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Mongolei/Tsagaan Nuur Camp MONGOLEI EXPEDITION - Die Online-Tagebücher Jahr 2011

Motorschaden

N 51°21'785'' E 099°21'046''
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    Tag: 152

    Sonnenaufgang:
    09:27

    Sonnenuntergang:
    17:16

    Gesamtkilometer:
    1211

    Bodenbeschaffenheit:
    Eis, Schnee

    Temperatur – Tag (Maximum):
    minus 20°C

    Temperatur – Tag (Minimum):
    minus 30°C

    Temperatur – Nacht:
    minus 30°C

    Breitengrad:
    51°21’785“

    Längengrad:
    099°21’046“

    Maximale Höhe:
    1475 m über dem Meer

Weil Ayush gestern einen frühen Aufbruch angekündigt hat, erhebe ich mich um 6:00 Uhr, schon 3 ½ Stunden vor Sonnenaufgang vom Wandan. Sofort vertreibe ich die Kälte in unserer Behausung mit einem wärmenden Feuer. Weil die Zeit schneller vergeht als wir wollen beeilen wir uns den Rest der Kleidung und Ausrüstung für den Transport zu verpacken. Da alles auf die Ladefläche eines Lastwagens gestapelt wird versuchen wir unsere Habe so gut als nur möglich in Kartons und Blechkisten zu verstauen. Umso besser wir das tun desto weniger Transportschäden wird es geben. Um 8:00 Uhr kommt Jock in die Jurte gepoltert. „Oh Hujten, huiten“, (Kalt, kalt) sagt er sich wie immer am ganzen Körper schüttelnd. „Maschin sain“, („Lastwagen ist gut“) fügt er noch euphorisch hinzu und freut sich offensichtlich auf die Fahrt in die Taiga. „Fantastisch“, antworte ich ihm einen Tee anbietend.

Shagai hatte ich gestern noch angerufen und ihm vom frühen Aufbruch berichtet. „Ich werde um 8:00 Uhr bei euch sein“, versprach er. Es ist bereits 10:00 Uhr und Shagai hat sich bis jetzt noch nicht blicken lassen. „Es gibt keine Zeit am Tsagaan Nuur“, ist die einzige plausible Antwort dafür. Tsendmaa versucht vergebens ihn am Mobiltelefon zu erreichen. Dann ruft sie ein Mädchen an, die neben Shagai in einer Jurte wohnt und bittet sie zu ihm rüber zu laufen, um ihn zu wecken. Tatsächlich bekommen wir Shagai an die Strippe. „Ich bin gleich da“, antwortet er verschlafen.

Kurz vor 11:00 Uhr erscheint er mit einem Freund. „Wir bezahlen aber nur dich“, weise ich ihn noch mal darauf hin keinen weiteren Mann anzustellen. Shagai nickt worauf sein Freund erstmal dasteht und bei der Arbeit nicht hilft. Bei Schneefall und minus 30 °C schleppen wir den gesamten Jurteninhalt plus Nahrung für sechs Monate ins Freie. „Halt! Nicht weitermachen“, stoppt uns Shagai plötzlich. „Was ist denn?“, frage ich verwundert. „So wie es aussieht ist die Tankstelle kaputt. Es gibt kein Benzin“, erklärt er. „Was? Es gibt kein Benzin?“ „Das ist normal in Tsagaan Nuur. Bei den Minusgraden geht immer wieder mal die moderne Tankuhr kaputt“, erklärt er. „Und? Was machen wir jetzt?“, fragt Tanja fröstelnd vor unserer leeren Behausung stehend. „Weiß nicht“, verstehen wir Shgai. „Na das kann doch nicht wahr sein. Warum hat Jock denn nicht schon gestern getankt?“, frage ich. „Wahrscheinlich weil er den Truck erstmal für mehre Stunden mit einem Feuer aufwärmen muss bevor er ihn starten kann“, antwortet Tanja. „Stimmt. Daran habe ich gar nicht gedacht“, gebe ich ihr Recht. Um bei diesen Temperaturen ein Auto fahrbereit zu bekommen wird erstmal unter dem Motor ein kräftiges Feuer entfacht, damit dieser sich soweit aufwärmt, um ihn starten zu können. Außerdem wird nach der Fahrt immer das Kühlwasser komplett abgelassen, um den Kühler vor dem Platzen zu schützen. Frostschutzmittel gibt es hier nicht. Das heißt, bevor der Motor angelassen werden kann, wird Wasser auf dem Ofen erhitzt, um es in den Kühler zu füllen. Also ist es ein enormer Aufwand von etwa zwei bis drei Stunden bis man losfahren kann. Da Jock seine Lastwagen endlich startklar hat fährt er sicherheitshalber trotzdem zur Tankstelle, um persönlich nachzusehen ob die Tankuhr wirklich defekt ist. Es dauert nur 30 Minuten als er wieder erscheint. „Heute kein Benzin“, bestätigt er. Wir zucken mit den Schultern und sind im Begriff erneut alles in die Jurte zu räumen als uns eine weitere Hiobsbotschaft erreicht. „Jock hat mir gerade berichtet das er Wasser im Öl hat“, sagt Shagai als wäre es das Normalste der Welt. „Wasser im Öl? Dann ist also der Lastwagen kaputt?“, frage ich verblüfft. „Ja.“ „Er hat einen Motorschaden?“, frage ich nach, um sicher zu gehen was ich eben gehört habe. „Ja. Der Truck läuft nicht mehr. Großes Problem“, mein Shagai, worauf ich alles stehen und liegen lasse, um das Blockhaus laufe, um zu Jocks Lastwagen zu gehen. Er liegt unter dem großen Motor auf dem Eis und lässt gerade Öl ab. „Us“, („Wasser“) sagt er sichtlich enttäuscht auf das graue Gebräu deutend, welches gerade in ein Metallfässchen aus dem großen Motor des russischen Allradlastwagens läuft.

„Tja das war’s dann wohl mit dem Truck von Ayush. Der ist sicherlich für lange Zeit außer Gefecht gesetzt“, sage ich wieder in der Jurte. „Du meinst sie bekommen ihn nicht wieder hin?“, fragt Tanja. „Einen Motorschaden? Unmöglich. Das ist was Größeres“, antworte ich. „Und jetzt?“ „Puhh, keine Ahnung. Es ist wie verhext. Wir kommen einfach nicht weg von hier. Ist wirklich eine äußerst schwierige Angelegenheit diese Tuwas zu besuchen. Als hätten sie einen Bannwall um sich gebaut“, stöhne ich. „Und Ayush hat unsere Kohle“, meint Tanja. „Die hat er“, gebe ich ihr Recht. „Hättest doch nicht alles im Voraus bezahlen sollen.“ „Tja wer kann das wissen? Aber wie du weißt ließ er mir keine andere Chance“, sage ich leise in der leeren Jurte stehend. Es dauert jedoch nicht lange und Ayush stattet uns einen der sehr seltenen Besuche ab. „Hier ist euer Geld. Mein LKW ist kaputt“, schnauft er, ringt sich ein gequältes Lächeln ab und verschwindet wieder. „Wer hätte das gedacht“, meine ich die Scheine zählend. „Hm, jetzt haben wir zumindest unser Geld aber keinen Lastwagen“, meint Tanja.

Wenig später taucht bei uns der Nachbar von Ayush auf. „Ich fahre euch“, hören wir erleichtert. „Gebt mit bitte das Geld damit ich Tanken kann“, verstehen wir seine Worte. Auch bei ihm komme ich mit meiner Verhandlungstaktik, die zweite Hälfte des Betrages nach Auftragserfüllung zu begleichen, nicht weit. Mit Nachdruck gefordert drücke ich ihm die 150.000 in die Hand. Zufrieden steckt er das Geld weg und sagt; „Wir können in zwei Stunden aufbrechen.“ „Ob es wohl wieder Benzin gibt?“, überlegt Tanja. „Na wenn er die ganze Prozedur des LKW-Aufwärmens und Kühler mit heißem Wasser befüllen auf sich nimmt, muss die Zapfsäule wohl wieder gehen“, meine ich.

Drei Stunden später um ca. 14:00 Uhr kommt der Nachbar zu uns. Freudig springen wir von den Stühlen hoch die wir wieder in die Jurte neben dem Ofen gestellt hatten, um während des Wartens wenigstens nicht zu frieren. „Bendsin baihgui”, („Kein Benzin“) sagt er mit den Schultern zuckend. “Es gibt noch immer kein Benzin?”, frage ich. „Tijmee“, („Ja“) antwortet er. „Wir fahren morgen“, fügt er noch hinzu worauf wir nicht wissen ob wir lachen oder weinen sollen. Shagai und sein Freund helfen uns nun die gesamte Ausrüstung und Einrichtung wieder in die Jurte zu schleppen. Eine weitere Stunde später habe ich unser Wandan erneut aufgestellt und das Bett nochmals für die Nacht hergerichtet.

Dann nutze ich das restliche Tageslicht, um mit meiner Motorsäge ein paar Stämme zu zerteilen. Leider habe ich nicht die Rechnung mit den Chinesen gemacht. Die Säge springt nicht mehr an. Genervt schnappe ich mir das Schrottteil und suche den Nachbarn von Ayush auf der vor kurzem den Anlasser reparierte. Es dauert nicht lange und das Ding läuft wieder. Nur sägen kann man damit nicht weil der Motor ständig ausgeht. Zwei Stunden benötige ich bis der Luftfilter gereinigt und der Vergaser des Motors so eingestellt ist bis sich das Kettenblatt endlich kraftvoll dreht. Jetzt bin ich in der Lage etwas Feuerholz für die Nacht zu sägen.

Tsendmaa kommt uns am Abend besuchen und freut sich uns noch anzutreffen. Wir unterhalten uns rudimentär so gut es geht. Dann klingelt das Telefon. Es ist Bilgee mit dem wir seitdem er uns verlassen hat täglich SMS- und Telefonkontakt pflegen. Bilgee lernt seither fleißig Englisch damit wir uns im kommenden Jahr, bei der Fortsetzung unserer Pferdereise, besser unterhalten können. Er berichtet davon sich beim Zerteilen von Holzstämmen mit seiner Motorsäge verletzt zu haben. „Ich musste am Finger und Hand genäht werden. Das ist der Grund warum ich seit drei Tagen nicht mehr arbeiten kann“, berichtet er. „Ist es schlimm?“, fragt Tanja. „Nicht so schlimm. Wird schon wieder“, antwortet er wie es für Mongolen typisch ist Verletzungen herunterzuspielen.

Es ist bereits 20:00 Uhr als ich den Nachbarn aufsuche um den morgigen Aufbruch sicher zu stellen. „Mein Sohn ist nicht zuhause“, sagt die Mutter des Fahrers. „Kann er uns später aufsuchen damit wir über den Aufbruch sprechen können?“, frage ich sie. „Ich sage ihm bescheid. Aber bitte trinkt mit ihm keinen Wodka. Ansonsten wird aus der morgigen Taigafahrt nichts“, warnt sie mich.

„Oh nein. So wie das klingt lädt der Fahrer jetzt seine Freunde zum Trinken ein und feiert das gute Geschäft. Du hättest ihm nicht alles geben sollen“, ermahnt mich Tanja. „Aber was hätte ich denn tun sollen? Er hat uns doch gesagt das gesamte Geld für Benzin einzusetzen“, verteidige ich mich. „Wäre besser gewesen ihn morgen früh zu bezahlen“, erwidert Tanja. „Stimmt, wäre besser gewesen. Aber wir sind in der Mongolei. Da läuft eben alles etwas anders“, antworte ich und ärgere mich wieder einmal über meine unverbesserliche Gutmütigkeit. Dann krabbeln wir müde auf unser Wandan. „Den heiligen Abend hätte ich mir irgendwie anders vorgestellt“, lamentiere ich kleinlaut. „Ach was soll’s. Es ist ein Abend in unserem Leben. Wir sollten ihm nicht soviel Bedeutung beimessen“, findet Tanja tröstende Worte.

Wir freuen uns über Kommentare!

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