Hilfsbereitschaft die alle denkbaren Rahmen sprengt
Tag: 52 Etappe Zwei
Sonnenaufgang:
06:21
Sonnenuntergang:
17:38
Temperatur - Tag (Maximum):
32 Grad
Edgar Kampf-Camp — 06.08.2001
Gleich am Morgen funke ich Jo und Tom an. Wir wollen wissen was die Transportgesellschaften verlangen, um ein Kamel von Perth bis zum 80 Mile Beach Caravan Park zu fahren. „Ich habe schlechte Neuigkeiten Denis. Im Augenblick werden keine Tiere in Richtung Norden befördert. Ich habe mehrere Firmen angerufen doch ohne Erfolg.“ „Hm, das ist wirklich keine gute Nachricht. Was machen wir denn jetzt?“ „Tom und ich haben darüber nachgedacht euch Max persönlich heraufzufahren. Ihr müsstet nur für die Fahrtkosten aufkommen,“ bietet Jo mir an worüber es mir für mehrere Augenblicke die Sprache verschlägt. „Jo, das sind über 2000 Kilometer einfach. Das können wir nicht annehmen.“ „Wir würden es aber gerne für euch tun und es ist die einzige Möglichkeit Max zu euch zu bekommen.“ Tanja die neben mir am Funkgerät kauert sieht mich mit ungläubigen Augen an. „Jo wir können das nie mehr gut machen. Ich weiß nicht was ich sagen soll aber es ist ein großartiges, ja unbeschreibliches Angebot. Natürlich kommen wir für die Transportkosten auf. Wann glaubt ihr könnt ihr losfahren?“ Wenn alles nach Plan läuft in vier Tagen. Tom muss noch einiges an unserem Anhänger umbauen. Das schafft er bis dahin. Auch habe ich meine Schwester schon verständigt. Sie wird von Perth nach Goomalling kommen und unserer Mutter Gesellschaft leisten und unsere acht Kamele versorgen. Colin ist ebenfalls informiert und gerne bereit uns trotz seiner vielen Arbeit zu helfen. Wir bringen Max auf dem Great Northern Highway bis dahin wo der Kidson Track beginnt. Von dort zieht er den Anhänger mit seinem Jeep in die Great Sandy weiter und wir treffen euch dann irgendwo auf dem Track. Tom und ich denken, dass wir die Strecke in 2 ½ Tagen zurücklegen können. Wir sehen uns also nächste Woche.“ Mir kommen fast die Tränen vor Freude. Schon viel haben wir auf unseren Reisen und Expeditionen erlebt. Schon oft haben uns Menschen aus der Not geholfen und das Unmögliche möglich gemacht doch diese Aktion von Jo, Tom, Colin und Jo übertrifft unser Vorstellungsvermögen um ein Vielfaches. Schon öfter habe ich erzählt nicht die richtigen Worte der Erklärung für die eine oder andere Situation zu haben und diesmal ist es wieder so. Jo und Tom müssen insgesamt knapp 5000 Kilometer Autofahren und die Hälfte der Strecke mit einem großen Kamelbullen auf dem Anhänger. Wenn man sich überlegt, dass es ungefähr die gleiche Entfernung ist als würde man vom Zentrum Deutschlands bis nach Süditalien oder Südspanien fahren, dort einen Tag bleiben, um dann wieder heimzureisen wird mir ganz schwindelig. Aber nicht nur die gewaltige Distanz ist zu bewältigen, sondern auch mindestens eine Woche ihrer Zeit. Ganz zu schweigen um diese gesamte Aktion zu organisieren und zu koordinieren. Abgesehen von dem persönlichen Engagement fallen neben den von uns bezahlten Fahrtkosten auch Abnutzung für Reifen, Fahrzeug und Anhänger an. Alles in allem muss diese umfangreiche Unternehmung, ein Ersatzkamel zu einer Expedition zu bringen, mit einem echten Wunder gleichgesetzt werden oder zumindest mit einer wunderbaren Tat. „Wir freuen uns riesig euch wiederzusehen. Was glaubst du denn wie lange ihr bleiben könnt?“ „Nicht lange Denis. Vielleicht eine Nacht. Wir müssen ja schnell wieder zurück um für euch die zwei weiteren Afghanpacksättel zu bauen. Wenn wir schnell sind benötigen wir zwei Wochen dafür. Dann müssen sie zu Colin geschickt werden und er wird sie euch nachbringen so lange man euch mit einem Allradfahrzeug erreichen kann.“ „Der arme Colin, er wird dann ganz schön weit fahren müssen.“ „Ja, aber er hat es angeboten und möchte euch auch helfen wo er nur kann.“ „Tausend Dank für alles. Jo… unser Dank kommt aus dem Herzen, ihr wisst es. Vielen, vielen Dank noch mal. Ohne eure ständige Hilfe wäre die ganze Sache noch härter als sie ist,“ sage ich mit bewegter Stimme. Wir klären dann noch die Zeiten und Frequenzen unseres Funkkontaktes und verabschieden uns.
Am Abend helfe ich Tanja die Kamele zum Camp zu bringen. Ich laufe jetzt immer mit einem Eimer voller Orangen und Karotten voran und rufe: „Come on! Come Camis! Tuckertime!” („Kommt! Kommt Kamele! Fressenszeit!“) Nimmersatt wie sie sind laufen sie mir hinterher und Tanja hat somit nicht mehr soviel Arbeit sie treiben oder ziehen zu müssen. Obwohl wir Goolas Tod noch nicht überwunden haben ist es ein schöner Abend. Wir sind jetzt zuversichtlich seine Arbeitskraft durch Max ersetzen zu können und das ist bei der riesigen Strecke die noch vor uns liegt ein beruhigendes Gefühl. Wir sitzen am Lagerfeuer und sehen unseren Jungs beim fressen zu. Da wir uns ernsthaft vorgenommen haben übermorgen aufzubrechen verfüttern wir jetzt jeden Abend das von Colin mitgebrachte Wiesenheu, Karotten und Orangen. „Sie mal wie sie wiederkäuen. Ich habe es jetzt schon so oft gesehen und mag es noch genauso wie am ersten Tag als ich unsere Kamele damals vor 11 Jahren in der Wüste Sinai dabei beobachten durfte,“ sagt Tanja mit einem Lächeln in der Stimme. „Ja sie strahlen soviel Ruhe aus, welche einen direkt ansteckt,“ antworte ich gut gelaunt. Als dann auch Istan seit seiner Krankheit endlich wieder zum Wiederkauen beginnt ist unsere Stimmung auf einem Hoch. Jetzt sind die Ampeln zur Weiterreise endgültig auf Grün geschaltet, denn genau darauf haben wir schon seit Tagen gewartet.