Krokodile – Vom tropischen Urwaldregen erwischt
N 11°25’15.9’’ E 107°25’49.3’’Datum:
15.03.2017 bis 20.03.2017
Tag: 624 – 629
Land:
Vietnam
Provinz:
Đồng Nai
Ort:
Cat Tien Nationalpark
Breitengrad N:
11°25’15.9’’
Längengrad E:
107°25’49.3’’
Tageskilometer:
35 km
Gesamtkilometer:
22.739 km
Bodenbeschaffenheit:
Asphalt / Schotter
Maximale Höhe:
55 m
Gesamthöhenmeter:
68.623 m
Sonnenaufgang:
05:57 Uhr – 05:54 Uhr
Sonnenuntergang:
18:00 Uhr – 18:01 Uhr
Temperatur Tag max:
33°C
(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)
Weil wir im Nationalpark viel länger bleiben als angedacht, sitzen wir über der Reiseroutenplanung. Dabei stellen wir fest, dass es, wie ursprünglich angenommen, zwischen Südvietnam und Kambodscha keine Fährverbindung über den Golf von Thailand gibt. Obwohl es interessant gewesen wäre über das Meer ins Nachbarland zu reisen, verwerfen wir nun den Gedanken und planen indes vom südlichsten Grenzposten Vietnams, der Stadt Ha Tien, nach Kambodscha zu gelangen. So durchradeln wir in einem knappen Jahr Vietnam komplett von Nord nach Süd. Weil die Schiffpassage nun nicht klappt, gewinnen wir ein paar, Tage die wir nutzen, um den interessanten Nationalpark besser kennenzulernen.
Da es von unserer Flussseite nicht erlaubt ist mit den eigenen Fahrrädern in den Nationalpark zu gelangen haben wir uns entschieden zwei Bikes der Nationalparkverwaltung zu mieten, um zu einem See zu radeln in dem es viele Krokodile geben soll. Weil wir Ajaci nicht zu lange im Zimmer alleine lassen wollen setzen wir erst um 11:30 Uhr mit der Fähre zum Nationalpark über. Für die klapprigen Räder müssen wir eine Kaution von 500.000 Dong (21,- €) hinterlegen. „Und wo sind die Drahtesel?“, frage ich die Kassiererin. „Sind alle vermietet. Sie müssen warten bis die Ersten zurückgebracht werden.“ Da wir davon ausgehen, dass die Vietnamesen keine langen Touren unternehmen, entscheiden wir uns im Schatten eines Baumes zu warten. Tatsächlich erreichen die ersten Touristen völlig ausgepumpt, und wegen der Hitze schweißüberströmt, das Verwaltungsgebäude. Mit viel Mühe finde ich zwei Räder an denen die Bremsen einigermaßen funktionieren. Ich stelle die Sattelstützen nach oben, damit wir wegen des zu niedrig eingestellten Sattels während des Tretens nicht ständig in unsere Knie beißen müssen. Allerdings ist die Rahmengröße der Tretrösser an die kleinen Vietnamesen angepasst, weswegen wir das Gefühl haben auf Kinderräder zu sitzen.
Die ersten zwei Kilometer folgen wir einem betonierten Pfad, dann wird es steinig und holprig. Schon Minuten später wird die Fahrt zur Qual. Kein Wunder, dass die Vietnamesen nicht lange unterwegs sind. Vor uns liegen lächerliche 10 Kilometer die es, wegen den grottenschlechten Rädern und dem Dschungelpfad, in sich haben. „Man, da sieht man erstmal wie verwöhnt wir von unseren Superbikes sind“, sage ich. „Stimmt, mit diesen Schrottdingern käme man auf einer Weltumrundung nicht weit.“ „Da würden nach kurzer Zeit entweder unsere Körper oder die Räder zusammenbrechen“, bin ich mir sicher.
Als wir nach 10 Kilometer den Urwaldpfad zum Bau Sau Krokodilsee erreichen, fühlen wir uns so als hätten wir 140 km abgespult. „Scheißdinger“, fluche ich und sperre die klapprigen Drahtesel mit einem mitgebrachten Kabelschloss an einem Baum ab. Weil der Himmel voller dunkler Gewitterwolken ist eilen wir los, um die Krokodile noch vor dem sicherlich bald hernieder prasselnden Tropenregen zu erreichen. „Unglaublich wie laut hier die Zikaden sind“, stelle ich fest. „Ja, man versteht kaum noch sein eigenes Wort.“ „Ob ich mit der Kamera eine Tonaufzeichnung machen soll?“ „Lass uns lieber weitergehen. So schaffen wir es vielleicht noch vor dem Regen den See zu erreichen“, meint Tanja. Ab und an kommen wir an einem der gigantischen Urwaldriesen vorbei, der seine Krone heute in einem bedrohlich wirkenden Wolkenhimmel steckt. Schmetterlinge sitzen auf einem fleckigen Stein, der wie poliert aussieht. Ein Lichtstrahl verirrt sich durch die kurz aufreißende Wolkenwand und trifft auf die schönen Insekten, die aufgeregt herumflattern. Plötzlich zerreißt ein lauter Donner das Zirpen der Zikaden und Zwitschern der Vögel. Für Sekunden verstummen alle Lebewesen, dann lärmen sie weiter als wären sie gerade nur kurz erschrocken. Die ersten Regentropfen fallen vom Himmel. So wie es sich anhört ist der Wolkenbruch noch ein paar hundert Meter entfernt. Weil sein Nass auf das Dach der Blätter hämmert, rauscht es wie ein Wasserfall, der allerdings unaufhaltsam näher kommt. Unser Weg führt auf einen wackeligen, maroden Holzsteg. Unter uns breitet sich ein Sumpfgebiet aus. „Hoffentlich bricht das morsche Ding nicht unter unserer Last zusammen!“, ruft Tanja als uns auch schon die ersten fetten Regentropfen treffen. Kaum sind wir über den glitschigen Holzsteg geeilt umfängt uns wieder der jetzt finstere Urwald. „Glaube nicht dass wir bei dem furchtbaren Regen irgendwelche Krokodile im See erblicken“, rufe ich, um das laute Rauschen zu übertrumpfen. Plötzlich führt ein weiterer Steg an ein paar Hütten vorbei, hinter denen der Blick auf den idyllisch gelegenen Krokodilsee frei wird. Bevor die Himmelsschleusen sich vollends öffnen und das Land um uns herum regelrecht zu ertrinken scheint, schlüpfen wir unter ein schützendes Wellblechdach einer weiteren einfachen Holzhütte. Konzentriert blicke ich von unserer Position auf das Wasser. „Nichts. Kein einziges Krokodil“, stelle ich enttäuscht fest. „Die scheinen sich alle vor dem Regen zu verstecken“, scherzt Tanja. „Ha, ha, ha. Könnte man meinen. Aber vielleicht gibt es da gar nicht so viele Krokodile wie die Parkverwaltung angibt?“ zweifle ich. „Doch, doch. Wir haben hier im See mindestens 150 Süßwasserkrokodile“, sagt ein Ranger, der gerade aus dem dunklen Raum der Holzhütte kommt. „Ohhh, haben sie mich jetzt erschreckt“, fahre ich zusammen, weil ich nicht damit gerechnet habe hier einen Ranger anzutreffen. „Das heißt also das derjenige der hier baden geht definitiv gefressen wird?“, entgegne ich. „Definitiv. Unsere Krokodile sind mittlerweile bis zu drei Meter lang.“ Kaum hat er meine Frage bestätigt, schießt urplötzlich ein großer Fisch, gefolgt von einem Krokodil, aus dem Wasser. Noch in der Luft schnappt das Krokodilmaul zu. Der Fisch scheint in allerletzter Sekunde zu entkommen, denn beide Wasserbewohner platschen getrennt von einander auf die Wasseroberfläche und sind verschwunden. „Hammer!“, rufe ich, reiße augenblicklich meine Kamera nach oben und warte ob sich das Schauspiel wiederholt. „Alles ruhig“, sagt Tanja. „Ja, war anscheinend echtes Glück ein fliegendes Krokodil zu sehen“, antworte ich noch immer fasziniert. „Ist die Größe des Sees für eine gesunde Population ausreichend?“, frage ich den Ranger. „Nun ja, das Süßwasser-Krokodil legt einmal im Jahr ca. 40 Eier. Wegen dem Klimawandel, dem Mangel an Nahrung und weil die männlichen Krokodile die jüngeren töten, liegt die Fortpflanzungsrate bei nur ca. 40 Prozent.“ „Warum töten die männlichen Krokodile ihre Jungen?“ „Weil sie nicht wollen, dass die Weibchen zuviel Zeit mit der Aufzucht ihrer Babys verbringen. Im Jahre 2000 waren nahezu alle hier lebenden Siamesischen Süßwasserkrokodile wegen der illegalen Jagd ausgerottet. Mit unserem Wiedereingliederungsprojekt sind wir im Nationalpark trotz allen Schwierigkeiten sehr erfolgreich. Ich hoffe, dass wir mit unserer Arbeit die Zukunft der hier lebenden Krokodile schützen können. Wichtig ist allerdings, dass der Nationalpark weiterhin Unterstützungsgelder bekommt und viele Führsprecher hat.“
Weil es bereits 15:30 Uhr ist, wir mindestens eine Stunde bis zu unseren Rädern zurücklaufen müssen, um dann eine weitere Stunde für die Radstrecke bis zum Verwaltungszentrum benötigen, verabschieden wir uns von dem freundlichen Ranger. Kaum verlassen wir, mit zwei weiteren Besuchern und ihrem Guide, das schützende Wellblechdach, sind wir von dem noch immer anhaltenden Tropenregen innerhalb von wenigen Sekunden bis auf die Haut durchnässt. Im Stechschritt eilen wir über den teils glitschigen und rutschigen Weg. Die Zikaden sind wegen dem Starkregen völlig verstummt. Das Licht und Schattenspiel ist wegen den fehlenden Sonnenstrahlen verschwunden. Millionen von Blättern hat der Regen von den Bäumen geschlagen, die jetzt über dem Weg oder links und rechts von uns auf dem Urwaldboden liegen. „Ein tolles Erlebnis!“, ruft Tanja. „Was ist ein tolles Erlebnis?“ „Na der Regen. Ich bin klatschnass aber trotzdem ist es nicht kalt.“ „Ja und wenn der Wolkenbruch vorbei ist wird es nicht lange dauern bis wir wieder trocken sind“, antworte ich mich an meine früheren Urwaldexpeditionen zu Urvölkern erinnernd, da wir zu jener Zeit ständig nass geworden sind.
Kurz vor 17:00 Uhr erreichen wir wieder unsere Räder, die Gott sei Dank, noch immer an dem Baum gebunden dastehen. Der Tropenregen ist mittlerweile weitergezogen. „Puh, habe wirklich keine Lust über den holprigen und jetzt matschigen Weg zurückzufahren“, meint Tanja. „Ich auch nicht“, stimme ich ihr zu. Wir erfahren, dass das junge Pärchen aus Deutschland und ihr Guide von einem Pickup abgeholt werden und fragen sie ob sie uns mit zum Verwaltungszentrum nehmen. „Klar, kein Problem“, meint der Guide. Wenig später werden unsere Schrotträder auf der Ladefläche des Pickups verstaut, weswegen wir eine schnelle und bequeme Rückfahrt über einen vom Tropenregen überfluteten Urwaldtrack genießen. „Und sie sind mit ihren Fahrrädern aus Deutschland bis nach Vietnam gefahren?“, fragt der Beifahrer des Pickups, der, wie es der Zufall will, der Direktor des Bärenauffangzentrums vom Cat Tien Nationalpark ist. Es dauert nicht lange und wir sind in ein interessantes Gespräch vertieft. „Nein wilde Bären gibt es im Cat Tien nicht mehr. Wir haben erst vor wenigen Monaten einige Kamerafallen aufgestellt und das eindeutig bewiesen.“ „Tiger gibt es sicherlich auch nicht mehr oder?“ „Ha, ha, ha. Die sind schon lange von den Wilderern ausgerottet worden.“ „Und wie sieht es mit den Elefanten aus? Ich habe gehört hier leben noch ganze 25 dieser prächtigen Tiere.“ „Ja das stimmt. Allerdings waren es vor 25 Jahren noch 75 Elefanten.“ „Und wohin sind die 50 Elefanten verschwunden?“ „Die wurden von Wilderen gejagt.“ „Was? Das geschieht hier noch immer? Mitten im Nationalpark?“ „Klar, wir haben nur 100 Ranger um die Tiere zu schützen aber zehntausende von Dorfbewohnern die sich zum Teil nichts um die Gesetze scheren. Überall werden Fallen aufgestellt, um alles was kreucht und fleucht zu fangen, um es dann zu essen oder zu verkaufen. Die Menschen hier sind arm. Oftmals ist für sie Wild die einzige Möglichkeit überhaupt, um wenigsten ab und zu an Fleisch zu gelangen. Es ist zum Haare raufen. Unser Wildlife zu schützen ist eine ernsthafte Herausforderung. Wir benötigen mehr Unterstützung, mehr Ranger, bessere Waffen und mehr Geld, ansonsten werden die Wilderer gewinnen und weitere Tierarten aussterben.“ „Denke bei ihre Liste fehlt einer der wichtigsten Wünsche.“ „Ja, welcher denn?“ „Weniger oder noch besser keine Korruption. Denn die ist doch hauptsächlich an dieser ganzen Katastrophe verantwortlich. Es kann mir doch keiner erzählen, dass man einen Elefanten unbemerkt fängt und dann auch noch unbemerkt verkauft. Vor allem in einem kommunistischen Land, wo alles, sogar das Internet, überwacht wird und Menschen eingesperrt werden nur weil sie ihre Meinung äußern. In so einem Land stiehlt man nicht unbemerkt Elefanten. Da steckt zumindest der örtliche Polizeichef, einige seiner Mitarbeiter, der örtliche Bürgermeister und was weiß ich noch dahinter. Die bekommen alle einen Anteil von diesem Geschäft. Nur so kann man sich das gemeinsame Schweigen erkaufen. Ansonsten würde man über so eine große Sache, wie dem Fang eines wilden Elefanten in einem staatlich geschützten Nationalpark, sicherlich sprechen. Sie bräuchten eine Mega-Anti-Korruptionwaffe um alle die aus den Socken zu blasen die für das Verbrechen an der Tierwelt beteiligt sind. Nur dann können sie den restlichen Haufen ihrer einstigen großen Elefantenherden retten.“ „Ha, ha, ha. Na da ist sicherlich etwas Wahres dran“, sagt der Mann und verfällt in Schweigen…
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