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E-Bike-Expedition Teil 2 Mongolei - Online-Tagebuch 2015

Geburtstag und Ranzfleisch

N 46°21’03.3’’ E 108°23’30.1’’
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    Datum:
    30.08.2015 bis 31.08.2015

    Tag: 63 – 64

    Land:
    Mongolei

    Ort:
    Tschoir

    Breitengrad N:
    46°21’03.3’’

    Längengrad E:
    108°23’30.1’’

    Tageskilometer:
    79 km

    Gesamtkilometer:
    8.801 km

    Luftlinie Luftlinie:
    70 km

    Durchschn. Geschw.
    23,7 km/h

    Maximale Geschwindigkeit
    40 km/h

    Fahrzeit.
    3:18 Std.

    Bodenbeschaffenheit:
    Asphalt teils sehr schlecht

    Maximale Höhe:
    1.300 m

    Gesamthöhenmeter
    3.530 m

    Höhenmeter für den Tag
    13 m

    Sonnenaufgang:
    07:02 Uhr

    Sonnenuntergang:
    20:32 Uhr

    Temperatur Tag max:
    28 °C

    Aufbruch:
    09:00 Uhr

    Ankunftszeit:
    14:00 Uhr

(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)

LINK ZUR REISEROUTE

Es ist 7:00 Uhr. Die Bauchkrämpfe haben sich fatal gesteigert. Schnell erhebe ich mich, gratuliere etwas unromantisch Tanja zu ihrem Geburtstag und eile nach unten um das Plumpsklo aufzusuchen. Das Haus ist abgesperrt als wäre es Ford Knox. Nachdem ich drei Schlösser geöffnet habe stehe ich vor dem eisernen Außentor. „Oh nein!“, erschrecke ich als auch dieses mit einem fetten Schloss verriegelt ist. So gut es meine sich steigernden Bauchkrämpfe zulassen stürme ich wieder ins Gebäude, die Treppe nach oben und suche die Hausherrin. „Ich glaube die schläft noch“, meint Tanja. „Die schläft noch? Und das um diese Zeit? Man ich muss aufs Klo und das Tor nach draußen ist abgesperrt. Das halte ich nicht mehr aus. Ich wecke sie einfach“, sage ich und klopfe an der Tür die sich gegenüber unseres Raumes befindet. Es dauert eine halbe Ewigkeit bis ich ein Rascheln vernehme und eine weitere Ewigkeit bis sich die Tür öffnet. Mittlerweile ist es 7:30 Uhr. In verkrampfter Haltung stehe ich da und bitte sie das Außentor aufzuschließen. „Tijmee“, (Ja) flüstert sie schlaftrunken und schleicht wie eine Schnecke die Treppe nach unten. Ich hefte mich an ihre Fersen. Es kann nur noch Sekunden dauern bis es mich zerreißt. Ein Jahr später, so kommt es mir vor, ist das Eisentor auf. Wegen dem Druck kann ich jetzt selbst nur noch wie eine Schnecke zu dem 50 Meter entfernten Plumpsklo kriechen. Es Grenzt an ein Wunder dort heile anzukommen und den grässlichen Kartoffelsalat und die noch grässlicheren Buuds loszuwerden.

Um 9:00 Uhr hieve ich meinen gemarterten Körper auf den Brookssattel. „Na du siehst aber auch nicht fitt aus?“, frage ich Tanja. „Hatte schon bessere Geburtstage. Mein Bauch fühlt sich total gebläht an“, antwortet sie ohne den üblichen Elan in der Stimme. Trotz des Rasttages müde lassen wir unsere Tretkurbeln kreisen und bewegen uns auf einer kerzengeraden Straße in Richtung Süden. Links und rechts der endlosen schmalen Fernverkehrstraße, die sich Highway A0102 nennt, ist das Land jetzt so flach als hätte Gott bei der Erschaffung dieses Landes ein Lineal darüber gezogen. „Das ist sie!“, rufe ich. „Was ist sie?“, fragt Tanja. „Na die Gobi! Wir sind in den Ausläufern der Wüste Gobi!“ Gegenwind verringert die Geschwindigkeit und saugt trotzt traumhaften Wetters unsere Akkus leer. Der Gedanke hier wegen Energiemangel liegen zu bleiben hat etwas Erschreckendes. Nur noch wenig Autos oder Lastwägen düsen ab und an wie Jets an uns vorbei. Bei 28 °C im Schatten ist es eigentlich ein schöner Radtag. Wenn da nicht das unaufhörlich Grummeln im Bauch wäre. „Scheiß Essen“, schimpfe ich vor mich hin nur wenige Augen für die eigenwillige und schöne Landschaft zu haben. Nach ca. 45 Kilometer empfängt uns wieder so ein Straßenrestaurant. Währen wir nicht gezwungen unsere Akkus zu laden, würde ich mittlerweile ganz sicher einen riesigen Bogen um so ein Bauwerk ziehen. Wir lehnen unsere E-Bikes an die Hauswand, binden Ajaci in deren Schatten an, nehmen die Lenkertaschen ab und setzen uns in die Kneipe. „Darf ich unsere Akkus laden?“, frage ich bevor wir die Bestellung aufgeben, weil wir zum Ausgleich hier laden zu dürfen, etwas zu uns nehmen wollen. Eine Mongolin mittleren Alters zieht den Stecker des Fernsehers aus der Dose und bietet mir an hier meine benötigte Energie abzapfen zu können. „Was willst Du essen?“, ruft Tanja indes, die gerade die Bestellung aufgibt. „Das was dieser Mann da isst sieht ganz gut aus“, antworte ich auf das Gericht eines Gastes deutend. „Gulasch, das ist Gulasch“, antwortet Tanja. Ich nicke nur als ich sehe dass die Ladeleuchten unserer Boschakkus nicht blinken. Die Netzleistung reicht offensichtlich nicht aus.

“Hoffe wir schaffen es noch bis Tschoir. Sollten ab jetzt nicht mehr im Sportmodus sondern in Tourmodus fahren“, sage ich als das Gulasch serviert wird. Trotz verkorksten Magen empfinden wir einen Heißhunger. Dabei ignoriere ich das außergewöhnlich intensiv schmeckende Fleisch. „Schmeckt es dir?“, frage ich. Tanja nickt. „Und dir?“ „Ich weiß nicht. Irgendwie ist das Fleisch in diesem Land immer ranzig. Kann den Geschmack einfach nicht mehr ab“, meine ich den Rest für Ajaci liegen lassend der inzwischen ebenfalls unter Durchfall leidet.

Kaum sitzen wir wieder auf unseren Böcken wird uns beiden schlecht. „Ich glaube es nicht. Wir haben noch nicht mal das Essen von gestern verdaut und uns schon wieder etwas eingefangen. Das gibt es doch nicht. Wenn das so weitergeht schaffen wir es nicht bis nach China“, bin ich besorgt.

Nach knapp 80 Kilometern erreichen wir mit nur noch wenig Energie im Akku die trostlose Kleinstadt Tschoir in der ca. 7.800 Menschen leben. Wir lassen unsere Räder durch die sehr hässliche Ortschaft rollen. Der einstige sowjetische Militärstützpunkt brüstet sich damit Strom und Wasseranschluss zu besitzen und diejenigen die in einem der furcht erregenden Plattenbauten wohnen, bekommen im bis zu minus 37 °C kalten Winter sogar Warmwasser.

“Haana buudal?“, (Wo ist ein Hotel) frage ich einige Taxifahrer. Sie deuten auf einen der vielen eckigen hässlichen vierstöckigen Plattenbauten. „Oh nein. Habe keine Lust unsere Ausrüstung und die Räder in den vierten Stock tragen zu müssen“, schnauft Tanja. Dann erklärt sich der Fahrer eines Kleintransporters bereit uns ein anderes, ebenerdiges Hotel am Stadtrand zu zeigen. Wir fahren ihm hinterher. Kinder spielen ausgelassen auf den Spielplätzen die zwischen den Gebäuden errichtet sind und jubeln uns freudig zu. Müde heben wir die Hand zum Gruß. Dann stehen wir vor dem kleinen Häuschen auf dem tatsächlich ein beleuchtetes Hotelschild prangert. Wir dürfen unsere Räder in den Vorraum stellen und bekommen für 40.000 Tugrik (17,79 €) ein kleines Zimmer.

Kaum haben wir eingecheckt muss sich Tanja mehrfach übergeben. Für den Rest des Tages liegt sie im Bett und versucht sich von der erneuten Lebensmittelvergiftung zu erholen. Neben den vielen Glückwünschen, die sie über WhatsApp, SMS, Facebook, Gästebuch und Email bekommt, ist das einzig Gute was ich ihr an ihrem bescheidenen Geburtstag bieten kann, eine kleine Büchse Cola aus dem nahen Supermarkt anzubieten. „Hoffe der Zucker der da drin ist spendet dir etwas Energie“, sage ich.

Am nächsten Morgen sind wir beide zu schwach um nur einen Kilometer zu radeln. Die Fülle an verdorbener Nahrung hat uns regelrecht umgehauen und jegliche Kraft geraubt. Egal ob wir unsere Akkus laden müssen, wir versprechen uns ab sofort nie mehr ein Mongolisches Straßenrestaurant aufzusuchen. Morgens essen wir in Tee eingetauchtes Weißbrot und mittags kocht Tanja, in einem von der Rezeptionsfrau ausgeliehenen Topf mit Stromanschluss, Nudeln. Heißhungrig sitze ich vor dem dampfenden Topf und kann es gar nicht erwarten bis die Nudeln, die wir gerade im Supermarkt gekauft haben, fertig werden. „Endlich mal kein Ranzfleisch sondern nur Nudeln mit Ketchup“, sage ich. Dann ist es soweit. Tanja, der es zu dieser Stunde wieder besser geht, gibt mir Nudeln auf meinen Teller. Wir streuen etwas Parmesankäse darüber der in der Packung dabei war. Obwohl das Nudelgericht aus Deutschland importiert wurde schmeckt sie seltsam. „Der Käse. Es ist der Käse“, bemerke ich nachdem mein Teller fast leer ist. „Meinst du der hat auch etwas?“, fragt Tanja wegen den kürzlich gemachten Erfahrungen verunsichert. „Kannst du auf der Packung das Haltbarkeitsdatum erkennen?“, frage ich. „Hm, lass mal sehen. Produziert im Januar 2015 und haltbar bis September 2015. Ist also noch gut.“ „Noch gut? Hier wird es im Sommer knapp 40 °C im Schatten. Wer weiß wie oft die Packung schon schwitzen musste. Und welcher Käse soll unter diesen Bedingungen neun Monate halten? Der ist eindeutig verdorben“, stelle ich an der Packung riechend fest. „Es ist bald zum verzweifeln. Was sollen wir denn noch essen? Selbst die Nahrung aus dem Supermarkt ist gemeingefährlich“, schimpfe ich, mich an die verdorbene Fischdose in der Stadt Darkhan erinnernd, die mich vor einigen Wochen schon mal für zwei Tage ins Bett geschickt hatte.

Damit unser Hund seinen Auslauf bekommt ziehe ich mit ihm am Nachmittag ein um die Häuser. Gleich hinter unserer Unterkunft streckt die größte noch erhaltene russische Statue ihr mächtiges Haupt in den Himmel. Ich setze mich auf eine kleine Erderhebung und betrachte sie in der abendlichen Sonne. Nur hundert Meter weiter galoppiert eine Pferdeherde über die Steppe dem goldenen Sonnenstrahlen entgegen und unweit neben uns grast eine vielköpfige Kamelherde. Wir nähern uns ihr bis auf wenige Meter. „Verscheuch sie nicht Ajaci. Das sind tolle Tiere. Mit ihnen haben Tanja und ich in vielen Ländern dieser wunderschönen Erde über 12.000 Kilometer zurückgelegt. Weißt du, für mich sind diese Wesen die Mischung aus einem Pferd und einem Löwen. Noch dazu sind sie fast so intelligent wie Elefanten.“ Ajaci setzt sich brav neben mich und beäugt misstrauisch die großen Wüstentiere. „Sie tun uns nichts“, beruhige ich ihn und genieße den Augenblick in einem Land welches für mich landschaftlich gesehen eines der schönsten unserer Erde ist.

Die Live-Berichterstattung wird unterstützt durch die Firmen Gesat GmbH: www.gesat.com und roda computer GmbH www.roda-computer.com Das Sattelitentelefon Explorer 300 von Gesat und das rugged Notebook Pegasus RP9 von Roda sind die Stützsäulen der Übertragung.

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