Klein und machtlos sind wir Menschen gegen die Urgewalten der Erde
Tag: 34 Etappe Zwei
Sonnenaufgang:
06:28
Sonnenuntergang:
17:32
Temperatur - Tag (Maximum):
28 Grad
Edgar Kampf-Camp — 19.07.2001
Der große Regen scheint endlich überstanden zu sein. Der Himmel ist zwar immer noch stark bewölkt, doch kommt die Sonne immer wieder zum Vorschein. Es ist also ein schöner Morgen der einen angenehmen Tag verspricht. Gleich um acht Uhr gebe ich ein Interview und dann mache ich Feuer um uns heißes Wasser zu kochen. Nach einer Tasse Tee besuchen wir unsere Patienten. Istan geht es schon viel besser als gestern. Seine Lippen hängen nicht mehr so schlapp nach unten und sind nicht mehr von der stinkenden grünen Flüssigkeit benetzt. Als Tanja dann unsere Jungs hütet läuft Istan das erste Mal seit Tagen seinen Kumpels hinterher und beginnt langsam zu fressen. Ich stehe auf dem Hügel neben unserem Zelt und sehe ihm zu. „Hurra, hurra!“ ,rufe ich zu Tanja auf unseren Patienten deutend. Tanja streckt als Antwort den Daumen nach oben. Auch Goola bewegt sich von seinem Platzt und riecht von Zeit zu Zeit an einer Pflanze. Soweit ich von hier erkennen kann beißt er auch mal rein. Daraufhin bin ich guter Dinge und nachdem Tanja vom Hüten zurückkommt beginne ich den Teig für einen Damper zu kneten. „Ganz schön anstrengend, schnaufe ich. „Ich bin der beste Teigkneter aller Zeiten,“ rufe ich und hebe ihn mit beiden Händen in den Himmel. Tanja lacht befreit und rührt ebenfalls Teig für einen Buschkuchen. Während ich den Brotteig bearbeite beobachte ich wie Tanja Pfirsiche aus der Dose als Boden nutzt. „Mir läuft schon das Wasser im Mund zusammen wenn ich dir zusehe,“ sage ich und kann es kaum noch erwarten den Kuchen ins Feuer zu stellen. „Ich glaube die Teigmenge ist für meinen hungrigen Löwen viel zu wenig. Was hältst du davon die doppelte Menge anzurühren?“ „Klar, mindestens,“ meine ich. 10 Minuten später stellt Tanja eine Backform mit dem Kuchenteig in den Campofen oder auch Bedourie. „Du kannst ihn jetzt übernehmen,“ sagt sie. Mittlerweile habe ich das Lagerfeuer schon so lange mit abgestorbenen Ästen gefüttert, dass es eine schöne Glut besitzt. Ich räume sie mit der Schaufel auf die Seite und stelle den Campofen in die Feuerstelle. Dann schaufle ich das glühende Holz auf den Deckel des Bedourie und fertig ist unser Backofen. „40 Minuten steht im Rezept, wenn man ihn bei mittlere Hitze in den Backofen schiebt. Wie lange glaubst du braucht er in der Glut?“ „Ah, nicht lange,“ antworte ich, mir über die Lippen leckend. Nach einer viertel Stunde hole ich den Campofen aus der Glut und hebe den Deckel ab. „Oh nein, der ist ja völlig verbrannt,“ jammere ich. Tanja eilt herbei und sieht auf ihren Kuchen. „Ach das ist doch nur die obere Kokosnussschicht, die können wir abkratzen,“ tröstet sie mich. Erleichtert prüfe ich mit dem Messer ob das köstliche Geschöpf auch in seiner Mitte durch ist. „Der muss noch mal rein,“ stelle ich fest. Von nun an sehe ich ungeduldig alle fünf Minuten nach seinen Entwicklungsstand. Bis er dann endlich fertig ist dauert es tatsächlich über 40 Minuten. Ich kann es kaum erwarten die herrlich duftende Köstlichkeit anzuschneiden. „Hier ein leckeres Stück für meinen Schatz,“ sage ich und hebe ihr eins auf dem Teller. Kaum ist es auf meinem Teller gräbt sich schon mein Löffel hinein. „Hmmm, lecker. Oh ist der lecker,“ schmelze ich dahin. In der Tat schmeckt der Kuchen hier draußen, noch dazu nach dem schrecklichen Unwetter, göttlich. „Eß nicht zuviel wir wollen doch auch noch Damper mit Knoblauch zum Frühstück haben.“ „Okay, sage ich widerwillig und verkneife es mir ein drittes Stück auf den Teller zu nehmen. Eine halbe Stunde danach beißen wir das erste Mal auf dieser Etappe in selbstgebackenen, frischen Damper. Mit einer kleinen Handpresse presst Tanja frische Knoblauchknollen und mischt eine wunderbare Knoblauchbutter als Aufstrich. Wir streichen sie auf das heiße Fladenbrot und lassen es uns schmecken. Wieder verdrücke ich soviel bis mir fast der Bauch platzt.
Am Abend haben wir Funkkontakt mit Collin. Wegen den Kamelen möchte er morgen zu uns kommen und die Medikamente bringen. Wir freuen uns über die schnelle Rettungsaktion, denn normaler Weise würde er erst in ca. 10 Tagen mit dem Nachschub zu uns stoßen. Weil sich der Zustand von Istan und Goola offensichtlich etwas gebessert hat fragen wir uns ob Collin jetzt schon zu uns in die Wüste kommen soll. Während wir das Für und Wieder abwägen, meldet sich Tom am Funkgerät. Er ist zur Zeit mit einer Touristengruppe in Nordaustralien unterwegs und hat die Möglichkeit uns jeden Abend anzufunken. Auch er hat keinen Kontakt zu seiner Frau Jo, jedoch hat er die Chance mit ihr zu telefonieren. „Jo meint das die Kamele unbedingt das Penicillin benötigen. „Wenn sie es nicht rechtzeitig bekommen werden sie an der Lungenentzündung sterben Denis,“ krächzt es aus den Lautsprecher. „Okay Tom, kannst du dann bitte Collin anrufen. Er soll dann doch schon morgen kommen und sich heute noch mal bei uns auf den Funkgerät melden?“ „Kein Problem Denis,“ sagt er. Wir unterhalten uns noch eine Weile wie es ihm auf seiner Reise ergeht und beenden dann das Gespräch. Tanja und ich sind den Menschen unendlich dankbar die uns in diesem schweren Moment so zur Seite stehen. Jo hat die Medizin für die Kamele organisiert und Collin über die Dringlichkeit informiert. Collin hat John, den Park Ranger vom 80 Mile Beach Caravan Park, darum gebeten die bestellte Medizin von Broome zu holen und Tom sowie auch Collin haben durch viele Telefonate den fehlenden Funkkontakt mit Jo ausgeglichen und dadurch als wichtige Vermittler gewirkt. Obwohl wir uns hier soweit weg von der Zivilisation befinden machen es diese lieben Menschen möglich das wichtige Netzt der Information aufrechtzuerhalten. Wenn alles gut geht wird Collin also morgen hier sein und wir können Goola und Istan behandeln.
Am Abend feiern Tanja und ich Collins Ankunft. Tanja bereitet im Bedourie eine traumhafte Pizza, die ich als Backmeister mit Argusaugen in den glühenden Kohlen der Feuerstelle überwache. Als sie fertig ist vergesse ich mich völlig und schlichte mir halt und zügellos ein Stück nach dem anderen hinein. Als Nachspeise gibt es dann noch den Buschkuchen vom Frühstück. Rund und satt schleppe ich mich später auf unsere Erhebung. Schon zwei Stunden danach geht es mir schlecht. Ich habe Sodbrennen, Bauchweh und eine Hitzewelle nach der anderen peinigt meinen Körper. Klar, dass ich für meinen Fresswahn bezahlen muss.
Wuuummmm! „Was ist denn das?“ „Donner,“ antworte ich leise und spüre wie sich mir vor Angst die Haare nach oben stellen. „Oh nein, kein Gewitter, bitte kein Gewitter,“ flüstert Tanja. Durch heftiges Magendrücken gepeinigt verlasse ich um zwei Uhr morgens das Zelt. Wuuummm! Fährt es mir in die Glieder. Von unserer Erhebung sehe ich wie der gesamte Horizont in grellen Blitzen erzuckt. Wenn das Gewitter hierher kommt müssen wir schnellstens unseren Schlafplatz räumen. Er ist die einzige höhere Stelle weit und breit. Wenn hier der Blitz einschlägt sind wir definitiv geliefert. Müde und bis ins Knochenmark erschüttert tapse ich durch das Spinifexgras zu unserer Campküche. In der Küchenbox finde ich Bullrichsalz welches mir hoffentlich Erleichterung für meine Magenkrämpfe verschafft. Als ich dann einen Schluck Wasser aus einen der herumliegenden Source Wassersäcke nehme poltert es wieder tief. Grelle Blitze erhellen den bedrohlichen Wolkenhimmel. Ob der Kidson Track überhaupt befahrbar ist? Vielleicht gewittert und regnet es bei Collin so stark, dass er gar nicht zu uns raus kommen kann? Was wird dann mit unseren Patienten geschehen? Meine Gedanken martern mir das Hirn als ich mich wieder zu Tanja ins Zelt lege. „Australien lehrt mir wirklich das Fürchten,“ sagt Tanja leise als ein fernes Grollen uns anscheinend erzählen möchte wie klein und machtlos wir Menschlein gegen die Urgewalten der Erde sind.