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Mongolei/Tovuu-Camp MONGOLEI EXPEDITION - Die Online-Tagebücher Jahr 2011

Erstes Resümee – Wie alles begann

N 49°01'656'' E 104°03'559''
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    Tag: 432

    Sonnenaufgang:
    06:59

    Sonnenuntergang:
    18:49

    Gesamtkilometer:
    2517

    Bodenbeschaffenheit:
    Asphalt

    Temperatur – Tag (Maximum):
    15 °C

    Temperatur – Tag (Minimum):
    minus 1 °C

    Temperatur – Nacht:
    minus 6 °C

    Breitengrad:
    49°01’656“

    Längengrad:
    104°03’559“

    Maximale Höhe:
    1304 m über dem Meer

In diesem Augenblick sitze ich in Tovuus und Baatars Wohnung und blicke aus dem Fenster in einen Hof der von weiteren im Ostblockstil errichteten hässlichen Wohnbunkern begrenzt ist. Das Land in dem die Augen nirgends anstoßen beginnt hinter dem oder dem nächsten oder übernächsten Häuserblock. Obwohl erst Ende September hat es bereits geschneit. In wenigen Stunden wird die Sonne den Schnee wieder weggeschleckt haben in den kommenden Wochen aber den Kampf gegen den heraneilenden Winter verlieren. Hier im Schutz der Mauern, in einer von Menschen errichteten Behausung mit Heizkörpern und Heißwasser, kann uns der Winter nichts mehr anhaben, hat er seine Macht und furchteinflößende Kraft verloren. Das ist gut so, zumindest für eine Weile. Jedenfalls so lange bis wir uns völlig ausgeruht und wieder Kraft gesammelt haben, um unsere Lebensreise fortzusetzen. Jetzt aber beginnt ein anderer, bereits bekannter Lebensabschnitt für uns. Wir werden in einigen Wochen die Heimreise antreten. Familie und Freunde in die Arme nehmen. Wir werden es genießen für eine Zeit keine Fremden zu sein, in unserer eigenen Sprache mit den Menschen sprechen, die eigene Kultur leben, unsere Erlebnisse, Bilder und Filme auswerten, Revue passieren lassen und den Menschen von der Mongolei und der für uns fremdartigen Lebensweise der dort lebenden Völker berichten. Sicherlich werden wir die Zeit Zuhause genießen, den Luxus der Zivilisation inhalieren und wenn wir uns erneut an das schnelle Leben des Westens gewöhnt haben die Reißleine ziehen, um unser nomadisches Leben fortzusetzen.

Noch immer in meinem weitgereisten Klappstuhl sitzend gleitet mein Blick aus dem hässlichen Hof zurück in das Zimmer und bleibt an dem Wandteppich vor mir hängen. Das in rot, blau und hellgrün gewobene Muster ist einnehmend. Es beginnt sich gemächlich zu drehen, wie eine Spirale die meinen Geist langsam in sich einsaugt und die Erinnerungen der vergangenen 14 Monate hochbringt. Es ist etwa so als würde die drehende Spirale meinen Geist in eine Zeit entführen in der zwei Menschen das wirkliche Abenteuer gesucht, gefunden und gelebt haben. Es kommt mir so skurril vor als wären wir Schauspieler des Kosmos gewesen welche in einer abenteuerlichen Geschichte die Hauptrollen gespielt haben. Doch war es nur ein Spiel? War es nicht nackte Realität? Hießen die zwei Menschen wirklich Tanja und Denis? Im Spiralnebel spüre ich plötzlich wieder den Stress der Vorbereitung zu einer Mongoleireise die schon alleine wegen den harten Visabestimmungen von Beginn an auf wackeligen Beinen stand. Die Idee auf Pferden zu einem der letzten Rentiernomaden unserer Erde zu reiten, um dort mit ihnen einen Winter zu verbringen, war geradezu absurd. Und doch setzte sich Mosaiksteinchen an Mosaiksteinchen bis wir mit einer NGO-Einladung und bald 200 Kilogramm, von der Airline akzeptierten Übergepäck, im Flugzeug nach Ulan Bator saßen. Auch wenn es kein Wunder gewesen ist schien mir die Reise von genau solchem beglückt worden zu sein.

Plötzlich spüre ich wieder wie hektisch und aggressiv uns der Verkehr der mongolischen Hauptstadt vorkam, die vielen Behördengänge, der Papierkram, das Bibbern und Bangen und dann die Erleichterung einen mongolischen Personalausweis und eine einjährige Arbeitsgenehmigung in den Händen zu halten, welche uns die Tür zu einer außergewöhnlichen Expeditionsreise öffneten. Ich erinnere mich an die Herausforderungen der uns im Stich lassenden Technik, dem Warten auf die vielen Pakete mit der noch benötigten Ausrüstung und Spezialnahrung, an die ersten Gespräche mit unserem Übersetzer Ulzii der kaum Englisch sprach und sich während der Reise als egoistischer Versager outete.

Welch ein erhabenes Gefühl war es unser Basiscamp von Ulan Bator nach Erdenet verlegt zu haben. Wie herzlich uns Naraa in ihr Haus aufgenommen hatte. Ich denke an die ernüchternden Besuche auf dem Schlachthof und die vielen, teils schwierigen Verhandlungen mit Pferdebesitzern. An die Suche nach den Wagenpferde und die Freude Sharga und Bor in einem Holzfuhrunternehmen gefunden zu haben. An den aufwendigen Bau des Pferdewagens oder daran wie Saraas Onkel Tsagaan mit seinem Gehaltsvorschuss auf nimmer Wiedersehen abgehauen ist. Es war zum Haare raufen wie wir in den ersten Wochen über den Tisch gezogen wurden, wie die Menschen uns Geld aus den Taschen leierten oder wie uns einer der Hirten anstatt Sar einen alten Gaul unterjubelte und mit dem Geld verschwand. Welch ein Husarenstück war es als unser Übersetzer Taagi Sar von dem Hirten zurückstahl und dafür den alten Gaul dort ließ. Noch Tage hatten wir Angst dieser üble Mann würde sich das Pferd wiederholen aber Sar blieb und wurde ein wichtiges Expeditionsmitglied. Und dann kam Mogi in unser Leben. Ein Hund der alles was er sah anbellte und mich dadurch bald zum Wahnsinn trieb. Wer hätte zu diesem Zeitpunkt gedacht, dass er es war dem wir hauptsächlich zu verdanken hatten nicht alle Pferde durch Diebe verloren zu haben.

Gerne erinnere ich mich wie eine der wichtigsten Personen dieser Reise bei uns auftauchte. Wie wir mit Bilgee die ersten Gespräche über die geplante Expedition und seine Pflichten führten. Seine anfänglich überzogenen Gehaltsvorstellung, seine fürsorgliche, besonnene Art, seine Hilfsbereitschaft und Ideenreichtum. Zweifelsohne wäre diese Reise ohne ihn nicht so farbenfroh, teils lustig, vor allem erfolgreich verlaufen.

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