Neue Reiseroute
Tag: 93-95 Etappe Zwei
Sonnenaufgang:
05:34
Sonnenuntergang:
17:35
Temperatur - Tag (Maximum):
34 Grad
Kunawarritji-Camp — 16.09.2001 – 18.09.2001
Obwohl wir gerne noch länger bleiben würden sind wir gezwungen unseren Aufbruch vorzubereiten. Kunawarritji ist definitiv ein Ort an dem wir viele Monate verbringen könnten. Gerne würde ich mit den Menschen hier auf die Jagd gehen und gerne würde ich noch mehr über ihre Gesetze, ihrer Vergangenheit und den Geheimnissen der Gegenwart erfahren. Aber vielleicht werde wir auf einer anderen Expeditionsreise länger mit einem Urvolk leben können. Vielleicht aber treffen wir auf den nächsten tausend Kilometer die zwei Aborigine die noch wie ihre Großväter durch den Busch ziehen. Auch wenn es so aussieht als wäre dieser Wunsch unerreichbar weiß man nie was die Zukunft bringt.
Mittlerweile haben wir große Schwierigkeiten genügend Futter für unsere Jungs zu finden. In einem 500 Meter großen Radius um das Camp ist nahezu alles abgegrast. Zumindest die Pflanzen und Büsche die nicht giftig sind werden sehr knapp. Jeden Tag sitze ich bis spät am Computer und versuche die wichtigsten und interessantesten Geschichten festzuhalten. Die Motten schwirren nach Sonnenuntergang wir wahnsinnig um meine Stirnlampe. Sie flattern in meine Ohren, die Nase, Augen und in den Hemdausschnitt und machen mir das Schreiben schwer. In den Denkpausen lausche ich einer jungen Band die ihre Instrumente in der neuen Halle aufgebaut haben und üben. Sie spielen die Musik der Weißen deren Klänge sich mit der Nacht vereinen und von der großen Wüste aufgesogen werden.
Als wir am frühen Morgen vom Kamelehüten zurückkommen ist das Auto von Ingo verschwunden. Offensichtlich hat er es wieder in Gang gebracht und den Ort hier Hals über Kopf verlassen. Auch die grölenden Touristen sind mit ihren Jeeps weitergezogen, so dass wir mit den Aborigines wieder alleine sind.
Mit Jo und Tom stehen wir jeden Morgen und Abend in Funkkontakt. Die beiden haben in den letzten Tagen verstärkt nach einer Alternativunterkunft um Alice Spring gesucht. „Ich habe gute Neuigkeiten für euch Denis,“ höre ich die vertraute Stimme von Jo. „Ja ich bin gespannt. Was gibt es Neues?“ „Ich habe erst vor kurzem mit dem Inhaber von Newhaven gesprochen. Er besitzt ein 20 × 20 Kilometer großes Gebiet welches von einem guten Zaun umgeben ist. Darin befindet sich eine abgegrenzte Ecke in der ein deutsches Wissenschaftler Paar ihre Kamele studieren. Eure Kamele sind in diesem Gehege willkommen. Es gibt genügend Futter für alle und Alex, der Stationbesitzer freut sich euch zu sehen. Außerdem erlaubt er euch die gesamte Ausrüstung bei ihm unterzustellen. Er ist ein sehr netter Mann. Ich kenne ihn persönlich. Ich habe selbst einige Tage während meiner Tanami Wüstendurchquerung mit meinen Kamelen dort verbracht.“ „Mensch Jo, das klingt ja fantastisch. Wie weit ist Newhaven von Alice Springs entfernt?“ „Newhaven liegt etwa 350 Kilometer nordwestlich von Alice.“ „Das ist weit aber ich muss mir die Karte ansehen, um mir ein Bild machen zu können.“ „Okay Denis dann lass uns heute Nachmittag um 15 Uhr auf diesen Kanal darüber sprechen.“ „Gut Jo. Dann bis später, over and out,“ beende ich den Funkkontakt. Tanja und ich freuen uns wie die kleinen Kinder über diese großartige Neuigkeit. Sofort studiere ich die Karte. Nach meinen Messungen dürften es ungefähr noch 1100 Kilometer nach Newhaven sein. Zur Lyndaval Station die ca. 200 Kilometer südwestlich von Alice Springs liegt sind es noch mindestens 1500 Kilometer. Wir sparen uns also einen knappen Monat Laufen ein. Das würde bedeuten, dass wir zwar trotzdem in den Sommer kommen aber mit etwas Glück nicht den kommenden starken Regenfällen dieser Jahreszeit ausgesetzt sind. Abgesehen davon liegt nach Jos Aussage der Macdonnell Gebirgszug zwischen Lyndaval und Alice Springs den wir nur über den sehr stark befahrenen Stuart Highway überqueren müssten. Es ist mit Sicherheit kein Spaß über 200 Kilometer neben solch einer Hauptverkehrsstraße eine Karawane führen zu müssen. Nach dem Abwägen aller Vor und Nachteile entscheiden wir uns für eine Routenänderung und dem neuen Ziel Newhaven Station.
Nach einem langen Schreibtag ist es wieder dunkel geworden. Tanja, Rufus und die Kamele schlafen schon. Ich ziehe mich vor unserem Zelt aus als mir wieder der verlockende Gedanke kommt in das Tagebuch von Rufus zu spitzen. Ich fühle unter seinem Schlafsack, kann aber nichts entdecken. Er muss einen anderen Platz gefunden haben. Ob er bemerkt hat, dass wir von Zeit zu Zeit darin schmökern? Ich stehe da und überlege wo er es versteckt haben könnte. Soviel Möglichkeiten kann ein Hund im Kamelcamp ja nicht haben? Dann fällt mein Blick auf ein frisch ausgebuddelten Sandhaufen der sich nur einen halben Meter vor seinem Schlafplatz befindet. Ich wühle mit meiner Hand in dem weichen Sand als ich es ertaste. Lächelnd ziehe ich das schon stark abgenutzte Büchlein heraus und öffne es.
DAS EXPEDITIONSTAGEBUCH EINES EXPEDITIONHUNDES NAMENS RUFUS
Es war wunderbar hier in Kunwarritji anzukommen. Abgesehen davon, dass mir die Pfoten weh getan haben bin ich auch nur ein Hund. Die letzten Tage durfte ich nicht reiten. Tanja und Denis sagten wir müssen Hardie schonen. Das Beste war als Tanja und Denis mir eine extra Packung Hundefutter im Laden kauften. Ich habe nur noch gefressen, solange bis mein Bauch sich zu einer dicken runden Kugel formte. Es gab so viel Hundefutter für mich, dass ich so leckere kleine Beißringe in meiner Schüssel zurücklassen musste. Das Dilemma startete, als die Dorfhunde kamen und ich meine Schüssel verteidigen musste. Ich habe mein Fell so derart aufgestellt, dass die anderen Hunde dachten ich bin doppelt so groß…Na ja und da sich ein Hund nicht ewig ausruhen kann, ziehe ich meine Kreise, wenn die beiden sich um die Kamele kümmern. Dabei habe ich einen wunderbar, so richtig schön eklig riechenden Knochen ausgegraben. Wahrscheinlich hat ihn einer der Dorfhunde dort vergessen…
Was dann kam ist einem Alptraum ähnlich. Tanja befahl mir den Knochen fallen zu lassen und mit zurück zu den Kamelen zu kommen. Die Menschen soll einer verstehen? Am Abend hat sie dann nämlich ihre alten, kaputten Socken im Lagerfeuer verbrannt – das war wohl der scheußlichste Geruch der je meiner Hundenase untergekommen ist. Ja wo ich gerade bei Gerüchen bin. Heute morgen ist das Undenkbare passiert. Tanja hat meine Decke gewaschen. Es hat mich so viel Mühe und Anstrengung gekostet meine geliebte Decke in dieses Stadium der Gerüche zu bringen. Vielleicht sollte ich sie in einem unbeobachteten Moment einfach schnell anpinkeln? Von diesem Schock muss ich mich erst einmal erholen. Es ist ein hartes Leben als Expeditionshund…