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AUFGELADEN zu den Polarlichtern im hohen Norden - 2020

Fliegender Feuerlöscher, Leuchttürme an stürmischer Küste und die Bekanntschaft mit Rebbeca und Arne

N 58°06.34.0’’ E 006°34’09.5’’
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    Datum:
    22.08.2020 bis 23.08.2020

    Tag: 020 -021

    Land:
    Norwegen

    Ort:
    Leuchtturm Lista Fyr

    Tageskilometer:
    200 km

    Gesamtkilometer:
    2273 km

    Fahrzeit:
    8 ½ Std

    Bodenbeschaffenheit:
    Asphalt

    Brückenüberquerungen:
    10

    Tunneldurchfahrten:
    14

    Sonnenaufgang:
    06:07 Uhr bis 06:09

    Sonnenuntergang:
    21:06 Uhr bis 21:03

    Temperatur Tag max:
    15°

    Temperatur Nacht min:
    13°

    Aufbruch:
    10:30 Uhr

    Ankunftszeit:
    19:00 Uhr

(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)

Hier geht´s zum Podcast!
Link zur aktuellen Reiseroute 

Die schmale Straße windet sich durch das Küstenland. Immer wieder wird ohne Vorwarnung die zweispurige Fahrbahn einspurig. Eine besondere Gefahr, wenn hinter der Verengung eine uneinsehbare, scharfe Kurve folgt. Immer wieder muss ich die Terra auf nahezu Schrittgeschwindigkeit herunterbremsen. Pammm! Knallt es urplötzlich hinter uns. Wooouuuuiii! Brüllt Ajaci auf und ist im Begriff über das Fangnetz mir vors Lenkrad zu springen. Ich erschrecke derart, dass ich fast das Steuer verreiße, steige in die Eisen, um unsere Terra abzubremsen. Tanja reagiert blitzartig und hält Ajaci mit ihrem linken Arm zurück. Wooouuuuiii! Wooouuuuiii! Brüllt es weiter hinter mir. Im Schritttempo fahrend versuchen wir rauszufinden, was geschehen ist. „Der Feuerlöscher ist aus dem Schrank gefallen und auf Ajacis Platz geknallt“, stellt Tanja fest. „Was? Der Feuerlöscher? Wie konnte denn das passieren?“, frage ich. „Keine Ahnung.“ „Da ist eine Ausweichstelle an der Straße“, sage ich die Terra von der schmalen Fahrspur lenkend. Kaum zum Stehen gekommen, springt Tanja aus dem Fahrerhaus in die Kabine, um nachzusehen, wie sich der Feuerlöscher auf derart gefährliche Weise selbstständig machen konnte. „Der Badschrank steht offen, das Schloss ist aber okay. Denke, der schwere Feuerlöscher ist bei dem Serpentinengefahre gegen die Schranktür geknallt, dabei muss sich das Türschloss geöffnet haben. Dann ist er rausgerutscht, auf die Klinke der Badtür geflogen, die dadurch aufsprang und den Weg auf Ajacis Bett freimachte“, kombiniert Tanja. „So muss es gewesen sein. Zum Glück ist das Ding nicht auf Ajaci, das Waschbecken oder die Toilette gefallen. Das Becken wäre nach so einem Aufprall zerstört und Ajaci hätte sicherlich ein paar blaue Flecken unter seinem weißen Fell“, sage ich. „Ja, egal wo er hingefallen wäre, der hätte alles zerschlagen. War eine dumme Idee, den Zweitfeuerlöscher dort unterzubringen. Dachte, da hätte er einen guten Platz und würde dich nicht ständig beim Beladen und Entladen des Alkovens stören.“ „Gut, dann verstaue ich das Ding wieder im Alkoven“, sage ich.

Nachdem wir alle Schränke und Türen sorgfältig geprüft und geschlossen haben, fahren wir vorsichtig weiter. Kaum sind wir losgerollt, quietscht Ajaci gotterbärmlich. Er ist derart laut, dass ich mich schlecht auf das Fahren konzentrieren kann. „Was hat er denn?“ Wundern wir uns. „Der Schreck sitzt ihm in den Knochen und er hat Angst, dass jeden Augenblick wieder etwas von oben herunterfällt“, vermute ich. Dann bemerkt Tanja das Ajaci durch die ständigen Kurven auf seinem Sitz hin und her rutscht. „Vielleicht ist ihm das unangenehm?“, überlegt Tanja. „Haben wir noch eine Isomatte dabei, die wir ihm da reinschneiden könnten?“ „Ja, hinten bei den E-Bikes in der Box ist noch eine Matte“, antworte ich, halte die Terra an, hole die Matte und schneide sie zurecht. „So, mein Freund. Jetzt hast du wieder einen sicheren Pilotensitz“, spreche ich beruhigend und streichle ihm über den Kopf. Kaum sind wir wieder unterwegs, geht das Gequietsche weiter. Ich bin fast ein wenig verzweifelt. Auf die letzten 35.000 Kilometer hatte sich unser Hund auf seinen extra für ihn gebauten Platz zwischen uns sehr wohl gefühlt. Er konnte es gar nicht erwarten, auf seinen Sitz zu springen und jetzt scheint die gleiche Position ein Albtraum für ihn zu sein. „So muss es auch Menschen ergehen, die traumatisiert sind. Die einen erholen sich davon, andere nie. Bei manchen heilt die Zeit die psychischen Wunden“, überlege ich.

Eine Stunde später legen wir eine Rast am Norwegen bekanntesten, 800 Meter langen Sandstrand der Stadt Mandal ein. Barfuß läuft Tanja über den feinen, gelben Sand. Ajaci würde am liebsten sein Lieblingsspiel „Fang den Ball“ spielen. Da aber in Norwegen zu dieser Zeit Leinenpflicht herrscht, darf er nicht hin und her jagen, um die rote Kugel zu schnappen. Wir halten uns an die Leinenpflicht, denn man hat uns erzählt, dass die Strafen bis zu 2.000 Euro sein können, wenn man seinen Hund frei herumlaufen lässt. „Wenn er ein Schaf beißen oder jagen sollte, wird er mit hoher Wahrscheinlichkeit sogar erschossen. „Es gibt da keine Toleranz.“, warnte uns ein Norweger.

Als wir den ältesten und südlichsten gelegenen Leuchtturm auf dem Festland von Norwegen erreichen, ist es später Nachmittag. Wir parken neben zwei großen Expeditionswohnmobilen. „Im Vergleich sieht unsere Terra richtig klein aus“, meint Tanja. „Stimmt, aber ich würde sie niemals eintauschen wollen. Mit unseren 3,285 Meter Höhe kommen wir durch die meisten Unterführungen, auch ist sie mit ihren 2,290 Meter nicht so breit wie ein LKW, was das Fahren auf engen Straßen entschieden einfacher, sowohl auch sicherer macht. Alleine die riesigen Reifen, die diese Schlachtrosse haben, kosten ein Vermögen. Es gibt geradezu unzählige Gründe, warum ich nicht mit denen dort tauschen möchte“, sage ich auf dem Weg zur Leuchtturmlegende, die bereits im Jahr 1655 vom dänischen König Fredrik III. ins Leben gerufen wurde. Damals war der Turm aus Holz gebaut und das Leuchtfeuer bestand aus 30 Kerzen, die von einem Bleiglas vor dem Wind geschützt wurden.

Bei starkem Wind stehen wir auf dem Leuchtturm auf Norwegens Südspitze und blicken auf die aufgewühlte See. „Seefahrthistoriker bezeichneten diesen Teil des Meeres, wo die Küstenlinie auf die Hochsee trifft, als klassisches Schiffsbruchgebiet“, sage ich an die Menschen denkend, die dort draußen mit ihren Segelschiffen untergegangen sind. „Wenn man bedenkt, dass das Wetter jetzt gut ist, kann ich mir ausmalen, welche massiven Brecher hier auf das Land treffen, wenn das Wetter schlecht ist“, sagt Tanja ihre Schirmmütze umklammernd. Der Lindesnes fyr ist seit dem Mittelalter eine der wichtigsten Landmarken zwischen Nordsee und Ostsee und wurde von den Segelschiffen, die über den Skagerrak segeln wollten, als Ziel gewählt. Wir verlassen den Leuchtturm, um noch ein wenig auf dem Plateau herumzulaufen. „Ohhh!“, ruft Tanja, als eine Böe ihre Schirmmütze weggeblasen hat. Sie rollt über das raue Gestein und bevor sie in einer Felsspalte für immer verschwindet, kann sie sie einfangen. Einige Schilder warnen die Menschen vor starken Windböen, die in der Vergangenheit bereits den einen oder anderen von der Felskante in die Fluten wehte. „Kein schöner Tod“, denke ich. Obwohl wir hier auf den Parkplatz hätten nächtigen können, treibt es uns weiter.

Die Sonne ist kurz davor, sich auf der anderen Erdhalbkugel zurückzuziehen, als wir den im Jahre 1834 bis 1836, errichteten Lista fyr erreichen. „Mach schnell, dann können wir den Leuchtturm noch im letzten Tageslicht fotografieren“, fordere ich Tanja auf, sich zu beeilen. Vor dem aus Granitstein errichteten Turm hat jemand die Rasenfläche mit Hunderten kleinen norwegischen Flaggen geschmückt, die im Abendlicht flattern. Nicht zum ersten Mal treffen wir auch hier auf eine alte Festungsanlage aus dem Zweiten Weltkrieg. Um die 3 400 Kilometer lange Seegrenze Norwegens zu verteidigen, wurde von den Nazis an den wichtigsten Standorten Marine- und Heeres-Küsten-Artillerie-Abteilungen aufgestellt. Diese Batterien sollten die Fjorde und Häfen vor alliierten Invasionsversuchen schützen sowie am Skagerrak die Einfahrt zur Ostsee sichern. „Ein unangenehmer Anblick. Ich wundere mich, dass die Norweger diese Bunker und Anlagen nicht demontieren?“, sagt Tanja. „Für solche Militäranlagen gibt es einen Tourismus, mit dem sich Geld verdienen lässt. Abgesehen davon habe ich gehört, dass man die aus massivem Stahlbeton errichteten Wehranlagen nicht einfach so wegsprengen kann. Die waren ja sozusagen bombensicher“, antworte ich.

„Schau mal, dort ist ein altes Gebäude“, sage ich auf ein halbverfallenes Steinhaus deutend, dass sich in die weite Graslandschaft des Vogelschutzgebietes duckt. „Du kannst gerne hinlaufen. Ich gehe zurück und bereite uns in der Zeit das Abendessen“, sagt Tanja und kehrt um. Ich hingegen stapfe durch das hohe Gras und über sumpfigen Untergrund. Einige Elektrozäune, die dafür sorgen, die Schafe in ihrem Areal zu halten, versperren mir den Weg. Darauf achtend keinen Schlag verpasst zu kommen, steige ich vorsichtig darüber. Vor der alten Fischerhütte ohne Dach entdecken mich ein paar Schafe. Anscheinend freuen sie sich über meine Anwesenheit, denn sie stürmen euphorisch auf mich zu. „Habe leider nichts zu fressen für euch“, sage ich ihnen meine leeren Hände hinstreckend. „Na, dann hauen wir wieder ab“, scheinen sie zu blöken und jagen mit der gleichen Geschwindigkeit, wie sie gekommen sind, davon. Die letzten Sonnenstrahlen verzaubern die Regenwolken in ein geradezu beeindruckendes Farbenspiel. Lila, zartrosa, verschiedene Blautöne werden vom Wind ständig neu gemischt. Über dem Meer versteckt sich der untergehende Sonnenball hinter einer Wolkenwand. Kräftige Strahlen blitzen an ein paar Stellen hindurch und treffen wie Speerspitzen auf die Wasseroberfläche. Fasziniert von dem Himmelsschauspiel stehe ich auf einen Felsen, blicke über das alte Fischerhaus und inhaliere jede Minute. Aufkommender Wind beugt das Gras. Ich streife um die verlassen Fischerhütte, dann gehe ich hinein. Schafsdung bedeckt den Boden. Kleine Räume empfangen mich. Durch die offenen Löcher, die sicherlich einmal von Fenstern geschlossen waren, bläst die kühle Meeresbrise. Wie spartanisch die Menschen hier gelebt haben, ist nicht schwer nachzuempfinden. Ich blicke auf die Uhr. Wie lange ist es her, als Tanja zurückgegangen ist? Eine Stunde? Ich verlasse die aus massiven Natursteinen errichtete Hütte und eile zurück, freue mich auf ein Abendessen in der beheizten Terra Love.

Es hat die ganze Nacht geregnet. Am Morgen ziehen tief liegende Wolken über die Berge, auf denen sich die großen Rotoren vieler Windräder drehen. Sie scheinen die Wolken regelrecht zu zerfetzen, die sich jedoch ständig bemühen, die Stahlkolosse erneut einzuhüllen. Gegen 10:00 Uhr füllt sich der Besucherparkplatz mit ein paar Fahrzeugen. Uns gegenüber steht ein Kombi, dessen Scheiben beschlagen sind. „Offensichtlich hat hier noch jemand übernachtet“, sage ich zu Tanja auf das Fahrzeug deutend, indem sich jetzt jemand bewegt. Während ich diese Zeilen schreibe, schaue ich ab und an aus dem Fenster. Das junge Pärchen sitzt eng nebeneinander auf der zur Liegefläche umgebauten Ladefläche des Kombis und frühstückt. „Die scheinen sich wirklich zu mögen“, meint Tanja. Neben dem Leuchtturm ist eine eingezäunte Weide, in der ein paar Lamas Gras fressen. „Ich geh mal raus und schieß ein paar Fotos“, sage ich, schnappe mir die Kamera und verlasse die Terra. „Ihr kommt aus Deutschland?“, spricht mich der junge Mann des Kombis in perfektem Deutsch an. „Ja, und warum sprechen sie so gut Deutsch?“ „Ich bin in Deutschland geboren, lebe aber schon seit meiner frühen Kindheit in Norwegen. Meine Eltern sind damals ausgewandert. Ich habe gerade eure Webadresse auf dem Expeditionsmobil gecheckt. Ist ja irre, was ihr auf euren Reisen und Expeditionen bisher gesehen habt.“ „Ja, in den letzten Jahrzehnten durften wir schon viel sehen und erleben“, antworte ich erfreut, dass jemand die Webadresse, die auf der Terra Love abgedruckt ist, registriert hat und gleich ins Netz gegangen ist. „Und ihr verbringt Urlaub im eigenen Land?“, frage ich. „Wir wollten dieses Jahr eigentlich nach Deutschland, dann kam Corona. Für mich wäre die Quarantäne nach der Wiedereinreise nach Norwegen kein Problem. Ich kann im Homeoffice arbeiten, aber meine Frau Rebecca ist Krankenschwester, für sie wäre Quarantäne nicht gut. Deswegen entschieden wir uns in der Heimat Urlaub zu machen.“ Wir unterhalten uns noch eine Weile über Norwegen und die Welt, dann verabschiede ich mich von Arne und seiner Frau Rebecca, um meine Lama-Bilder in den Kasten zu bekommen.

Am Abend klopft es unerwartet an unsere Tür. „Hallo, hoffen wir stören nicht?“, begrüßen uns Arne und Rebecca. „Ich dachte, ihr seid schon vor Stunden weitergefahren?“, frage ich verwundert. „Sind wir auch, wir hatten die spontane Idee, euch zu uns zum Abendessen einzuladen und das wollten wir persönlich machen. Das ist der Grund, warum wir wieder zurückgefahren sind“, sagen die beiden lachend. „Das ist wirklich nett von euch“, antwortet Tanja. „Es würde uns sehr freuen, wenn ihr uns auf den Weg nach Norden besucht. Ihr kommt doch durch die Stadt Bergen?“ „Hm, wir waren zwar schon zweimal in Bergen, aber wer weiß, wenn es die Zeit zulässt, sagen wir euch Bescheid. Auf jeden Fall vielen Dank für die Einladung“, bedanke ich mich, als Rebecca plötzlich in die Knie geht und sich auf der Treppe der Terra absetzt. „Geht es dir nicht gut?“, fragt Tanja besorgt. „Mir ist nur ein wenig schwindelig.“ „Sie ist schwanger“, erklärt Arne. „Oh, Gratulation“, sagt Tanja. „Magst du ein Glas Wasser? Oder vielleicht wollt ihr reinkommen?“ „Nein, nein, es geht schon wieder.“ Wir unterhalten uns noch ein wenig, dann verabschieden sich die beiden Jungvermählten von uns. „Hoffe, wir sehen uns in Bergen!“, rufen sie. „Bestimmt!“, antwortet Tanja…

 

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