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RED EARTH EXPEDITION - Etappe 2

Fiebermessen im Kamelmaul

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    Tag: 33 Etappe Zwei

    Sonnenaufgang:
    06:28

    Sonnenuntergang:
    17:32

    Temperatur - Tag (Maximum):
    28 Grad

Edgar Kampf-Camp — 18.07.2001

Schon um fünf Uhr stehe ich auf und trete in die kalte Nacht. ABC Alice Springs hat bei Jo nachgefragt ob ich ihnen ein Interview gebe. Ich ziehe mich an und bin trotz der Kälte erleichtert nicht durch Regen laufen zu müssen. Im Schein der Stirnlampe steige ich von dem kleinen Hügel zu unserem Buschbüro, öffne den Reißverschluss, hole das Telefon aus dem Koffer, stelle es auf und warte auf den Anruf. Ausnahmsweise klingelt es zur vereinbarten Zeit. Ich erzähle unsere Geschichte in wenigen Worten. Dann suche ich trockenes Geäst zusammen und entzünde ein wärmendes Feuer. Tanja kommt wenig später und setzt sich zu mir. „Schön wieder einmal Sterne sehen zu können.“ „Wunderschön. Ich habe schon bald nicht mehr gewusst wie sie aussehen.“ Wir schlürfen heißen Tee und beobachten das Erwachen eines weiteren Tages in der Wüste.

Um 9 Uhr 30 spreche ich mit Jo über die neue Lage. Sie hat sich indessen bei einem Tierarzt erkundigt und geht mit mir noch mal die Symptome durch. „Es sieht so aus als hätten sie sich tatsächlich eine Lungenentzündung eingehandelt. Sie waren offensichtlich zu lange im kalten Wasser gesessen. Hast du ein Fieberthermometer? Ihr müsst ihnen die Temperatur nehmen. Kamele haben zwischen 32 und 38 Grad.“ „Wo soll ich denn die Temperatur messen?“ „Du musst es ihnen ins Maul stecken,“ antwortet Jo, worauf ich mich frage ob Istan das zulassen wird. „Wie willst du mit den Kamelen verfahren? Was schlägst du vor? Soll ich euch die Medizin besorgen. Ihr müsst ihnen Penicillin spritzen,“ „Ja, aber wer soll uns die Medizin hier in den Busch bringen?“ ,möchte ich wissen als unser Funkkontakt abbricht. „Jo? Jo kannst du mich noch hören? Jo?“ ,rufe ich verzweifelt in das Handmikrofon, doch es bleibt stumm. Ich untersuche das Funkgerät und bemerke, dass die Batterie völlig leer ist. Unser kleines Solarpaddel war bei diesem Sauwetter anscheinend nicht in der Lage die Ladung zu halten. „Sie wird sich heute Abend wieder melden,“ meint Tanja.

Wenig später hütet Tanja wieder unsere Jungs. Ich führe Goola und Istan zu ihr damit sie nicht alleine herumstehen müssen und etwas Bewegung bekommen. „Kannst du mal kurz auf sie aufpassen, ich hole schnell das Fieberthermometer,“ ruft Tanja und läuft zum Zelt während ich mir unsere Patienten genauer ansehe. Ihr Zustand hat sich nicht gebessert. Istan sieht richtig blass aus und wenn man sein Gesicht so kennt wie wir, könnte man sagen er ist in wenigen Tagen um Jahre gealtert. „Hier ist es,“ sagt Tanja Minuten später und gibt mir den Temperaturmesser. Da es ein elektronisches Gerät ist welches sich die Menschen normaler Weise in die bekannten Körperöffnungen stecken müssen sehe ich es eine geraume Zeit an und frage mich wie ich es in Istans Maul bringen soll. „Komm her Istan wir wollen nur wissen ob du erhöhte Temperatur hast,“ sage ich und versuche es in seinen Maulwinkel zu stecken. „Oohhrrrchchh!“ ,brüllt er und zeigt uns seine spitzen Zähne. „Nun, dann stecke ich es dir in die Nase,“ meine ich, halte ihn an seinem Nasenpflock fest und schiebe das Instrument in sein großes linkes Nasenloch. Istan scheint auch das nicht zu mögen und schreit auf. Tanja hält ihn mittlerweile am Nasenrücken fest und gemeinsam bringen wir es fertig es in der Öffnung verschwinden zu lassen. „Und… zeigt es etwas an?“ ,fragt Tanja. „Nein absolut gar nichts,“ antworte ich verwundert. Nach wenigen Minuten und mehreren Versuchen stecke ich meinen Finger in sein Nasenloch, um zu fühlen welche Temperaturen darin herrschen. „Mensch da ist es ja kalt wie in einem Eisschrank. Kein Wunder dass das Thermometer nichts anzeigt,“ stelle ich fest. „Wir müssen es noch mal mit seinem Maul versuchen. Du hältst ihm die Oberlippe nach oben und ich die Unterlippe nach unten. Dann müsste es klappen,“ schlage ich vor. Istan wehrt sich mit schrecklichem Gebrüll, doch sieht er ein gegen diese Griffe nichts tun zu können außer zu jammern. Vorsichtig stecke ich meinen Finger in sein Maul, um wie bei der Nase vorzufühlen welche Temperaturen darin vorherrschen. „Da ist es ganz schön warm, lache ich und schiebe vorsichtig das Thermometer an seinen Zähnen vorbei. Es liegt jetzt genau an der Innenseite der Backen an und tatsächlich klettert die Temperaturanzeige nach oben. „Und… funktioniert es?“ Ja, sehr gut. Halt ihn bloß fest, es dauert nicht mehr lange. 31 Grad, 32,5… 34,6 Grad. Das ist völlig normal,“ rufe ich freudig aus.

Bevor wir unsere Boys zum Camp zurückführen messen wir bei Goola 36,8 Grad. Wir sind froh, dass sie kein Fieber haben und hoffen heute Abend mit Jo Funkkontakt zu bekommen.

Im Camp beginnt Tanja die Sattelpolster von Jasper Sattel um etwa 15 Zentimeter nach hinten zu versetzen. Es ist eine anstrengende Näharbeit von der wir uns erhoffen, dass Jasper sich seine Schultern nicht mehr wund reibt. Ich hingegen untersuche weiterhin die Ausrüstung auf Wasserschäden. „Ach du Schande, die Gewehre hat es richtig erwischt,“ rufe ich entsetzt als ich sie unter den Sätteln aus ihren vermeintlichen wasserdichten Hüllen ziehe. Der Lauf unseres Kleinkalibers ist total verrostet und das Holz der Schulterstütze ist vom Wasser ausgebleicht. Auch unsere 30 × 30 Marlin sieht ähnlich aus. Sofort hole ich das Gewehrreinigungsgerät und beginne sie gründlich zu trocknen und einzuölen.

Am Abend kann ich Jo wieder nicht empfangen. Wahrscheinlich liegt es an der Wetterumstellung. Glücklicher Weise hat Collin sein Funkgerät auf Empfang. „Ich verstehe dich laut und klar,“ sagt er. „Ah, sehr gut. Ich bekomme keine Verbindung mehr zu Jo.“ „Kein Problem ich habe erst vor kurzem mit ihr telefoniert. Sie hat mir die Situation mit den kranken Kamelen erklärt. John fährt morgen nach Broome. Er wird für euch die notwendige Medizin besorgen. Wir müssen uns dann nur noch überlegen wie wir sie zu euch raus bringen,“ sagt Collin worauf mir vor Freude die Worte fehlen. Da Collin unter Zeitdruck steht und der Kanal auf dem wir sprechen sehr stark frequentiert ist beenden wir den Funkkontakt und verschieben die weitere Konversation auf morgen Abend. Wieder neue Hoffnung schöpfend sitzen wir dann am Lagerfeuer und trinken heißen Tee.

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