Im Zentrum Garden Edens
N 53°08'37.1'' E 064°22'53.3''Tag: 61
Sonnenaufgang:
05:42 Uhr
Sonnenuntergang:
21:54 Uhr
Luftlinie:
49.97 Km
Tageskilometer:
59.95 Km
Gesamtkilometer:
8540.75 Km
Bodenbeschaffenheit:
Asphalt
Temperatur – Tag (Maximum):
36 °C
Temperatur – Tag (Minimum):
25 °C
Breitengrad:
53°08’37.1“
Längengrad:
064°22’53.3“
Maximale Höhe:
197 m über dem Meer
Maximale Tiefe:
189 m über dem Meer
Aufbruchzeit:
09.00 Uhr
Ankunftszeit:
17.00 Uhr
Durchschnittsgeschwindigkeit:
11.85 Km/h
Als gestern der Kurier mit dem neuen Sattel und den Haltewinkeln von zwei plus zwei vor unserer Tür stand, haben wir uns riesig gefreut. Sofort bin ich zu unseren Rädern in die Garderobe gerannt und habe die Teile eingebaut. Um die Haltewinkel in ihrer robusten Form belassen zu können musste ich die Schaltbox der Rohloffnabe etwas nach hinten versetzen. Hat prima geklappt. Nach dem Umbau zog ich vor der Gastiniza ein paar Testrunden. Der neue Sattel ist zwar hart fühlt sich aber gut an. Sozusagen neu gesattelt und mit stabilen Originalhaltewinkel fahren wir heute endlich weiter. Nach 11 Tagen Stillstand wird es auch Zeit unsere langsam erschlaffenden Muskeln wieder zu bewegen und Blut durch unsere Adern zu pumpen. Abgesehen davon darauf zu brennen die Tretkurbeln kreisen zu lassen, hat uns der lange Aufenthalt zurückgeworfen. Um den Baikalsee noch vor den Schneefällen zu erreichen müssen wir bis November mindestens 1.200 Kilometer im Monat zurücklegen. Weil die Berichterstattung der Reise bald 50 Prozent der Zeit in Anspruch nimmt ein recht straffer Zeitplan.
Kaum liegt Kustanai hinter uns sind wir wieder von endlos großen Weizenfeldern umgeben. Sie reichen bis zur Horizontlinie und vereinen sich mit der scheinbaren Endlosigkeit. Nur ab und an werden sie von einer kleinen Baumgruppe aufgelockert. Die vom Mensch vergewaltigte Steppenlandschaft wirkt monoton. Jeder Quadratmeter gleicht dem anderen. Es gibt kaum Abwechslung für unsere Augen. Wir fragen uns ob die Menschheit solche gewaltigen Mengen von Weizen überhaupt benötigt? Ein Doppeltdecker fliegt in einem Abstand von ca. einem Kilometer parallel zur Straße, um die Felder zu besprühen. Der Wind treibt die Giftwolke in unsere Richtung. Dann führt die Straße in einen Bogen und der Meister bläst uns mit all seiner Kraft ins Gesicht. Aus ist der Traum vom Rückenwind wie in den Tagen vor Kustanai. Es fällt uns nicht leicht ihm zu trotzen und obwohl wir geplant hatten heute 100 Kilometer zurückzulegen setzt er uns knallhart Grenzen und zeigt uns wer der Herr ist und das wir jegliche Planungen über den Haufen werfen müssen. “Hast du ihn bei seinem Namen genannt?”, frage ich Tanja. “Nein, ich werde mich hüten aber ich glaube du erwähntest vorhin seinen Namen.” “Ich? Niemals! Ich bin doch nicht verrückt. Ich sprach davon das mir die Winde im Magen herum gehen aber nicht von ihm”, verteidige ich mich. “Na dann hat er dich missverstanden und uns jetzt wieder gefunden”, lacht Tanja.
Nach 8 Stunden und gerade mal 60 Kilometern sind wir müde. Ich checke die Gegend nach einer Campmöglichkeit und entdecke unweit der Straße dichte Buschreihen. “Lass es uns dort versuchen!”, sage ich, worauf wir unsere Räder die steile Böschung ins hohe Gras rollen lassen. Mit großer Kraftanstrengung schieben wir unsere Roadtrains durch das saftige Grün. Als wir sie durch eine schmale Lücke zweier Sträucher drücken befinden wir uns urplötzlich auf einer winzigen paradiesisch schönen Lichtung. “Siehst du das nieder gedrückte Gras an dieser Stelle?”, frage ich Tanja. “Ja, woher das wohl kommt?” “Das ist bestimmt der Schlafplatz eines Rehs gewesen”, vermute ich. Da die Stelle einigermaßen eben ist eignet sie sich optimal für unser Zelt. Schnell ist unser Lager errichtet. Hunderte von Insekten sind hier Zuhause. Schmetterlinge und Libellen flattern in großer Zahl von Blume zu Blume. Der Duft der unterschiedlichsten Wildkräuter verzaubert die Luft. Die noch immer heißen Sonnenstrahlen blitzen durch das Geäst des Buschwerkes. Der Meister säuselt außen herum. Wahrscheinlich um uns zu suchen. Seine Kraft lässt die Blattkronen hin und her bewegen und die Schatten tanzen. Würde er nicht die Fahrgeräusche der Autos und Lastwägen von der Straße zu uns herüber tragen und hinter der nächsten Buschreihe sich nicht die Weizenfelder fortsetzen, könnte man wirklich meinen wir säßen im Zentrum Garden Edens. Wir genießen die friedliche Stimmung bis die letzten Sonnenstrahlen hinter den Büschen versinken. Spätestens jetzt wabbern die Insekten in erschreckender Zahl aus ihren Verstecken, um uns mit ihren gemeinen und hinterlistigen Stechaktionen ins Zelt zu treiben.