Hurra wir haben unser Visum
N 49°01'802'' E 104°01'571''Tag: 16-17
Sonnenaufgang:
05:38 Uhr/05:48 Uhr
Sonnenuntergang:
20:17 Uhr/20:30 Uhr
Luftlinie:
247
Tageskilometer:
400
Bodenbeschaffenheit:
Asphalt
Temperatur – Tag (Maximum):
26 °C
Temperatur – Tag (Minimum):
20 °C
Temperatur – Nacht:
17 °C
Breitengrad:
49°01’802“
Längengrad:
104°01’571“
Maximale Höhe:
1315 m über dem Meer
Aufbruchzeit:
9:00 Uhr
Ankunftszeit:
17:30 Uhr
Durchschnittsgeschwindigkeit:
60
Tanja hat gestern ohne jegliche Probleme unser Arbeistvisum für 365 Tage bekommen. Hurraaaaa!!!! Mit Hilfe von Saraa haben wir es geschafft. Das Wunder, von dem ich Anfang des Jahres gesprochen habe hat sich nun manifestiert. Wir sind nun Besitzer einer mongolischen I-D Karte. Wieder einmal zeigt mir diese Situation wie der feste Glaube an das vermeintlich Unmögliche, Nichtmachbare und was viele als Utopisch bezeichnen, doch real werden kann wenn man wirklich will. Wenn man alles was in einem steckt in die Waagschale wirft und mit Zuversicht, Ausdauer und positiven Gedanken an die Sache geht. Geht nicht gibt es nicht. Das ist Fakt. Es geht alles, mit kleinen Einschränkungen, fast alles. Mutter Erde oder „Alles Was Ist“ oder wie andere Menschen sagen, Gott, hat mir in den Wüsten Australiens gelehrt fest an meine Wünsche zu glauben und auf dem Weg dorthin nicht zu verkrampfen oder zu verhärten. „Lass es fließen Denis“, habe ich über drei Jahre immer wieder gehört. Später, nachdem ich lange Zeit mit Mutter Erde über diese Aussage lamentiert hatte wurde diese Aussage leicht modifiziert. Es hieß dann „Aktives fließen lassen Denis“. Was soviel heißt wie: „Tue alles was in deiner Kraft steht um deine Wünsche und Träume zu realisieren. Sollte sich auf deinem Weg aber eine hohe, für dich unüberwindbare Betonmauer auftürmen, dann gehe nicht mit dem Kopf durch und breche dir den Schädel, sondern umgehe diese Mauer und verfolge weiter dein Ziel“. Das heißt übersetzt, gelassen seinen Weg zu gehen, nicht geplante Ereignisse zu akzeptieren und trotz Umwege das gesteckte Ziel vor Augen zu halten. Wie auch immer, wir haben unser Visum ohne dieses unser Expeditionsvorhaben nicht möglich wäre.
Verlegen unser Basiscamp nach Erdenet
Heute um 8:30 Uhr klopft es an der Tür. Es ist Ganbold. Da die Inhaberin der Wohnung Ganbolds Nichte ist und diese gerade im Ausland verweilt, managet Ganbold die Übergabe des Appartements. „Ihr könnt doch auf 300,- € aufrunden“, meint er als Tanja ihm die vereinbarte Miete von 280,- € geben möchte. Weil wir nicht möchten das Ganbold, der uns viel geholfen hat, am Ende unzufrieden ist, runden wir den Betrag auf und geben ihm weitere 20.000,- (12,- €) Tugrik für seine Mühe. Er ist einverstanden und lacht. Mittlerweile klopft es wieder. Ulzii, Tagi und der Minibusfahrer Tsag sind nun ebenfalls pünktlich da. Alle zusammen tragen wir 350 Kg Ausrüstung vom fünften Stock auf dem Hof. Bevor es dann losgeht wechselt Tsag erstmal einen seiner maroden Reifen. Dann schlichtet er wirklich kennerhaft unser gesamtes Gepäck in den Kleinbus. Wir verabschieden uns von Ganbold. „Habt eine sichere Reise“, wünscht er uns noch und verschwindet mit seinem Jeep im Straßenverkehr. Wenig später rattert auch unser Gefährt durch U.B. in Richtung Nordwesten. Schon nach 50 Km verliert einer der Hinterreifen Luft. In einem Dorf finden wir eine Werkstatt, zumindest schimpft sich das schäbige Hüttchen so, und befüllen den Reifen. Dann fahren wir bei strahlendem Sonnenschein durch eine traumhaft schöne mongolische Hügellandschaft. „Irgendwie kommt mir diese Gegend bekannt vor“, sage ich zu Tanja und frage Tsag ob diese Straße nach Darhan führt. „Ja da müssen wir hin. Kurz vor Darhan aber biegen wir nach links in Richtung Erdenet ab“, antwortet er. „Dachte ich’s mir doch“, meine ich und denke bei jedem Berg den wir überqueren daran wie schwer es war als wir uns vor 1 ½ Jahren hier mit unseren Fahrrädern über das endlose Hügelland quälten. „Schau mal Denis! Dort drüben ist das kleine Häuschen in dem wir auf dem Weg nach U.B. Unterkunft gefunden hatten“, ruft Tanja plötzlich. „Stimmt. Kann mich gut daran erinnern wie uns die Hausherrin eine leckere Suppe gekocht hat und wir uns dort aufwärmen konnten“, antworte ich und denke sehr gerne an diese Zeit zurück. Immer wenn wir jetzt einen Hügel sehen der uns besonders viel Kraft abverlangt hat oder den letzten sonnigen Rastplatz an dem wir gevespert hatten, rufen wir freudig aus und erzählen uns die an dem Ort erlebte Geschichte.
„Sag mal Denis, an was glaubst du eigentlich?“, fragt mich plötzlich Tsag. „Oh das ist eine kurze Frage mit einer langen Antwort.“ „Na kein Problem wir haben ja die ganze Fahrt Zeit“, meint er und lacht. So kommt es, dass ich ihm über meine Erlebnisse und Gespräche mit Mutter Erde erzähle die ich während unseres 7.000 Km langen Marsches durchs Outback hatte. Ich erzähle von meinen Erlebnissen in hinduistischen Tempeln, meine Meinung über den Buddhismus, der katholischen, evangelischen und Orthodoxen Kirche. „Und du bist Mormone?“, möchte ich wissen. „Ja bin ich“, sagt er und erklärt mir, dass er zwei Jahre in Sibirien als Missionar unterwegs war. „Unsere Religionsgemeinschaft wurde 1830 von Joseph Smith gegründet. Heute haben wir ca. 8 Millionen Mitglieder weltweit. Die Hälfte von uns leben in den USA. Viele Mormonen gibt es auch in Großbritannien, und Skandinavien. Ich war einer von ungefähr 45.000 Missionaren die weltweit unseren Glauben verkünden und bin stolz darauf. Unsere Gemeinschaft wächst sehr stark. Und wenn ich ehrlich bin muss ich sagen, dass unser Glaube der einzig wahre ist den es gibt. Aber ich akzeptiere auch alle anderen Glaubensrichtungen. Weißt du in der Bibel wurde viel verfälscht. Einiges davon hat nichts mit der Realität zu tun. Sind Märchen. Unser Glaube beruht sich auf die Wahrheit“, sagt er und möchte von mir wissen ob ich Joseph Smith, so wie die Mormonen, für einen wahren Propheten halte. „Darüber kann ich mir kein Urteil erlauben. Ich kenne euren Glauben nur durch deine Erzählungen. Um mir darüber ein Bild machen zu können müsste ich mehr wissen. Aber es ist durchaus möglich dass er ein Prophet war. Wer kann schon das Gegenteil beurteilen? Es ist eben eine Glaubenssache und wenn du daran glaubst ist es für dich die Wahrheit“, antworte ich und versuche das Thema zu wechseln da die Englischkenntnisse von Tsag nicht ausreichen um eine tiefgründige philosophische Diskussion zu führen. Ich blicke aus dem Fenster und beobachte die vorbeiflitzenden grünen Hügel. Es riecht nach tausenderlei Kräutern und Blüten. „Hier scheint die Natur noch in Ordnung zu sein“, denke ich mir und weil ich die letzten Monate und Wochen und auch Tage geradezu unglaublich viel gearbeitet habe fühle ich wie mir eine bleischwere Müdigkeit die Augenlieder nach unten drückt. Nur am Rande höre ich noch wie Tsag versucht mir seinen Glauben schmackhaft zu machen. Plötzlich wird der Minibus langsamer. „Sind wir schon da?“, frage ich aus einem kurzen Schlaf hochfahrend. „Das Benzin ist alle“, meint Tsag mit den Schultern zuckend. „Das Benzin ist alle? Und was machen wir jetzt?“ „Dort vorne ist eine Tankstelle“, meint Tsag gelassen und lässt den Minibus den Berg hinunterrollen. Wir schaffen es gerade noch bis zur Zapfsäule. Na so ein Glück das hier gerade ein Dorf ist und noch dazu eine Tankstelle“, lacht Tanja. „Wir betanken den alten Minibus und dann geht es erstmal stotternd weiter. Der Dieseltank war bis auf den letzten Tropfen leer gefahren. Jetzt müssen sich erstmal alle Leitungen wieder füllen bis das betagte Ding sich von diesem Vakuum erholt.
Um 17:30 erreichen wir die Stadt Erdenet mit ca. 70.000 Einwohner. Es ist eine der typischen mongolischen Städte. Blau, rot, braune und graue Wellblechdächer der kleinen Holzhütten leuchten in den blauen Himmel. Dazwischen stehen viele Jurten in denen Hirten direkt in der Stadt leben. Wir fahren durch das nicht gerade ansprechende Zentrum, geprägt von kommunistischen Kastenhochhäusern die eher zur Kategorie hässlich gehören. Dann geht es einen Hügel hinauf. Tsag bringt seinen Minibus vor einer betagten Holzhütte zum stehen. Ein Bretterzaun umsäumt den ca. 800 Quadratmeter großen Garten in dem wildes Gras wächst. Am unterem Rand befindet sich ein windschiefes kleines Häuschen in dem sich das Plumpsklo befindet. Willkommen am Tor zur Wildnis. Naraa, die Schwester von Saraa, kommt aus der Hütte und begrüßt uns freundlich. Schnell ist das Fahrzeug ausgeladen und alles in die Hütte getragen. Wir bekommen das Wohnzimmer für uns ganz alleine. Unsere Ausrüstung füllt den gesamten Vorraum. Wir legen die Isomatten auf den Teppich und rollen unsere Schlafsäcke darauf aus. Die Zeit der Betten und angenehmen Matratzen ist offensichtlich für das kommende Jahr vorbei. Auch gibt es natürlich kein fließend Wasser. Das Wasser wird mit einem kleinen Handwagen etwa 500 Meter vom Haus entfernt an einer öffentlichen Wasserstelle geholt. 30 Liter kosten ca. 200 Tugrik (23 Eurocent). Jeder der Einwohner muss an diesen Wasserstellen sein kostbares Nass kaufen. Strom gibt es in dem Blockhaus aber die Leitungen, besonders die Stecker und Kabel sehen lebensgefährlich aus. Obwohl wir wussten, dass wir der Zivilisation oder das was wir so nennen, den Rücken zukehren werden, ist dieser Augenblick doch überraschend. Genau in solchen Momenten wird uns immer wieder bewusst welchem Luxus wir entsprungen sind. Das Tor zur Wildnis klingt in Erzählungen oftmals romantischer als es sich in der Realität anfühlt. Es wird einige Tage dauern bis wir uns hier eingelebt haben.
Schon am selben Abend sucht uns Bilgee auf. Bilgee wurde uns vom örtlichen Mormonenchef empfohlen. Er soll ein zuverlässiger Mann sein und möchte die Expedition begleiten. Wegen dem Pferdewagen und der immensen Herausforderungen die während dieser Expedition auf uns warten, benötigen wir mindestens zwei erfahrene Männer. Zumindest einer von ihnen sollte sich mit Pferden und dem Bau eines Pferdewagens auskennen. Taagii unser Übersetzer, den ich bisher fälschlicher Weise immer Tagi genannt habe, hat diesen Kontakt arrangiert. Es ist bereits dunkel als Bilgee und zwei andere Mongolen die Hütte betreten. Sofort entsteht ein angeregtes langes Gespräch von dem wir natürlich nichts verstehen. Taagii, dessen Englisch in den letzten Tagen viel besser geworden ist, gibt sich große Mühe zu übersetzen. „Was meinst du?“, frage ich Tanja. „Sieht schon sehr verwegen aus. Mit diesem Mann möchte ich unterwegs keine Probleme haben. Was ist deine Meinung?“ „Keine Ahnung. Ist wirklich schwer zu sagen“, antworte ich. Wir besprechen die Details, die Aufgabenverteilung und das Gehalt. Er ist einverstanden. „Ich bin Jäger und kann uns unterwegs mit Fleisch versorgen. Ist das in Ordnung für euch?“, möchte er wissen. „Obwohl wir wissen, dass es in der Mongolei noch immer die Pest, vor allem bei Murmeltieren gibt, sagen wir zu. (Die Pest ist eine schwere Infektionskrankheit bei Menschen und Nagetieren, die von dem stäbchenförmigen gramnegativen Bakterium Yersinia pestis hervorgerufen wird. Heute tritt die Pest fast nur noch in Afrika, Asien und Südamerika auf; aus Europa und Nordamerika ist sie so gut wie verschwunden.)
Während unserer letzten Mongoleiexpedition 1996 haben wir gelernt, dass es keinen Sinn macht den Mongolen das Jagen zu verbieten. Genau solche Verbote haben zu zwischenmenschlichen Problemen geführt. Damals haben unsere Begleiter die Expedition einfach für einige Tage verlassen und sind während dessen auf die Jagd, vor allem Murmeltierjagd, gegangen. Manchmal waren sie genau dann wenn wir sie gebraucht haben nicht da. Das wollen wir von Anfang an vermeiden.
„Was ist dein Eindruck Taagii?“, frage ich, um eine weitere Meinung zu bekommen. „Ich weiß nicht. Er redet zu viel. Vor einer Entscheidung ob wir ihn nehmen oder nicht nehmen würde ich erst mit dem Onkel von Ulzii sprechen.“ „Guter Vorschlag“, antworte ich, worauf wir dem Mann sagen uns morgen Abend zu entscheiden. Er nickt, verabschiedet sich und verlässt das Blockhaus.
Wenig später kommt Ulziis Onkle Tsaagaan. Der etwa 1,70 Meter kleine Mann hat ein freundliches und ansprechendes Gesicht. Schon im ersten Moment macht er einen guten Eindruck auf uns. Im Laufe des Gespräches hören wir, dass er bereits 56 Jahre alt ist. Wegen dem oftmals harten Lebensstil gilt das in der Mongolei bereits als alt. „Ist er noch fitt?“, frage ich deswegen Taagii. „Ich bin fitt“, übersetzt Taagii die Worte des Mannes der wie Bilgee mit allen Bedingungen einverstanden ist. Auch damit, sein erstes Gehalt nach einer Woche zu bekommen und den Rest erst nach der Expedition. „Solltest du etwas auf der Expedition benötigen erhältst du natürlich Geld von uns. Wir haben aber schlechte Erfahrungen gemacht wenn wir das gesamte Gehalt im Voraus oder wöchentlich bezahlen. Manchmal sind uns während einer Expedition die Begleiter einfach weggelaufen. Das ist also nichts gegen dich persönlich sondern hat etwas mit unseren Erlebnisse zu tun“, erkläre ich. „Kein Problem“, lächelt er. „Ich begleite euch gerne.“ „Kannst du auch einen Pferdewagen bauen?“, interessiert es mich. „Klar, ich habe selber zwei Jahre lang einen Pferdewagen gefahren“, antwortet er. „Wie sieht es mit Alkohol aus? Trinkst du viel?“, frage ich da wir auch in diesem Bereich nicht sehr gute Erfahrungen gemacht haben. „Trinken? Nein. Nur selten“, antwortet er mit ernstem Gesichtsausdruck.
Nachdem auch er sich verabschiedet hat sprechen wir alle zusammen noch über die beiden Männer. „Also, Ulzii wäre sehr froh wenn ihr euch für seinen Onkel entscheiden würdet. Er wäre viel lieber mit ihm unterwegs“, übersetzt Taagii. Ulzii, der unser Übersetzter sein soll wenn Taagii uns wieder verlässt, versteht nur sehr wenig Englisch. Trotzdem kann er denn Sinn der Worte erahnen und nickt. „Auch Saraa, die bisher unser Visum eingefädelt hat, Ulzii, Tsaagaan und vieles mehr für uns organisiert und vermittelt hat würde es lieber sehen wenn wir uns für ihren Verwandten Tsaagaan entscheiden. Auch wenn unsere Gefühle zwischen den beiden Männern hin und her schwanken und wir sehr ungern einem von beiden absagen, liegt die Entscheidung bereits auf der Hand. Wir wollen uns nicht gegen die Gefühle von Ulzii stellen und wir möchten unter keinen Umständen Saraas Empfehlung missachten. „Ich denke wir haben uns für Tsaagaan entschieden“, sage ich zu Taagii und Ulzii nach einer kurzen Absprache mit Tanja. Beide sind erleichtert und Ulziis Gesicht hellt sich regelrecht auf.
An unsere Leser!
Wegen den unsagbar vielen Geschehnissen und Herausforderungen komme ich zurzeit kaum zum Schreiben. Dieses Update zum Beispiel sende ich bereits von einem sehr exotischen Ort. Menschliche Enttäuschungen, Höhen und Tiefen, Unwetter, unehrliche Pferdeverkäufer, und vieles, vieles mehr machen bereits den Anfang dieser Expedition zu einem Abenteuer, welches wir in dieser Form nicht erwartet hätten. Leider haben wir auch immer wieder große Herausforderungen mit unserer sensiblen Technik. Eine Liveberichterstattung, auch wenn sie, bedingt durch die Aufzeichnungen der Erlebnisse erst mit einigen Tagen Verspätung stattfindet, ist eine kaum zu beschreibende, manchmal bald unlösbare und über meine Kräfte gehende Herausforderung. Erschöpfung, Müdigkeit, dauerhafte Anspannung machen jedes geglückte Update der Homepage zu einem Geschenk für mich. Froh darüber, dass keine Unwetter unsere Laptops weggefegt haben oder Langfinger sich in der Nach bereichert haben geben Tanja und ich mir große Mühe Euch auf dem Laufenden zu halten. Also bleibt bitte dran.
Wir freuen uns über Kommentare!