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Rumänien/Mariuta

Gepeinigte Stadt

N 44°32'22.1'' E 026°28'51.2''

Als ich kurz vor 11:00 Uhr in die Empfangshalle unseres Hotels komme ist Huib der Holländer schon da. Bald ein Jahr haben wir uns nicht mehr gesehen und in dieser Zeit nur per Email kommuniziert. Huib hat uns letztes Jahr auf der Bundesstraße nach Konstanza aufgegabelt. Er war unser Engel der uns in der Not meiner Verletzung aufgenommen hat und für uns den Krankenwagen nach Bukarest organisierte. Außerdem hat er bis zum heutigen Tag unsere Räder und Ausrüstung in seinem Haus sicher aufbewahrt. Wir sind ihm dafür unendlich dankbar. Schnell laden wir unsere Ausrüstung in seinem Jeep und brausen durch die Hauptstadt Rumäniens in Richtung Mariuta, dem Dorf in dem Huib ein Haus besitzt.

Bukarest ist ohne Zweifel eine der hässlichsten Großstädte die wir während unseren Reisen zu Gesicht bekommen haben. Es gibt wenig zu besichtigen, kaum Orte der Ruhe, viel geschäftiges Treiben, noch mehr Hektik und unendlich viele, vor allem stinkende Autos die sich, so scheint es, zu einem einzigen Monster vereinen. Einem Monster, welches sich durch die Öffnung zum Westen, immer schneller zu einem Supergeschwür entwickelt und unaufhaltsam ins Uferlose wächst. Klar, möchte doch jeder auch ein Auto besitzen. Straßen werden von gefräßigen Baumaschinen aufgerissen und wie es auf uns wirkt nicht mehr zugeschaufelt. Geschmacklose, verwahrloste, in kommunistischer plattenbauweise errichtete Häuser gähnen uns in heruntergekommenen Fassaden an. Staub schwängert die Luft. Es ist als würden wir einem Hexenkessel entfliehen. Es wird gehupt, gebremst, geschimpft. Reifen quietschen, Kinder rennen über die Straße, Fahrbahnen enden ohne Vorwarnung vor einer verrosteten Blockade. Presslufthammer rattern, Betonmischer scheppern. Die Stadt atmet wie eine asthmakranke Kreatur. Sie hechelt und hustet in einem Abgasnebel der sich in die Häuser und Wohnungen schleicht. Unfreundliche Betonblöcke reihen sich bald endlos aneinander. Die Einwohnerzahl auf dem Quadratmeter ist eine der höchsten weltweit. Es dauert bald eine halbe Stunde bis wir das ungesunde Treiben hinter uns lassen. Die Luft wird besser, der Staub weniger aber der Müll trübt weiterhin unsere Blicke. In Rumänien wird alles was man nicht braucht achtlos weggeworfen. Vor allem eines der größten Übel der Welt: Plastikflaschen. Wasser, Softdrinks und alles was der Weltmarkt so bietet wird in den noch viel zu billigen Rohstoff abgepackt, um dann zu Millionen und Abermillionen die Landschaft zu verschmutzen. Selbst die Felder sind zum Teil übersät mit Plastik. Ich verschließe die Augen, will meine gute Laune nicht verlieren. Was nützt es schon wenn ich wegen dem Müllproblem und dem Konsumwahn meiner Rasse schlecht drauf komme. Wahrscheinlich wachen wir Menschen erst auf wenn wir beim Atmen aus Versehen Plastik inhalieren.

Einklang von Körper, Geist und Seele

In Mariuta angekommen präsentiert uns Huib mit Freude unsere Räder. Wir sind glücklich unsere Drahtesel unversehrt und im besten Zustand vorzufinden. Sofort macht sich Tanja daran die Ausrüstung zu sortieren. Was bleibt da? Was geht mit? Sie muss genau überlegen. Vieles haben wir bei unserem bald fluchtartigen Verlassen vor einem Jahr hier zurückgelassen, vieles haben wir im Gepäck mitgebracht. Ich rolle unsere Bikes in den Garten, unterziehe sie einer genauen Inspektion und pumpe die Reifen auf. Erfreut stelle ich fest das außer ein paar Tropfen Öl nichts fehlt.

Huib lässt sich nicht nehmen nach getaner Arbeit uns zu einem Grillabend mit Fisch, Steaks, gutem Wein und Bier einzuladen. Wir feiern unser Wiedersehen und trinken darauf, dass diesmal alles besser laufen wird und unsere Reise unter einem gutem Stern steht. Ich genieße die Gespräche mit ihm bis spät in die Nacht, vor allem genieße ich hier zu sitzen und mich völlig gesund zu fühlen. Seitdem mein Rücken von den rumänischen Ärzten repariert wurde bin ich jeden Tag dankbar. Ich bin dankbar keine Schmerzen mehr zu haben und weitermachen zu dürfen. Welch ein großartiges Geschenk. Erst jetzt schätze ich es. Erst nachdem mein Reiseleben fast in einem Rollstuhl besiegelt wurde schätze ich es wie schön es ist gesund zu sein. Jeden Tag bin ich von neuem glücklich. Auch wenn es seltsam klingen mag ist das vergangene Jahr eines der glücklichsten Jahre meines Lebens gewesen. Nie hätte ich gedacht, dass ich in der Lage bin jeden Tag von neuem Glück zu empfinden. Ohne Zweifel bin ich bescheidener geworden und ehrlich gesagt ist es recht angenehm bescheiden sein zu dürfen. Natürlich bin ich überaus gespannt und aufgeregt wie unsere Reise diesmal verläuft und wohin uns der Fluss des Lebens treibt. Ich kann es kaum erwarten in die Pedale zu treten, um meinen Körper, Geist und Seele wieder in ein harmonisches, funktionsfähiges Gleichgewicht zu bringen und vor allem, um weiterhin die durchaus spannende und hochinteressante Mutter Erde für uns zu erforschen und erleben zu dürfen.

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