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Ukraine/Sovietskyi

Kalter Gewitterregen und Gegenwind

N 45°20'19.2'' E 034°54'18.8''

Obwohl es wegen den ankommenden und abfahrenden Zügen recht laut ist haben wir gut geschlafen. Mit neuen Kräften gestärkt schwingen wir uns auf die Brookssättel und verlassen bei schweren Gewitterwolken die Stadt. Wind bläst uns entgegen. Da wir heute aber in die gleiche Richtung fahren wie gestern sind wir zuversichtlich dass sich die Straße nach der nächsten Biegung in die von uns gewünschte Richtung windet. Wir haben Dzhankoi noch nicht hinter uns als sich die Himmelspforten erneut öffnen, um uns mit ihrem kalten Nass den Tag zu versauen. “Wir müssen unsere Regenklamotten anziehen!”, ruft Tanja. “Dort vorne unterm Baum!”, antworte ich. Wir halten neben einer Straßenkontrolle. Die Polizisten haben sich wie wir den besten Platz für ihren Job ausgesucht. Einer der Gesetzeshüter kommt zu uns herübergeschlendert. “Wo kommt ihr den her? Was, aus Deutschland? Und ihr wollt nach Burma?”, schüttelt er ungläubig seinen Kopf, während wir versuchen so schnell wie nur möglich Schutz unter unseren Regenhäuten zu finden. “Was kostet denn so ein Superbike?”, fragt er mit seinem Stock auf unsere Gefährt deutend. Da ich den Preis unserer Räder in solchen Ländern auf keinen Fall nennen kann versuche ich mich vor der Antwort zu drücken. “Mann! Komm endlich her! Wir müssen arbeiten!”, ruft in diesem Moment sein Kollege ärgerlich, weswegen der Mann davoneilt. Als wir weiterfahren schüttet es wie aus Eimern. Die Straße windet sich nicht wie erhofft in die gewünschte Richtung, so das wir gegen starken Seiten- und Frontwind ankämpfen müssen. Unsere Räder holpern wie eh und je über Glasscherben. Vielen können wir ausweichen, jedoch beim dem Sauwetter sehen wir einige erst spät. Manchmal zu spät. Krick, krick, krick, höre ich es unter meinem Vorderrad. Es Donnert und Blitzt über unseren Köpfen das wir glauben die Erde beben zu spüren. Wuuuschsch! Wuuuschsch! Zischt das Wasser über uns wenn die vorbeirasenden Autoreifen durch die Wasserflächen jagen. Wuuuuu! Wuuuuu! Fegen die Böen durch die Baumalleen und versetzen unseren Rössern einen bösen Seitenhieb. Meine Beine werden schwerer und schwerer. Unser Atem rasselt. “Nur nicht stehen bleiben! Wir kühlen sonst sofort aus!”, rufe ich Tanja zu die sich hinter mir ihren Weg durch das schreckliche Wetter bahnt. Dann hält ein Autofahrer vor uns und stopp unseren Ritt durch das ungebremste Nass. “Woher kommt ihr? Wohin wollt ihr? Was?” fragt er und ist über unsere Antwort überrascht. Wir entschuldigen uns. Bei ca. 13 Grad und dem starken Wind können wir uns nicht erlauben auf der offenen Prärie stehen zu bleiben. Minuten später hält ein Mopedfahrer neben uns. Die gleichen Fragen die gleichen Antworten. Der Sozius reißt die Augen auf als er versteht. Er ist aber so betrunken, dass er sich wie ein Zeck an seinen Vordermann klammert und wirr seine Augen hin und herdreht. Weiter geht die Fahrt. Es blitzt. Dann, nur mit einem Bruchteil der Verzögerung, schlägt es gleißend in das Feld neben uns ein. Weit weg genug um uns nicht zu gefährden aber nah genug um vor Schreck fast aus dem Sattel zu fliegen. Wohin sich wohl der nächste Blitz verirrt? Anhalten und Schutz suchen geht nicht. Es gibt nichts außer ein paar Bäumen am Straßenrand. Augen zu und durch. Weiter, weiter, weiter. Auch dieses Gewitter hört auf. Ich sehne mich nach der Hitze Moldawiens. Nach der Hitze in der Ukraine noch vor wenigen Tagen. Seltsam das der Mensch immer das haben möchte was er gerade nicht bekommen kann. “Was wohl besser ist? Die Hitze oder die Kälte?”, sinniere ich japsend vor mich hin. “Alles beide Mist. Wir sollten den nächsten Trip auf Hawaii planen. Da wird’s nicht so kalt oder heiß.” babbele ich. Wegen der Anstrengung schwitzen wir unter unserer Regenkleidung weswegen wir jetzt von unten ebenfalls klatschnass sind. Nässe von innen und Nässe von außen sollte sich eigentlich aufheben. Tut es aber nicht. Wir müssen zusehen, dass wir die Nässe von innen warm halten. Das funktioniert. Nur meine Oberschenkel fühlen sich heute wie Blei an. Der Hänger ist in diesen Stunden besonders schwer. Wir radeln jetzt schon 50 Kilometer ohne Pause dahin. Der Abstand von Dorf zu Dorf wird auf einmal größer. “Puh macht mich der Gegenwind fertig.”

Plötzlich taucht am Straßenrand eine Kneipe auf. Ist keine Fata Morgana. Wir verlassen den nassen Asphaltstreifen und lehnen unsere Roadtrains an die Hauswand. Eine Gemüsesuppe und Salat geben uns erneut Kraft. Das Wasser quakt in den Schuhen unterm Tisch. Dann geht es weiter. Plötzlich zeichnen sich Ausläufer des Krimgebirges am Horizont ab. Das Landschaftsbild ändert sich. Dann, nach sechs Stunden und 67 Kilometern, die rettende Insel. Eine Tankstelle bietet für die müden Trucker Zimmer an. Wir sind zwar nur Radfahrer bekommen aber trotzdem ein Bett. Ich freue mich auf die heiße Dusche. Mit letzter Kraft stolpere ich die Stufen in den ersten Stock hoch. Als ich den Stecker des Heißwasserboilers in die Steckdose drücke beginnt es dort in dem Drahtgeflecht seltsam zu rauchen. Es blitzt kurz auf und stinkt etwas. “Ich glaube der Boiler hat gerade seinen Geist aufgegeben”, sage ich bitter enttäuscht zu Tanja. Das Resultat ist den kalten Körper mit kaltem Wasser zu erschrecken. Oh nein. Nach einer flüchtigen Pause tippe ich die Kurzaufzeichnungen des Tages in den Laptop, spiele die Bilder ein und schleppe mich mit Tanja zum Essen in das Erdgeschoß. Tanja geht es heute wieder mal viel besser. “Wie sie das nur macht?”, flüstere ich vor mich hin. Wir verdrücken je einen Teller mit Spagetti, eine Suppe, Salat, Weißbrot und ein paar Bier. Dann ab ins Bett. Um 21 Uhr fällt mein matter Körper in einen erholsamen Tiefschlaf.

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