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Mongolei/Tsagaan Nuur Camp MONGOLEI EXPEDITION - Die Online-Tagebücher Jahr 2011

Holzvorrat, kaputte Motorsäge und Spende

N 51°21'785'' E 099°21'046''
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    Tag: 143-148

    Sonnenaufgang:
    09:19/09:23

    Sonnenuntergang:
    17:14/17:15

    Gesamtkilometer:
    1141

    Temperatur – Tag (Maximum):
    minus 25°C

    Temperatur – Tag (Minimum):
    minus 30°C

    Temperatur – Nacht:
    minus 45°C

    Breitengrad:
    51°21’785“

    Längengrad:
    099°21’046“

    Maximale Höhe:
    1475 m über dem Meer

Seit einigen Tagen umgehe ich die schlechte Ladesituation indem ich zwei Notebookbatterien am Netzstecker von Ayush lade. Da er jeden Tag etwas Unverständliches vor sich hinprotzelt wenn ich meine Batterien in seine Steckdose stöpsle, gebe ich ihm heute 1.000 Tugrik. (0,57 €) „Für Strom“, sage ich mich bei ihm erkenntlich zeigend. „Bairlalaa“, bedankt er sich mit einem Lächeln, den Geldschein an seine Stirn drückend, um ihn dann in einer Schublade verschwinden zu lassen. Um sein Glück zu erhalten müsste ich ihm jeden Tag so einen Geldschein überreichen was natürlich utopisch ist. Bei Saraa hätten wir 5.000 Tugrik (2,85 €) für den Stromverbrauch eines ganzen Monats bezahlt. Natürlich möchte ich Ayush nicht verunglimpfen indem ich mich über seine dauerhafte schlechte Laune mokiere. Wir sind ihm dankbar dafür dass er uns aufgenommen hat. Auch wenn wir wissen das der Grund dafür rein geschäftlich ist. Allerdings wird es mit jedem Tag mehr etwas schwieriger mit ihm zusammenzuleben.

Heute ist der Tag an dem unsere Holzvorräte auf wenige Stunden zusammengeschrumpft sind. Da Jock den alten Lastwagen noch immer repariert, poltert er in unsere Jurte, untersucht den einen oder anderen Gegenstand, trinkt eine Tasse Tee, isst etwas Gebäck, stochert sich mit einem Streichholz im Ohr und erklärt, dass wir Holz von Ayushs Vorräten nutzen dürfen. „Oh Bairlalaa (Danke), freue ich mich. Es stellt sich allerdings heraus das es Baumstämme sind die vor Ayushs Anwesen liegen. Diese müssen erst mit der Motorsäge zerkleinert werden. Da meine chinesische neue Motorsäge nicht anspringt leiht sich Jock etwas Benzin von mir aus, um sie mit seiner russischen Motorsäge zu zerkleinern. Aber wie soll es anders sein, auch seine Säge springt nicht an. „Die Zündkerze. Kommt aus China. Ist muu (schlecht)“, sagt er und holt eine andere. Bei minus 32 °C, mit eiskalten Fingern mühen wir uns nun ab das Ding zum Laufen zu bringen. 30 Minuten später spuckt und spotzt die Maschine bis wir endlich die Stämme zersägen können. Als wir mit dem zweiten Stamm beginnen versagt Jocks russische Motorsäge vollends.

Verzweifelt versuche ich nun meine Säge anzulassen bis das Anlasserseil abreißt. „So ein Scheißding!“, fluche ich und schwöre mir in Zukunft nie mehr ein chinesisches Produkt zu kaufen.

Am nächsten Tag bekommen wir tatsächlich unsere vor langer Zeit bezahlte und versprochene Holzladung. Es ist diesmal sogar recht gutes Holz. Da ich aber ohne Motorsäge mit großen Baumstämmen nichts anfangen kann laufe ich den halben Tag durch Tsagaan Nuur, um den gerissenen Anlasser zu erstehen. Ohne Erfolg. Auf dem Rückweg treffe ich einen Mongolen dessen Tochter Ayush adoptiert hat weil seine Frau vor ein paar Jahren gestorben ist. Da der Mann keine Arbeit besitzt und er seine Tochter nur schwerlich durchbringen kann ist das eine gute Lösung. Dafür muss er bei Ayush immer wieder einmal aushelfen.

Ich gehe auf den freundlichen Mann zu und zeige ihm das defekte Teil der Motorsäge. Er lächelt und deutet mir an ihm in sein Blockhaus zu folgen. Sofort machen ein Freund von ihm und er sich über meine Säge. Schnell haben sie die Maschine zerlegt und aus einem Schrank das passende Ersatzteil hervorgezaubert. „Setz dich“, bietet mir der Mann einen Platz auf einem verschlissenen Sofa an. Fasziniert lasse nun ich meine Augen durch den Raum gleiten. Er ist einfach aber blitzsauber. Das Küchenbesteck hängt fein säuberlich an Haken. Ein Fernseher, den er sofort einschaltet, beginnt zu flimmern und zu musizieren. An der Stirnseite des Raumes befindet sich der übliche Ahnentisch auf dem ein Bild der verstorbenen Frau steht. Sie muss noch jung gewesen sein als sie unsere Erde verlies. Mit wehmütigem Lächeln blickt sie mich an während ihr Mann und sein Freund sich abmühen das neue gebrauchte Teil in meine Säge zu bekommen. Es dauert jedoch nicht lange und sie sind erfolgreich. Dann ziehen sie die Kette nach, nicht ohne sie zu ölen. „Komm mit“, fordert mich der Witwer auf ihm ins Freie zu folgen. Die beiden Männer lassen die Säge an und zerkleinern zum Test ein paar der herumliegenden Holzstämme. „Tschin setgeleesee bajrlalaa”, („Herzlichen Dank“) sage ich mich über die perfekte und unerwartete Reparatur freuend. „Was bekommt ihr dafür?“, frage ich. „Ein Flasche Wodka“, sagt der Freund. Sofort gehe ich zu Ayush, um ihn trotz des überhöhten Preises eine Flasche Wodka abzukaufen. „Oh du trinkst Wodka?“, freut er sich. „Nein, nein, das ist ein Geschenk“, antworte ich.

Benötigen eine Summe von 15 bis 20 Millionen

Weil wir bald in die Taiga aufbrechen und es dort kein Seewasser gibt, nutzen wir die Gelegenheit, um uns am Abend noch einmal zu waschen. Tanja hat in unserem Wok Wasser erhitzt. Ich stelle mich in eine Blechschüssel, in der gerade mal ein Baby genug Platz findet und versuche mich von unten nach oben zu reinigen. Natürlich nicht ohne das Wasser ein paar Mal zu wechseln. Eine sehr zeitaufwendige und mühsame Prozedur. Nach zwei Stunden fühle ich mich einigermaßen sauber. Ich steige aus meiner Schüssel und trockne mich ab als das Handy klingelt. „Ich bin’s Saraa. Habt ihr euer Feuerholz nun endlich bekommen?“ „Ja alles klar. Vielen Dank für deine Hilfe“, antworte ich. „Wie geht es dir?“, setze ich das Gespräch fort. „Ach nicht so gut. War heute mit meinem Sohn auf dem Markt. Musste etwas besorgen. Als wir dort ankamen ist er aus dem Minibus gesprungen. Ich bin hinterher damit er in kein Auto läuft und muss dabei meine Brieftasche verloren haben.“ „Deine Brieftasche?“ „Ja.“ „Und, ist der Verlust groß?“ „Ja. Das gesamte Monatsgehalt von Gonschig. Also 180.000 Tugrik, (103,-€) zwei Pässe und vier Kreditkarten.“ „Oh man. Das ist ja schrecklich. Vielleicht gibt sie der Finder ja zurück“, versuche ich Saraa zu trösten. „Glaube ich nicht. In der Mongolei gibt es kaum gute Menschen“, antwortet sie deprimiert.

„Aber ich habe noch etwas auf dem Herzen. Die zweijährige Tochter meiner besten Freundin hat Lungenkrebs. Sie wurde bereits erfolglos operiert. Die einzige Chance die die Kleine hat wäre eine Operation in einer chinesischen Spezialklinik. Das kostet aber zwischen 15 und 20 Millionen Tugrik (8.571 € bis 11.428 €). Wir sammeln schon seit einiger Zeit Geld aber es ist schwierig da es enorm eilt. Der Krebs wächst wieder“, höre ich die traurige Geschichte. „Wie viel Geld habt ihr denn bereits zusammen?“ frage ich. „Etwa drei Millionen.“ (1.714 €) „Oh da müsst ihr aber noch einiges tun. Meinst du es besteht Aussicht auf Erfolg die Summe zusammenzubringen?“ „Ich weiß nicht. Ich kann nur hoffen“, antwortet sie.

Weil es in Tsagaan Nuur keinen Bankautomaten gibt von dem wir Geld ziehen könnten und wir nur begrenzt Tugrik für die Überwinterung dabei haben, sind uns die Hände gebunden Saraas Freundin zu helfen. Trotzdem überweisen wir von der örtlichen kleinen Bank 20.000 Tugrik. (11,42 €) Saraa freut sich sehr darüber da die meisten Menschen und Firmen oft nicht mehr geben können als eine Summe von 5.000 Tugrik. (2,85 €).

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