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Mongolei/Tsagaan Nuur Camp MONGOLEI EXPEDITION - Die Online-Tagebücher Jahr 2011

In seinem Herzen ist er ein guter Mensch

N 51°21'785'' E 099°21'046''
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    Tag: 109-111

    Sonnenaufgang:
    08:30/08:34

    Sonnenuntergang:
    17:42/17:39

    Gesamtkilometer:
    1146

    Bodenbeschaffenheit:
    Eis, Schnee

    Temperatur – Tag (Maximum):
    minus 13°C

    Temperatur – Tag (Minimum):
    minus 18°C

    Temperatur – Nacht:
    minus 27°C

    Breitengrad:
    51°21’785“

    Längengrad:
    099°21’046“

    Maximale Höhe:
    1475 m über dem Meer

Bisher war es in der Mongolei bald die Regel, das Pferdeverkäufer, Arbeiter die wir anstellten, oder Reisebegleiter, am Ende, der mit Handschlag besiegelten Vereinbahrung, nachverhandelt haben. Meist erfanden sie irgendwelche fadenscheinige Gründe, um urplötzlich mehr Geld aus uns herauszuschlagen. Am heutigen Zahltag von Bilgee bin ich deswegen ein wenig nervös. Er erhält sein Gehalt plus den ausgemachten Bonus für drei Monate. Auch wenn wir ihn, bis auf die eine Sache in Mörön, als zuverlässigen, ehrlichen Mann kennenlernen durften, verspüre ich eine unbestimmte Unsicherheit. Durch Gier und Habsucht werden Freundschaften und gewachsene Beziehungen zerstört. Oftmals steht das Nachverhandelte im keinen Verhältnis zum entstandenen emotionalen Schaden.

„Hier ist dein wohlverdienter Lohn“, sage ich und reiche ihm ein dickes Bündel Banknoten. Freudestrahlend nimmt es Bilgee entgegen und möchte es einstecken. „Zähl bitte nach“, sage ich zu ihm, worauf er die Scheine zählt und sie dann erneut einsteckt. „Ist viel Geld. Vielen dank für die schöne Zeit“, meint er. „Wir bedanken uns für die fantastische Reise mit dir“, antworte ich freundlich. „Ich komme wieder. Nächstes Jahr, wenn ihr den Khuvsgul See umreitet und dann zurück nach Erdenet geht, werde ich euch wieder gerne begleiten“, sagt er euphorisch. „Wir lassen es dich wissen wann es losgeht“, antworte ich.

Nach dem Frühstück machen wir uns an die letzten Arbeiten. Bilgee und ich ziehen in der Dachkrone der Jurte eine Plastikfolie ein damit es bei Schneefall innen nicht nass wird. Für das blecherne Ofenrohr schneiden wir feinsäuberlich ein Loch in das Plastik. „So, nun ist euer mongolisches Haus dicht. Durch die Plastikfolie fällt zwar weniger Licht herein aber es hält auch die Wärme davon ab zu schnell ins Freie zu gelangen“, erklärt Bilgee.

Schlagartig ändert sich das Klima in unserer Bude. Dadurch, dass die Wärme nicht mehr so schnell wie vorher nach draußen dringen kann, wird es augenblicklich brüllend heiß. Tanja und ich schießen ins Freie. Schnell lassen die minus 20 °C unsere Körper abkühlen, so dass wir uns wieder ins Innere flüchten. „Na das kann ja heiter werden. Raus, rein, raus, rein. Immer in Bewegung, um sich vor dem sicheren Hitzschlag, oder Erfrierungstod zu retten“, sage ich etwas ratlos. Wenig später kommen wir darauf bei Bedarf die Plastikfolie ein Stück zur Seite zu schieben. Also wenn das Feuer im Kanonenofen außer Kontrolle gerät und er einfach losbrüllt. Wenn es dann zu kalt wird schließen wir das Loch in der Dachkrone. Auch wenn wir unseren Aufenthalt in unserem mongolischen Heim genießen, sehne ich mich manchmal nach einer Zentralheizung, die man auf 22 °C einstellt, und dann besitzt die Wohnung oder das Haus die eingestellte Temperatur. In einem Filzhaus kann es durchaus geschehen, dass die Temperatur innen auf plus 35 °C ansteigt während es draußen minus 45 °C hat. Die 80 Grad Unterschied sind für den menschlichen Kreislauf eine echte Herausforderung.

Als wir mit dem Bau der Hundehütte beginnen wollen haben wir nicht mit Ayush gerechnet der wie eine Glucke auf jedem Stückchen Holz sitzt. „Vielleicht sollte ich ihm die paar alten Bretter abkaufen?“, frage ich Bilgee. „Ach was. So etwas kauft man nicht. Er soll sich nicht so haben der alte Geizkragen“, meint er mit einem gutmütigen Grinsen um die Lippen. Es ist genauso wie es uns Saraa prophezeit hat. „Mein Cousin meckert häufig herum. Er ist ein Kommunist der alten Schule. Aber in seinem Herzen ist er ein liebenswerter Mann.“ Allerdings fand ich es nicht besonders liebenswert als ich vor wenigen Tagen Holz von seinem Holzhaufen genommen hatte, um bei uns einheizen zu können. Mürrisch kam er aus seiner Baishin gehumpelt und hat mich angemacht doch mein eigenes Holz zu hacken. Da eine der beiden mit Ayush vereinbarten und im Voraus bezahlten zwei Lastwagenladungen Holz erst vor kurzem eingetroffen sind und seine Stieftochter Tsendmaa uns ausdrücklich erlaubt hatte Holz von Ayush nutzen zu dürfen, erschrak ich natürlich. Nun, ich hoffe wir schaffen den Aufenthalt hier ohne zwischenmenschliche Konflikte. Der alte Kauz, der alle seine Lichter an hat und lange Bürgermeister von Tsagaan Nuur war, ist sicherlich nicht einfach zu nehmen.

Tanja spielt mit ihm eine Partie Schach. Nach einem längeren Hin und Her und zur großen Freude von Ayush hat sie verloren. „Du wirst es nicht glauben“, sagt Tanja danach. Was werde ich nicht glauben?“ „Er hat geschummelt.“ Wer hat geschummelt?“ „Na Ayush. Er ist mit seinen Bauern anstatt zwei Felder drei Felder gesprungen. Dachte erst das war ein Versehen und habe ihn gewähren lassen. Aber es kam immer wieder vor“, erzählt sie.

Gegen Abend wird das Wetter richtig ungemütlich. Starker Wind bläst über den Weißen See kleine Eiskristalle durch die Luft. Es heult und seufzt um unsere Jurte. Drinnen ist es aber heißt und durch Bilgees Arbeit absolut winddicht.

Weil es unser letzter Abend mit Bilgee ist kochen Tsendmaa, Tanja, Bilgee und ich Buuz (Gefüllte Teigtaschen). Wir haben einen Riesenspaß zusammen und bedauern es sehr in Zukunft ohne unsere liebenswerte Ideenmaschine und Helfer auskommen zu müssen.

Bilgees Heimfahrt

Weil es keine offizielle Busverbindung von Tsagaan Nuur nach Mörön gibt und nicht einfach ist eine Mitfahrgelegenheit zu bekommen, hat Bilgee an ein paar Läden seine Telefonnummer hinterlassen. Wenn ich Glück habe wird sich heute jemand melden“, meint er und packt seine Sachen. Danach trägt er ein paar Bretter zusammen die er doch tatsächlich Ayush abgequatscht hat.

Da die Temperaturen weiter fallen und Mogi bisher jede Nacht draußen auf dem kalten Boden schlafen muss ist das Hundehäuschen wichtig. Viele seiner Kollegen müssen in dieser Gegend ohne ein Dach über den Kopf auskommen aber Tanja und ich können uns gut vorstellen, dass diese extremen Temperaturen für frühzeitige Erkrankungen sorgen.

Umgehend beginnt Bilgee mit der Zimmermannsarbeit. Tanja hilft ihm dabei. Er ist noch nicht ganz fertig als plötzlich alles viel zu schnell geht. Ein kleiner russischer Allradbus hält mit quietschenden Bremsen vor dem Bretterzaun. Es hupt mehrfach, worauf Bilgee in die Baisin spurtet und sein Bündel holt. Auf dem Weg über dem Hof zum Bus laufen wir ihm aufgeregt hinterher. Für einen großen Abschied bleibt keine Zeit. Der Fahrer verstaut seinen Mehlsack, gepackt mit den paar Habseligkeiten. Dann eine kurze Umarmung und Bilgee sitzt im Bus. „Sain jawaaraj!“ („Gute Reise!“) rufen wir noch als schon die Türen zuschlagen und sich das Fahrzeug in Bewegung setzt nur um wenig später hinter ein paar Blockhütten zu verschwinden.

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