Gefährliche Ladung
Temperatur - Tag (Maximum):
ca. 32 Grad
Anna Plains Station — 29.04.2001
Obwohl heute Sonntag ist und Luke nach einer wochenlangen, anstrengenden und langen Rinderzusammentriebszeit seinen ersten freien Tag hat, hilft er uns die Kamele zur Farm zurückzubringen. Um 8 Uhr am Morgen sitzen wir in seinem Jeep und fahren zu einem abgelegenen Stationbereich namens Eranbee, um einen großen Anhänger zu holen. Leider sind die Seitenwände mit Eisenstangen verschweißt die sich wie ein Torbogen von links nach recht ziehen und somit die Ladehöhe auf zwei Meter begrenzen. Für Pferde ist die Höhe in Ordnung aber Kamele können unter den Stangen nicht durchlaufen. Luke ist ein Mann der Taten. Schnell packt er das Schweißgerät aus, welches auf der Ladefläche seiner Ute verstaut ist, und schneidet damit die Rohrverbindung einfach ab. „So, jetzt können eure Tiere mit stolz erhobenem Kopf hineinschreiten und sich wohl fühlen,“ sagt er grinsend.
Ein paar Kilometer weiter steht ein alter Toyota Landcruiser auf der Weide. „ich muss später noch ein paar Windmühlen überprüfen. Wenn die Kamele auf dem Anhänger sind fahrt ihr sie schon mal mit diesem Jeep zurück, ich komme dann hinterher,“ erklärt uns Luke. Nachdem er die alte Schüssel, an der kaum noch etwas zu funktionieren scheint, mit seinem Allrad einfach anschiebt, springt der Motor an. Langsam fahre ich ihm jetzt hinterher bis wir wieder bei Rockys sind wo unsere Kamele in der Einzäunung auf uns warten. Luke rangiert dann den Anhänger direkt an ein Rindergehege welches benutzt wird, um die Rinder von einander zu trennen, sie zu brandmarken, oder einfach um an ihnen zu arbeiten. Jetzt nach dem Rinderzusammentrieb sind die Gehege unbenutzt. Tanja und mir ist es noch ein Rätsel wie wir unsere Kamele auf den Anhänger bekommen sollen, denn nach unseren letzten Transporterfahrungen vor knapp zwei Jahren wissen wir das sie es hassen auf einen Hänger zu laufen. Selbst wenn wir es fertig bringen unsere trainierten Jungs zu verladen, wie soll es mit den Wilden geschehen? Luke, der sein gesamtes Leben mit Tieren zu tun hat, erklärt uns seinen Plan: „Also, als erstes treiben wir die Kamele aus der großen Einzäunung durch dieses Tor in das kleine 20 × 20 Meter umfassende Rindergehege. Wenn sie drin sind rangiere wir den Anhänger in die Toröffnung. Dann werden wir diese beweglichen drei Meter langen Aluminiumzaunteile von einander lösen und so zusammenschieben bis eure Kamele keinen Ausweg mehr haben als auf den Anhänger zu marschieren.“ „klingt perfekt,“ meinen wir von der simplen Idee überzeugt.
Es dauert nicht lange bis wir unsere 7 Wüstentiere in dem beschriebenen kleinen Rindergehege haben dessen Aluminiumzaun transportabel ist und sich in Einzelteile zerlegen lässt. Solche stabilen Zaunteile sind recht praktisch weil man überall wo man es gerade für wichtig hält in kurzer Zeit zuverlässige Tiereinzäunungen aufbauen kann. Plötzlich gebärden sich unsere Jungs als hätten sie nie Kontakt zu Menschen gehabt. Sie drängen sich alle zusammen in eine Ecke und haben natürlich alles andere im Sinn als auf den Anhänger zu schreiten. Im Gegenteil scheint ihnen das stählerne Gefährt fürchterliche Angst einzujagen. Da sich Jafar während der Expedition als recht mutig erwiesen hat und vor Zäunen, Gebäuden und dunklen Durchgängen kaum Angst zeigte, wollen wir es mit ihm als erstes probieren. Mir bleibt also nichts anderes übrig als jetzt in die von uns zusammengeschobene kleine Einzäunung zu klettern. Kaum bemerken sie mich, teilt sich die Kamelgruppe mit ihren massigen Körpern auf, laufen links und rechts dicht an mir vorbei und drängen sich in der anderen Ecke. Ich schwitze vor Nervosität, denn ich muss so nah an die Tiere ran, dass mich jeder ihrer Tritte stark verletzen kann. „Ist schon gut Jungs. Ich tu euch nichts. Nur ruhiiig,“ spreche ich beruhigend auf sie ein. Plötzlich fühlt sich einer der wilden Jungs von meiner Nähe bedroht, dreht sich blitz schnell zu mir, läuft ein, zwei Schritte mit erhobenem Kopf auf mich zu, um in letzter Sekunde an meiner linken Seite vorbei zu rasen. Mir ist fast das Herz in die Hose gerutscht, denn diese Aktion ging so schnell, dass ich nicht einmal mehr ausweichen konnte. „Ist ja gut Jungs. Kein Problem. Ihr sollt bloß auf diesen blöden Anhänger laufen,“ höre ich mich selbst auf die Tiere einredend. Geduld, ja Geduld ist jetzt das einzige Mittel, um einen Unfall zu vermeiden. Ganz langsam gehe ich nun auf Jafar zu der in diesem Augenblick mit seinem Kopf in meine Richtung sieht. „Bist ein lieber Junge. Ja ein ganz ein Lieber,“ sage ich und greife ihm an seinem Halfter den wir ihm gestern übergestreift haben. Jafar lässt sich ohne Gegenwehr die Nasenleine an seinem Nasenpflock befestigen und das Führungsseil am Halfter einklicken. Behutsam, unter weiterem guten Zureden, ziehe ich ihn zur Laderampe des Anhängers. Es dauert weitere fünf Minuten bis er endlich seinen ersten Schritt darauf setzt und wie im Zeitlupentempo auf den Anhänger läuft. Sofort lasse ich ihn absetzen, binde seine Vorderfüße zusammen und sein Führungsseil an einer Querstrebe des Hängers fest. Dann hole ich Istan der seinem Mate Jafar ohne größere Schwierigkeiten zu bereiten folgt. Ich lasse ihn neben Jafar absetzen, knie mich neben dem massigen Tier nieder und lege ihm die Schnur um den Hals, um ihn dann die Vorderfüße zusammenzubinden. Sollte er in diesem Augenblick aus irgend einem Grund aufspringen, würde er mich glatt an der Eisengittern zerquetschen. Wieder schlägt mir das Herz vor Aufregung als wolle es zerspringen, doch habe ich keine andere Chance, denn irgend Jemand muss diesen Job ja machen.
Sebastian bereitet wie immer großen Ärger, wenn er auf einen Anhänger muss oder in die Nähe von Menschen erbauten Gebilden kommt. Er brüllt und schreit und bewegt sich keinen Zentimeter auf die Laderampe. Während Tanja die wichtige Filmarbeit übernommen hat, ist Luke auf die Einzäunung geklettert und schwingt ein großes Plastikrohr hinter seinem Hintern auf und ab. Sebastian reißt seine Augen auf und bekommt offensichtlich Angst vor dem großen Rohr das so seltsame Geräusche verursacht als würde ein Geist darin wohnen und ihm jeden Augenblick in seinen schönen Hintern beißen wollen. Endlich macht er mehrere behutsame Schritte nach vorne und steigt in das Gefängnis. Goola schreitet ganz gegen seine Charaktereigenschaft recht locker in die Gefangenschaft und so haben wir nach ca. 2 Stunden intensiver und spannender Arbeit die ersten vier Expeditionspartner zum Abtransport fertig geladen. Hardie und die zwei Neuen holen wir später mit der zweiten Fuhre. Wir haben uns für diese Reihenfolge entschieden weil Hardie der Unabhängigste von allen ist und höchstwahrscheinlich wenig Ärger bereitet wenn wir ihn wie Jafar als Ersten auf den Anhänger führen.
Ich begleite euch noch bis zu der Stelle mit dem tiefen Sandmulden am Weg. Wenn ihr da durch seid kommt nach ca. 10 Kilometer der Highway. Ich sehe euch dann auf Anna Plains wieder,“ meint Luke und steigt in sein Auto. Ich starte den Motor des verrosteten Toyotas der ohne jede Schwäche zu zeigen seine enorm schwere Last über den sandigen Weg zieht. Als Luke erkennt das wir nicht stecken bleiben biegt er wenig später in einen Seitenweg ab. „Geht es den Kamelen gut?“ ,frage ich Tanja. Sie lehnt ihren Oberkörper aus dem Fenster, um einen Blick auf unsere seltenen Fahrgäste zu werfen. „Sie scheinen es zu genießen,“ antwortet sie. Plötzlich bemerke ich ein Rumpeln. Der Jeep lässt sich nur noch schwer lenken worauf ich sofort meinen Fuß vom Gaspedal nehme. „Ich glaub wir haben einen Platten!“, rufe ich. „Oh nein, das darf doch nicht war sein,“ stöhnt Tanja. Tatsächlich hat es den rechten hinteren Reifen des Toyotas zerrissen. Luke ist vor nicht weniger als einer Minute in den Seitenweg abgebogen und hat von dieser Panne nichts mehr mitbekommen. Leider finde ich auf der Ladefläche der Ute kein Ersatzrad oder Wagenheber. Dann versuche ich mit dem Funkgerät Kontakt mit Ihm aufzunehmen. „Luke, hier spricht Denis. Wir haben eine Panne. Kannst du uns hören?“ Außer einem heißeren Krächzen kommt keine Antwort aus dem Lautsprecher. „Anscheinend ist das Gerät defekt. Uns bleibt nichts anderes übrig als hier auf Luke zu warten,“ meine ich schulterzuckend.
Die Sonne brennt vom wolkenlosen Himmel auf uns herab. Wir rechnen damit das Luke nicht vor zwei bis drei Stunden hier sein wird. Tanja versucht im Fahrgastraum ein Schlummerchen zu halten während ich mich neben den Jeep auf den Boden lege, um ihr gleich zu tun. Die Zeit verstreicht nur langsam. Nach einer Stunde verspüre ich Hunger. Seit dem Frühstück haben wir nichts mehr zu uns genommen. Es ist bereits 15 Uhr 30 als Tanja aus reinem Zufall eine Büchse Bohnen hinter dem Fahrersitz entdeckt. Ich zögere nicht lange und öffne sie. Erst will Tanja nichts davon haben, aber nach dem ich unter lautem: „Hmm, oh lecker, Hmmm,“ die Bohnen in meinen Mund schütte, fordert sie ihren Teil ein. Nach über zwei Stunden meldet sich Lukes Stimme im Funkgerät: „Denis und Tanja wenn ihr mich hören könnt dann antwortet mit zwei Klick.“ Sofort nimmt Tanja das Mikrofon in die Hand und drückt zweimal auf die Sprechtaste. „Okay, wenn ihr noch auf Rockys seit antwortet mit zwei Klick.“ Wieder drückt Tanja die Sprechtaste zweimal. „Ich bin in wenigen Minuten bei euch,“ antwortet es aus dem Lautsprecher. Es dauert nicht lange als wir die Motorengeräusche seines Jeeps vernehmen. Luke lacht wie immer wenn wir ihn sehen. Er steigt aus seiner Ute aus und schüttelt den Kopf. „Mensch das tut mir leid das ich euch so lange in der Sonne habe braten lassen, meint er und sieht sich den platten Reifen an. Schnell haben wir einen Ersatzreifen von seinem Toyota abgeladen und den Kaputten ersetzt. Luke arbeitet konzentriert und routiniert. 10 Minuten später fahren wir weiter. Auf dem Highway angekommen können wir wegen der schweren Ladung und den alten Fahrzeugen nicht mehr als 40 Stundekilometer fahren. Ich bin froh das es zu dieser Jahreszeit kaum Verkehr auf dem Great Northern Highway gibt und vor allem keine Polizei. Bei einer Kontrolle würden sie diese alte Kiste bestimmt aus dem Verkehr ziehen. Von Zeit zu Zeit möchte eines der Kamele aufstehen worauf der Anhänger bedenklich zu schwingen beginnt. Erschrocken lenke ich dagegen und verringere die Geschwindigkeit. Wir hoffen bei diesem Geruckel nicht einen weiteren Platten zu bekommen und sind froh nach einer Fahrzeit von zwei Stunden endlich Anna Plains Homestead zu erreichen. Das Entladen von Jafar, Istan, Sebastian und Goola bereitet uns keine Probleme und ist schnell geschehen. John Stoat hat uns für unseren Aufenthalt die Pferdekoppeln zu Verfügung gestellt. Auf diese Weise haben wir die besten Vorraussetzungen, um unsere neuen Tiere zu trainieren.
Durch die Reifenpanne haben wir zuviel Zeit verloren Hardie und die zwei Neuen heute noch zu holen. Es dämmert bereits und wir wollen sie unter keinen Umständen in der Nacht laden und Transportieren. Wir vereinbaren mit Luke morgen Früh schon um 5 Uhr 30 aufzubrechen, um unsere Mission zu beenden. Luke lädt uns noch zu ein paar Bier ein. Wieder unterhalten wir uns angeregt mit dem Head Stockman und seiner Frau bis wir müde und geschafft unseren Palast aufsuchen und zu Abend essen. Plötzlich klingelt das Telefon. „Denis am Apparat,“ melde ich mich. „Denis! Ich kann morgen früh nicht schon um 5 Uhr 30 mit euch zu Rockys fahren. Ich bin soeben gefeuert worden,“ höre ich Lukes Stimme, worauf es mir die Sprache verschlägt. Natürlich unterhalten wir uns über die Gründe seiner Entlassung, aber da dieser Erlebnisbericht ein Live Bericht ist möchte ich nicht darüber schreiben. Wir haben gelernt das es oftmals besser ist sich aus der jeweiligen politischen Situation herauszuhalten. Zum einen gibt es immer verschiedene Seiten und zum anderen sind wir viel zu kurz da, um uns eine Meinung bilden zu können. Natürlich bedaure ich Luke und wir fragen uns wie wir die anderen Kamele ohne seine Hilfe auf den Anhänger bringen.