GEFANGEN IM KIESBETT: Wird uns der lange Radstand zum Verhängnis?
N 29°14'12.9" W 008°42'07.7"Datum: 01.03.2024
Tag: 455
Camp 83
Land: Marokko
Ort: Wüstencamp bei der Oase Tadakoust
Breitengrad N: 29°14’12.9″
Längengrad W: 008°42’07.7″
Tageskilometer: 33 km
Gesamtkilometer: 12.172 km
Höhe: 431 Meter
Temperatur Tag max: 23°
Temperatur Nacht: 12 °
Aufbruch: 14:00 Uhr
Ankunft: 18:30 Uhr
Fahrzeit: 4:30 Std.
Bevor wir uns auf die heutige abenteuerliche Fahrt durch die endlose Weite der Wüste begeben, nutzen wir die Gelegenheit, um auf dem idyllischen Campingplatz unsere Wasservorräte aufzufüllen.
Vor unserer ersten längeren Offroadtour spüre ich, wenn ich ehrlich bin, eine gewisse Nervosität in mir aufsteigen. Wir haben für die bevorstehende, ungewisse Strecke keine Karte zur Hand und setzen all unser Vertrauen in die vagen Beschreibungen des Rezeptionisten vom Campingplatz. Es fühlt sich an, als würden wir uns in ein echtes Abenteuer stürzen, ohne genau zu wissen, was uns hinter dem nächsten Wüstenrücken erwartet. Es ist ein unglaublich aufregendes Gefühl, mit unserer Terra Love allein in die endlose Weite der Wüste aufzubrechen, fernab vom Komfort asphaltierter Straßen. Der Sand knirscht unter den Reifen, die Hitze flimmert am Horizont, und uns wird bewusst, dass wir vollkommen auf unser Fahrzeug und seine Fähigkeiten angewiesen sind. Jeder Kilometer ist ein neues Abenteuer – die Streckenverhältnisse ändern sich ständig: mal tiefe Mulden, mal felsige Passagen, und es gibt keinerlei Wegmarkierungen. Der Luxus des Expeditionsmobils bietet zwar Bequemlichkeit, doch in dieser Wildnis sind wir ganz auf uns selbst gestellt.
„Spürst du auch diesen tiefen Respekt vor der Natur?“, frage ich, während wir durch die Abgeschiedenheit fahren. „Eine falsche Entscheidung, und wir könnten mitten in der Einsamkeit feststecken.“ „Ja, das ist wahr“, antwortet Tanja nachdenklich. „Aber genau diese Abgeschiedenheit schenkt uns auch eine Freiheit, die man selten erlebt.“ „Kein Handyempfang, kein Verkehr – nur die endlose Landschaft um uns herum“, sage ich und lasse meinen Blick über die weiten Flächen schweifen. „Und das Summen des Motors, das die Stille durchbricht“, ergänzt Tanja mit einem Lächeln. „Es ist dieses Kribbeln in uns, weil wir wissen, dass wir etwas erleben, was nur wenige mit so einem großen Fahrzeug wagen.“ „Genau! Es ist diese Mischung aus Ehrfurcht und Abenteuerlust“, sage ich. „Und dieses unbeschreibliche Gefühl, wirklich am Leben zu sein.“
Schon nach wenigen Kilometern wird klar, dass die Strecke, entgegen der Aussage des Rezeptionisten, zwar für kleinere Allradfahrzeuge problemlos zu bewältigen ist, jedoch für große Expeditionsmobile wie unseres deutlich anspruchsvoller wird. Die anfangs breite Piste verengt sich plötzlich und wird schließlich links und rechts von ausladenden, dornigen Ästen zweier Akazienbäume flankiert. Zwar könnten wir einfach weiterfahren, doch die trockenen Äste und scharfen Dornen würden die Seitenwände unserer Wohnkabine erheblich zerkratzen. Also greife ich zur Handsäge, ziehe wegen der spitzen Dornen Handschuhe an, steige aus und stutze die Äste so weit, dass wir unbeschadet passieren können. Langsam und meist im Schritttempo tasten wir uns vorsichtig über die holprige Piste voran, stets darauf bedacht, mit keinem Teil des Fahrzeugs – sei es der Dieseltank, die Differenzialsperren, das am Unterboden des Hecks befestigte Ersatzrad oder die unteren Servicestauräume – auf dem scharfkantigen Schotter aufzusetzen.
In Wüstenregionen werden Pisten oft mit kleinen Steinhaufen, sogenannten Steinmännchen, markiert. Die Steinmännchenmethode ist einfach und dennoch äußerst effektiv, da die Steine in der kargen Landschaft gut sichtbar und widerstandsfähig gegenüber extremen Wetterbedingungen wie Hitze und Sandstürmen sind. Da Steine überall verfügbar sind, lassen sich diese Markierungen schnell und unkompliziert errichten. Sie hinterlassen keine negativen Umweltauswirkungen und können jederzeit entfernt oder versetzt werden. Steinmännchen haben zudem eine lange Tradition in vielen Wüstenkulturen und wurden schon immer von Nomaden und Reisenden zur Orientierung genutzt. Um die im Video schlecht erkennbare, stark abfallende Piste zu umgehen, versetzen wir die Steinmännchen.
Nachdem wir uns durch die eine oder andere knifflige Senke gearbeitet haben, bin ich erleichtert, als sich endlich eine relativ ebene Piste vor uns auftut. Auf den letzten Kilometern hat das Unterfahrschutzrohr immer wieder auf den Steinen aufgesetzt – eine echte Belastungsprobe für das Fahrzeug und die Nerven. Tanja schaut aufmerksam nach vorn, ihre Stirn leicht gerunzelt. „Es bleibt trotz der besseren Strecke eine leise Anspannung, oder?“ Ich nicke und blicke ebenfalls voraus. „Ja, ich hoffe einfach, dass nicht plötzlich ein unüberwindbares Hindernis auftaucht. Das wäre echt frustrierend.“ Während wir weiterfahren, richte ich mein Augenmerk ständig auf die Piste, wachsam für jedes Detail. Doch trotz dieser inneren Anspannung versuchen wir, die Fahrt zu genießen. „Schau dir die Landschaft an“, sage ich schließlich und lasse meinen Blick über die weiten Ebenen schweifen. „Es gibt so viel Schönheit um uns herum.“ Tanja lächelt und lehnt sich etwas zurück. „Du hast recht. Lass uns diesen Moment auskosten, solange wir können.“
„Schau mal Denis, da vorne sind Kamele!“, ruft Tanja begeistert und deutet aus dem Fenster. Trotz all der Monate, in denen wir unterwegs schon oft Kamele gesehen haben, bleibt ihr Anblick für uns faszinierend. Während wir langsamer fahren, um die Tiere in Ruhe zu beobachten, erinnern wir uns an die vielen gemeinsamen Erlebnisse mit Kamelen. „Weißt du noch, wie oft wir früher über die Wüstentrails gezogen sind?“ Tanja nickt, lächelt und blickt versonnen auf die Herde. Unsere 12.000 Kilometer mit Kamelen und die sechs Jahre, die wir mit ihnen gelebt haben, sind prägende Erinnerungen, die uns bis heute begleiten.
„Ohne diese Zeit wären wir wohl nie dazu gekommen, unsere Bücher über die Reisen zu schreiben“, sage ich nachdenklich. Die Erlebnisse, die wir damals festgehalten haben, sind nicht nur Geschichten über Abenteuer, sondern auch über unsere tiefe Verbindung zu diesen außergewöhnlichen Tieren.
Es überrascht uns nicht, am Fuße des Antiatlasgebirges, am Rande der Sahara, auf Tiertränken zu stoßen. Solche Tränken sind seit Jahrhunderten lebenswichtige Wasserquellen für Nomaden und ihre Kamele. In dieser kargen und trockenen Region spielen sie eine zentrale Rolle, da sie den Menschen und ihren Tieren das Überleben in einer ansonsten wasserarmen Umgebung ermöglichen. Der Antiatlas, der südlich des Hohen Atlas liegt und in die Wüstenlandschaft der Sahara übergeht, ist geprägt von steinigen Bergen, kargen Hochebenen und vereinzelten Oasen. In diesen Oasen oder an natürlichen Quellen befinden sich die Tränken, die von den Nomaden instandgehalten und auf ihren langen Reisen regelmäßig aufgesucht werden.
„Sind wir noch auf dem richtigen Track?“, fragt Tanja und durchbricht das stille Einvernehmen, das zwischen uns geherrscht hat, seit wir die letzten Weggabelungen passiert haben. Ihre Frage trifft genau ins Schwarze – die Piste hat sich mittlerweile so oft verzweigt, dass ich mir selbst nicht mehr sicher bin, ob wir noch richtig liegen. Ich blicke auf das Handy in meiner Hand und muss zugeben, dass wir hier draußen ohne Netzempfang praktisch blind unterwegs sind. „Eigentlich hätten wir besser vorbereitet sein müssen“, sage ich leise. Offlinekarten oder ein GPS-Gerät wären in dieser abgelegenen Gegend wirklich das Mindeste gewesen. Doch diesmal haben wir uns, zugegeben etwas sorglos, auf die Aussagen des Rezeptionisten und des Caravanparkmanagers verlassen. „Sie hatten so überzeugt gesagt, dass der Haupttrack leicht zu finden sei“, füge ich hinzu. Tanja nickt nachdenklich. „Ja, das klang irgendwie unkompliziert, und da haben wir die Karten nicht mehr heruntergeladen.“ Nun, da ihre Frage im Raum steht, merke ich, wie berechtigt sie ist. Eine leichte Nervosität macht sich in mir breit, als mir bewusst wird, wie sehr wir von diesen wenigen, vagen Informationen abhängig sind. Ohne Orientierungsmittel bleibt uns nichts anderes übrig, als auf unsere Intuition und den wenigen Hinweisen auf der Piste zu vertrauen – und zu hoffen, dass wir den richtigen Weg beibehalten.
Umso erleichterter sind wir, als wir wenig später einen alten Wegweiser entdecken, auf dem deutlich „Tadakoust“ zu lesen ist. Ein Gefühl der Erleichterung breitet sich aus – endlich ein Zeichen, das uns bestätigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Der Wegweiser besteht aus einer schlichten Konstruktion aus Stein und Lehm, ein Relikt der alten Karawanenrouten im Antiatlasgebirge. „Diese Wegweiser haben schon damals Nomaden und Reisenden geholfen, sich in dieser unbarmherzigen Landschaft zurechtzufinden,“ sage ich leise und betrachte das historische Stück. Tanja nickt, sichtlich beeindruckt. In einer Zeit, in der moderne Navigationsmittel unbekannt waren, waren solche Markierungen entscheidend für das Überleben in der Wüste und im Gebirge. Sie führten zu Oasen und Wasserstellen, den lebenswichtigen Anlaufpunkten für jeden, der sich auf diesen Routen bewegte. „Stell dir vor, wie viele Menschen schon durch diese Gegend gezogen sind, alle auf der Suche nach Wasser, einem sicheren Pfad… und wie sehr sie diesen Wegweisern vertraut haben,“ murmelt Tanja. Diese einfachen, doch robusten Markierungen erzählen von der Weisheit und dem Überlebenswillen jener Menschen, die sich der Herausforderung der Wüste gestellt haben. Ein Symbol für die tief verwurzelte Verbindung zur Natur und ihre Regeln.
Als sich der Track ein weiteres Mal gabelt und wir uns ratlos fragen, ob wir den linken oder rechten Weg nehmen sollen, taucht plötzlich ein Berber auf seinem alten Moped aus einer Staubwolke auf. Er hält neben uns, mustert unser Expeditionsfahrzeug und lächelt freundlich. „Die rechte Piste könnt ihr mit eurem großen Fahrzeug auf keinen Fall nehmen“, sagt er und deutet in die Ferne, wo der Weg holprig und uneben verläuft. „Da gibt es viel zu viele tiefe Senken, da würdet ihr stecken bleiben.“ Er hält kurz inne und schaut uns noch einmal an, bevor er mit einem breiten Grinsen hinzufügt: „Folgt mir, ich zeige euch den richtigen Weg.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, gibt er Gas und fährt voraus, seine freundliche Hilfsbereitschaft hinterlässt bei uns ein Gefühl von Erleichterung. Es dauert jedoch nicht lange, bis sich die vermeintlich gute Piste erneut in tiefe Senken neigt, die, wie es scheint, während der Regenzeit entstehen, wenn reißende Flüsse aus den nahen Bergen ins Tal stürzen und dabei tiefe Rillen in die Landschaft graben. Diese Rillen legen sich uns immer wieder in den Weg. Wie bereits erwähnt, stellen sie für kleinere Offroadfahrzeuge kaum ein Problem dar. Für unsere Terra Love, mit ihrer 7,63 Metern Länge, sind diese steinigen Senken jedoch eine große Herausforderung.
„Wumm!“ Das laute Krachen durchfährt uns, als das Heck unseres Mobils hart auf dem steinigen Boden aufsetzt. Ohne zu zögern springen wir aus der Kabine, um die Terra Love zu inspizieren. Ich knie mich hin und fahre mit prüfendem Blick über das Unterfahrrohr und die hinteren Stauräume. „Sieht gut aus,“ sage ich schließlich und atme erleichtert auf. Tanja wirft mir dennoch einen besorgten Blick zu. „Und wie kommen wir hier wieder raus?“ „Wir holen die Traction Boards und legen sie unter die Reifen. Damit sollten wir es schaffen,“ antworte ich, fest entschlossen. Doch trotz mehrerer Versuche bleibt unser 7-Tonner hartnäckig im ausgetrockneten Flussbett stecken. Die Hitze presst auf uns herab, der Sand flimmert in der Luft und verschluckt jeden Hauch von Kühle. Ich schnappe mir den Klappspaten und beginne, den Boden um das festgefahrene Unterfahrschutzrohr freizuschaufeln. Der harte Untergrund fordert jede Menge Kraft, die Steine sind schwer und widerspenstig, und der Schweiß brennt mir in den Augen. In der drückenden Stille der Wüste knirscht nur das lose Gestein unter meinen Schritten – jeder Schaufelstich ist ein kleiner Kampf gegen diese unnachgiebige Landschaft, die keine Fehler verzeiht. Nach einer halben Stunde Graben und einem weiteren Versuch beginnt sich die Terra Love langsam zu bewegen. Mit Tanjas exakter Unterstützung steuere ich sie vorsichtig aus der Senke. In solchen Momenten zeigt sich, wie wichtig es ist, zu zweit zu sein: Tanja steht draußen, behält alles im Blick und zeigt mir bei jeder kritischen Stelle genau an, wie viel Abstand wir noch haben – ob zur Differentialsperre, zum Tank oder zum Ersatzreifen. Jeder ihrer Handzeichen ist präzise und sorgt dafür, dass wir heil aus diesem Flussbett herauskommen. Diese eingespielte Methode hat uns schon oft geholfen, gerade in herausfordernden Offroad-Situationen. Das Zusammenspiel aus Sorgfalt, Erfahrung und Vertrauen ist unser Schlüssel, um die Herausforderungen der Wildnis gemeinsam zu meistern.
„Schau mal, da vorne sind Nomadenzelte!“ ruft Tanja begeistert und zeigt aus dem Fenster. Ich lächle und nicke. „Es gibt sie also noch,“ sage ich erfreut. Der Anblick dieser traditionellen Zelte ist selten geworden – viele Nomaden haben sich im Laufe der letzten Jahre angesichts sozialer und wirtschaftlicher Veränderungen, zunehmender Urbanisierung und der klimatischen Herausforderungen entweder in Siedlungen niedergelassen oder sind nur noch teilweise nomadisch unterwegs. Diejenigen, die noch an ihrer Lebensweise festhalten, ziehen weiterhin mit ihren Ziegen- und Schafherden durch die karge Landschaft. Sie leben in einfachen Zelten, oft aus Ziegenhaar gefertigt, die sich leicht ab- und aufbauen lassen – perfekt für ein Leben, das immer in Bewegung ist. Die Zelte scheinen unscheinbar, doch sie sind das Herzstück einer Lebensweise, die seit Jahrhunderten Bestand hat. „Sie haben sich der Moderne trotzdem angepasst,“ murmelt Tanja, während wir die Zelte weiter beobachten. Tatsächlich sieht man auch hier immer wieder Solarpaneele neben den Zelten oder Nomaden, die Mobiltelefone nutzen, um in Kontakt zu bleiben. Doch ihre Welt steht zunehmend unter Druck. Der Klimawandel raubt ihnen Wasserstellen und Weideplätze, was das Leben in diesen rauen Regionen immer schwieriger macht. In diesem Anblick steckt viel – eine jahrhundertealte Tradition, aber auch der Kampf ums Überleben in einer sich verändernden Welt.
Auch wenn eine Tour abseits der Straßen manchmal anstrengend und nicht immer ungefährlich ist, werden wir immer wieder belohnt. Plötzlich stoßen wir auf einen Steinkreis, oft auch als prähistorische Steinsetzung oder Petroglyphe bezeichnet, der als bedeutender archäologischer Überrest gilt. Seine genaue Bedeutung ist bis heute nicht vollständig geklärt, aber solche Formationen werden häufig mit uralten Zeremonien, astronomischen Beobachtungen oder Grabstätten in Verbindung gebracht.
Seit einigen Kilometern kommen wir unerwartet gut voran. Die ausgetrockneten Flussbetten, die uns zuvor das Weiterkommen erschwert und riskant gemacht haben, sind verschwunden, und wir sind guter Dinge. „Vielleicht haben wir die schwierigen Passagen schon hinter uns,“ sage ich und werfe Tanja einen zuversichtlichen Blick zu. Doch plötzlich tauchen einige Weichsandstellen vor uns auf. Tanja runzelt die Stirn. „Das sieht trügerisch aus, oder? Diese Sandpassagen könnten uns schnell zum Stehen bringen.“ Ich nicke und erkläre: „Ja, Weichsand kann für so ein schweres Fahrzeug wirklich knifflig werden. Wenn die Reifen keinen Grip finden und durchdrehen, drückt uns das Gewicht noch tiefer in den Sand.“ „Dann sollten wir den Reifendruck absenken, oder?“ fragt Tanja und schaut mich aufmerksam an. „Stimmt,“ antworte ich. „So vergrößern wir die Aufstandsfläche der Reifen und bekommen mehr Traktion.“ Ich überlege kurz. „Aber die Weichsandstellen sind nicht besonders groß. Ich denke, wir kommen auch ohne Druckanpassung durch, wenn wir vorsichtig sind.“ Tanja nickt und steigt aus, um mich sicher über die trügerische Piste zu lotsen. Mit präzisen Handzeichen zeigt sie mir den Weg, und ich fahre langsam und mit viel Gefühl über die Sandstellen, während ich ihre Signale im Blick behalte. Zu diesem Zeitpunkt ahnen wir noch nicht, dass uns später auf dieser Reise noch ernsthafte Weichsandpassagen erwarten, die uns alles abverlangen werden. Noch wissen wir nicht, dass wir bald feststecken werden, das Fahrzeug in gefährliche Schräglagen gerät und der Sand uns eine neue Lektion in Sachen Respekt vor der Wüste erteilen wird. Das Gefühl, wie hilflos man selbst mit dem besten Expeditionsmobil in scheinbar harmlosen Sandfeldern werden kann, steht uns noch bevor.
Als wir glauben, das Schlimmste sei bereits hinter uns, erleben wir eine unerwartete Wendung. Plötzlich taucht erneut ein ausgetrocknetes Flussbett vor uns auf, dass unseren Weg versperrt. Der steinige Untergrund und die gefährlich abschüssige Kante auf der Beifahrerseite lassen uns ahnen, dass hier kein schnelles Durchkommen möglich ist. Zwingt uns diese Passage kurz vor unserem Tagesziel nun doch zur Umkehr? Äußerst konzentriert sitze ich am Steuer und beobachte Tanja, die neben dem Fahrzeug steht und mir Anweisungen gibt. „Rechts weiter, langsam!“, ruft sie und hebt ihre Hand, um mich präzise zu leiten. Ich achte ganz genau auf ihre Handzeichen, denn ein Fahrfehler hier könnte kritisch sein. Wenn der rechte Reifen über die Kante rutscht, besteht die Gefahr, dass die Terra aufgrund ihres hohen Schwerpunkts kippen könnte. Das Risiko ist zu groß, also folge ich sorgfältig ihren Anweisungen. „Ein bisschen langsamer jetzt!“, weist Tanja mich an, während ich meinen Blick fest auf den schmalen Track konzentriere. Ich spüre, wie sich die Anspannung zwischen uns steigert. Es ist nicht nur die Herausforderung der Strecke, sondern auch das Vertrauen in unsere gemeinsame Fähigkeit, diese Situation zu meistern. „Jetzt nach links, vorsichtig!“, sagt Tanja und ich lenke behutsam in die Richtung, die sie angibt. Jeder Zentimeter zählt. Das Knirschen des Untergrunds unter den Reifen gibt mir einen kleinen Hinweis darauf, wie stabil die Situation ist. Während ich mich durch die schmale Passage manövriere, hält Tanja immer einen Blick auf den Untergrund, um sicherzustellen, dass wir nicht aufsetzen. „Gut, weiter so!“, ermutigt sie mich, und ich atme erleichtert auf, als wir die gefährliche Stelle schließlich hinter uns lassen. Es ist ein gutes Gefühl, gemeinsam diese Herausforderung bewältigt zu haben, und ich weiß, dass wir aufeinander zählen können – das ist es, was uns in der Wildnis stark macht.
„Weißt du, wir interessieren uns sehr für Mythen und Legenden“, sage ich zu einem der Wüstenbewohner, während wir eine kurze Fahrpause neben einem Nomadenzelt einlegen und in der heißen Sonne sitzen. Seine Augen leuchten auf, und er lächelt freundlich. „Ja, es gibt eine Geschichte, die ich euch mitteilen kann“, antwortet er und beginnt zu berichten. „Schon mein Großvater sprach von einer verlorenen Stadt namens Tazerzait, die angeblich irgendwo in dieser Region verborgen liegt. Einst war dies eine reiche Karawanenstadt, die auf den alten Handelsrouten zwischen der Sahara und den Küsten des Mittelmeers blühte. Ihr Reichtum kam von den Karawanen, die kostbare Güter wie Gold, Salz und Gewürze durch die Wüste transportierten. Der Legende nach wurde die Stadt eines Tages von einem Fluch heimgesucht. Ein verärgerter Wüstengeist soll sie mit einem mächtigen Sandsturm begraben haben, weil die Bewohner die Naturgesetze missachteten und den heiligen Boden der Wüste ausbeuteten. Seitdem liegt die Stadt unter den unendlichen Sanddünen verborgen – unerreichbar und vergessen.“ Wir lauschen gebannt seinen Worten, während die Wüstensonne auf uns herabscheint. „Mein Großvater berichtete mir, dass man an bestimmten Tagen bei Sonnenaufgang die Geräusche der verlorenen Stadt hören kann“, fährt er fort. „Manche behaupten sogar, dass bei besonderen Mondphasen die Umrisse der alten Mauern im Sand sichtbar werden. Ob das wahr ist? Wer weiß!“ Seine Augen funkeln geheimnisvoll, während er die Geschichte vorträgt. Der Gedanke, dass unter unseren Füßen eine solche mystische Stadt liegen könnte, verleiht dieser Landschaft noch mehr Magie. „Ich kann mir nur vorstellen, wie es sein könnte, durch die Straßen dieser verlorenen Stadt zu wandeln“, sage ich nachdenklich. Tanja nickt zustimmend, und ich spüre, wie die Faszination für diese Legende unsere Abenteuerlust nur noch mehr anheizt.
Noch vor Sonnenuntergang finden wir in der endlosen Weite der Wüste, wo die Stille fast hörbar ist, einen Stellplatz für die Nacht. Ich blicke mich um und sage zu Tanja: „Schau dir diese Weite an! Hier wird unsere Vergänglichkeit besonders spürbar. Jeder Moment ist einzigartig.“ Tanja nickt zustimmend und lächelt.
In der Einsamkeit spüren wir, wie wertvoll Begegnungen sind. „Es ist verrückt, wie das Unbekannte uns immer wieder zeigt, dass das wahre Leben oft abseits der gewohnten Pfade stattfindet“, murmle ich nachdenklich. Die Wüste lehrt uns Demut und vermittelt das Gefühl, Teil eines größeren Ganzen zu sein. „Hier liegt wahre Freiheit“, sage ich leise, „nicht im Kontrollieren, sondern im Loslassen.“
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