinem großen Pinsel dunkle Streifen und Kleckse in das vom angehenden Winter grau werdende Grün gemalt. Rechts von uns erstreckt sich der 123 Kilometer lange Porsangerfjord. Er ist der längste Fjord Nordnorwegens und der viertlängste Fjord Norwegens.
Seit wir die E6 hinter uns gelassen haben, ist die Straße meist einspurig. „Verdammt eng hier“, sage ich mich im höchsten Maße konzentrierend, um die Terra Love auf der sich dahinwindenden Küstenstraße nicht im angrenzenden Nordmeer zu versenken. „Wir sollten uns einen Übernachtungsplatz suchen“, schlägt Tanja vor, weil die Dämmerung zusehend die Helligkeit des Tages in sich einsaugt und wir die Fahrt auf der malerisch schönen, zugleich beeindruckenden Küstenstraße gerne bei Tageslicht genießen möchten. Nur wenige Minuten vergehen, als wir an einem rauschenden Gebirgsbach knapp 100 km vor dem Nordkap ein Platz für die Nacht finden…